die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Im Gras wispert Hoffnung => Thema gestartet von: Erich Kykal am August 10, 2020, 12:55:07

Titel: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am August 10, 2020, 12:55:07
Mir dunkelt die Welt. Selbst in Sommers Girlanden
aus Licht scheint dem Zweifler kein Mut mehr vorhanden.
Mir dunkelt die Welt. Aus geronnenen Klagen
vermag mir kein Tag noch ein Neues zu wagen.

Mir dunkelt die Welt zu verschatteten Stunden.
Kein Glück mehr gesucht und auch keines gefunden.
Mir dunkelt die Welt in verschwimmenden Wellen
aus Gram, der mir blutet aus offenen Stellen.

Mir dunkelt die Welt. Ach wie ungezählt zog ich
erneut mich empor und manch Ungeschick bog ich
mir zu, dass es fröhlicher um mich gerinne -
ich kann es nicht mehr, und mir dunkeln die Sinne.

Doch nein, alter Knabe, so willst du nicht enden!
Ein weiteres Mal soll dein Atem sich wenden!
Ein weiteres Mal sei dir Unbill und Pein
getilgt mit den Worten: „Du bist nicht allein!“

Ich flute mein Leben mit Lichtes Versprechen
und fühle die Dämme der Dunkelheit brechen.
Es leuchte mir weiter auf schattigen Wegen
dem Ende der inneren Nächte entgegen.

Es dunkelt die Welt immer wieder im Leben -
die Rettung ist nicht, sich dem Schmerz zu ergeben.
Es dunkelt die Welt über Kummer und Sorgen,
doch endet die Nacht, folgt ein weiterer Morgen.
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Agneta am August 10, 2020, 21:18:51
ein schmerzliches und doch wundervoll hoffnungsgebendes Werk, lieber Erich. Balladig im Daktylus, eigentlich Amphibrachis geschrieben fließt es wie ein Bach dahin.
In deiner Lebenssituation so etwas zu schreiben, fordert mir großen Respekt ab.
Lichtes Versprechen ist etwas unklar, hier käme ein Artikel besser oder vielleicht das Adjektiv licht? Klasse, Erich!
LG von Agneta
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am August 11, 2020, 01:37:36
Hi Agneta!

Vielen Dank für die Blumen. "Lichtes Versprechen" ist eine Genitivkonstruktion: "Versprechen des Lichtes".

An "meine Situation" habe ich beim Schreiben gar nicht gedacht, aber ja, könnte auch da passen.

LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Eleonore am August 11, 2020, 18:46:54
Das ist eines Deiner Hoffnung gebärenden Gedichte, Erich.

Sich nicht dem Schmerz anheim geben,
obwohl doch alles in einem danach schreit,
sondern dem Lichten, dem Schönen und der Hoffnung seinen ihm zustehenden Platz einräumen.

Zufällig las ich vorhin über Frauen, die den Gulag in der Sowjetunion überlebt haben:
 Bücher, Poesie und "das Schöne" haben sie aufrecht gehalten.

Manche Deiner Gedichte kommen mir vor,
als wären sie aus dem Stein heraus gemeißelt worden.
Stein, die dichteste Materie , die Du befreist und das Lichteste schaffst,
nämlich das Hoffnung gebende Wort.

Machst Du eigentlich Lesungen?

Sehr gerne gelesen und mitgeschwungen.

Eleonore
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am August 11, 2020, 22:28:25
Hi Eleonore!

Vielen Dank für die freundlichen und lobenden Worte!  :)

An sich würde ich schon Lesungen machen, indes, in meiner Gegend interessiert sich kaum einer für Lyrik, und da ich keinen Kontakt zur literarischen Welt Österreichs habe, werde ich mangels Bekanntheit natürlich auch nie irgendwohin eingeladen. Weiter als 50 km würde ich für sowas allerdings auch nicht fahren wollen.

LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Eleonore am August 12, 2020, 08:52:49
Hallo Erich,

Lyrik wird ja nirgends wirklich gepflegt.
In meiner Stadt - ca. 140 000 Einwohner - gibt es auch so gut wie keine Lyrikveranstaltungen.

Ab und an gibt es diese Lyrikwettbewerbe - Poetryslams.
Ich kenne sie nicht wirklich,
habe aber den Eindruck, es geht halt um "höher-schneller-weiter",
also eines der Grundprinzipien der aktuellen Gesellschaft.
Daher glaube ich, dass es gut ankommt.
Vllt. täusche ich mich auch.

Man kann sich ja auch selber ins Gespräch bringen....
oder das Lesen anbieten.

Ich habe deswegen nachgefragt,
weil ich glaube,
dass genau Deine Gedichte, die so hoffnungsvoll stimmen,
für Menschen in schweren Lebenslagen Balsam wären.


lg Eleonore
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am August 12, 2020, 11:47:45
Hi Eleonore!

Wem meine Werke wohltun (obwohl ich oft den Vorwurf höre, insgesamt zu negativ, zu traurig zu schreiben), der kann sie ja hier lesen. Fünf Bücher gibt es auch, die kann man bei mir bestellen.

Diese "Poetry-Slams" haben für mich eher wenig mit dem zu tun, was ich unter "Poetry" verstehe. Es ist im Grunde ein Wettrappen ohne Musik, atemlos, gehetzt - eigentlich Schnellsprechwettbewerbe: wieviel kriegt man unter in den paar fixierten Minuten Redezeit?
Meine Poesie will getragen, kontemplativ und leise vorgetragen sein, soll nachdenklich stimmen, nicht aufpeitschen. Das würde sich mit dieser Konkurrenzsituation dort so gar nicht vertragen. Außerdem habe ich nicht das Bedürfnis, mich poetisch mit anderen zu "messen", ich finde den Gedanken lächerlich. Ich habe es nicht nötig, mir durch subjektive Siege ein positiveres Selbstwertgefühl zu vermitteln.

LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Eleonore am August 12, 2020, 17:19:19
Hi Erich,

hattest Du meinen Beitrag so verstanden,
dass ich mir Dich auf einem poetry-slam vorstellen könne??

Ganz sicher nicht!

Ich könnte mich dort auch nicht umtun,
da für mich Druck ein Kreativitätskiller der ersten Sorte ist.

Ich finde nicht, dass Du zu depressiv schreibst -
das ist aber vllt. Mentalitätssache.

lG Eleonore
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am August 12, 2020, 20:50:06
Hi Eleonore!

Nein, ich habe dich schon richtig verstanden, ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich derselben Ansicht bin, was diese Slams (Schon der Name: Das englische Wort für "Hieb oder Schlag" ...  ::)) angeht.

LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: gummibaum am August 13, 2020, 12:57:12
Lieber Erich,

Dunkelheit und Licht, die beiden Seiten im Leben, stellst du in ihrem Streit um die Seele sehr plastisch dar und lässt das Licht -wie schön- die Oberhand gewinnen.

Chapeau von gummibaum 
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am August 16, 2020, 18:52:35
Hi Gum!

Oft wird mir vorgeworfen, alles allzu traurig, hoffnungslos und negativ darzustellen. Da muss man ab und zu gegenhalten ...  ;)

LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: AlteLyrikerin am August 22, 2020, 16:38:40
Hallo Erich,

die ersten drei Strophen Deines Gedichtes gefallen mir sehr gut. Das Leiden des lyrischen Ich, seine abgrundtiefe Verzweiflung werden in stimmigen Bildern beschrieben. In der vierten Strophe kommt plötzlich der Umbruch; völlig unverständlich und unmotiviert. Fast wie bei einem manisch depressiven, der von todessehnsüchtig plötzlich umschlägt in hyperaktiv.
Woher soll denn so plötzlich der Hoffnungshorizont kommen für einen, der eben noch aus seinen Wunden blutend, von sich verdunkelnden Sinnen sprach? Das ist mir persönlich zu unvermittelt, und kommt mit dem "nein, alter Knabe" auch reichlich burschikos daher, dem Sprachduktus der vorausgegangenen Strophen nicht entsprechend.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am August 22, 2020, 21:33:55
Hi AL!

Deine Ansicht unbenommen, aber ich erlebte es selbst so: Dieses ruckartige Sichaufraffen, wenn Selbstmitleid und Depression über einem endgültig zusammenzuschagen drohen - einfach weil es nur so geht: Augen zu und durch! Würde man lange überlegen, bedenken und vorausplanen, es gäbe immer genug, was dann wieder genug Zeit hätte, einen runterzuziehen und zu entmutigen, was einen dann weiter im Tran hält.

Manchmal funktioniert es mit so einem lauten, selbsthypnotisch polternden, bekräftigenden "Hauruck" eben am allerbesten ...

LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: a.c.larin am September 09, 2020, 16:04:03
hallo erich,


im dunkeln ist gut munkeln, sagt das sprchwort   - trifft auf dieses gedicht voll zu : gut gemunkelt, würde ich sagen.

bin auch (angenehm) überrascht von der inhaltlichen wendung zum lichte. wird unser eky altersmilde?    ;D

allerdings bin ich über (des) Lichtes Versprechen  beim Lesen auch dreimal gestolpert, ( weil der Artikel fehlt) - und habs dann nur verstanden, weil ich weiß, wie du beim schreiben hintenherum tickst. ach ja, der genitiv.....

wo's mich aber wirklich rausgeworfen hat, war die letzte zeile :


doch auf jede Nacht folgt ein weiterer Morgen.


echt jetzt? so , wie das ganze gedicht gebaut ist, ist jede zweite silbe in jeder zeile betont   - das "auf " betont zu lesen, klingt aber nicht so toll.


wie wärs z. b. mit : doch endet die nacht, folgt ein weiterer morgen.


habs gerne im dunkeln gelesen! hält aber auch dem tageslicht stand.  ;)

lg, larin
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am September 09, 2020, 17:12:20
Hi larin!

Ich habe zwar keine so großen Probleme mit dem betonten "auf", aber ich gebe gern zu (auch wenn meine Version die Aussage etwas griffiger verdeutlicht), dass deine Lösung sprachlich gediegener ist. Wird daher gern aquiriert - und vielen Dank dafür!  :)

Aber jetzt mal Tacheles: Seit wann ist der schöne (und korrekte!) Genitiv "beim Schreiben hintenherum"!? Und was genau soll das eigentlich bedeuten? Ja, geht's noch ...  :o ::)

Abgesehen davon: Vielen Dank für die Belobigung meines Werkes!  :)

Altersmilde bin ich übrigens schon seit gut 20 Jahren! Davor war ich jugendmilde ...  ;) ;D


LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: a.c.larin am September 11, 2020, 18:29:19
hi erich,

wow , ein seltener fall ist eingetreten! erich findet den hinweis "sprachlich gediegener"!   ;)

nein, jetzt im ernst:  da deine gedichte meist hundert prozent metrisch korrekt sind, lässt sich ja auch nix finden, was "gediegener" wäre.


das "hintenherum" muss ich , glaub, ich erklären.  das war wohl etwas flapsig so hingesagt.  nix für ungut.

natürlich ist der genitiv was schönes ( und wird auch immer seltener, weil:  der dativ ist dem genitiv sein tod).
aber: er sollte halt doch verständlich sein .

in obigem fall fehlt der artikel   - und das lässt das nomen (des) lichtes wie ein adjektiv erscheinen, was ein bissl den lesefluss stört, finde ich.
man denkt zunachst an "mit lichtem Versprechen" ( wasn das? Hä?), und muss dann die zeile ein zweites und drittes mal lesen.

da purzelt man halt ein bissl drüber. weil: so redet kein mensch mehr. ( was für dich kein kriterium ist, wie ich vermute)

es ist , wie es ist: ein paar leser aus dem vorigen jahrhundert  steigen da noch dahinter - die 2000 werdens einfach nicht mehr behirnen.
da hat sich die gesprochen( und auch geschriebene sprache) doch schon zu sehr davon entfernt.


so. und um das "hintenherum" noch einmal richtig zu übersetzen:   ich finde, du kannst sehr verschachtelt denken. was definitiv KEIN fehler ist, nur manchmalk nicht ganmz leicht nachzuvollziehen für den lesenden.  ;)

lg, larin





aber vielleicht ist das ja der effekt, den du dir wünscht: soll der leser doch ruhig mal a bissel stolpern, wenn er den lyriker fassen will.....


das wird die leserzahl zwar ein bissl reduzieren, doch - was solls?
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am September 11, 2020, 22:13:36
Hi larin!

Nein, beim Dichten mache ich mir keinerlei Gedanken über die mögliche hermeneutische Kompetenz meiner theoretischen künftigen Leserschaft. Ich schreibe, wie es MIR eben gefällt und wie ich Sprache schön finde. Ich wurde selbst als Knabe schon mit "alten" Ausdrücken und Phrasen großgezogen und sprachlich akzeleriert, weil mein Vater als Deutschprofessor großen Wert darauf legte, dass ich auf Hochdeutsch sprechen lernen sollte. Dialekt lernte ich erst in Kindergarten und Schule ...

Eine Nachbarin erzählte lang die Anekdote, wie sie mich als Drei- oder Vierjährigen sagen hörte: "Vater, bedecke mich. Mir ist kühl am Kopfe!" (Ich wollte meinen Hut ..)

Das mit dem "hintenherum" habe ich übrigens durchaus gleich verstanden - ich wollte nur ironisch sein.  ;) ;D
Fakt bleibt, dass mir die (in meinen Augen zum gutem Verständnis noch mögliche) Komplexität meiner lyrischen Sprache wichtiger ist als etwaige Überlegungen darüber, ob mich Leser mit geringer geschulter Sprachhabung auch noch um jeden Preis verstehen müssen.

Aber vielen Dank für die lieb gemeinte Mahnung! Ich werde es im Hinterkopf behalten.  :)

LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: a.c.larin am September 12, 2020, 07:58:11
ach herrje,

ein dreijähriger sagt:

Vater, bedecke mich. Mir ist kühl am Kopfe!" (Ich wollte meinen Hut ..)   

dein herr papa hat viel für dein sprachempfinden/ sprachverständnis getan   - aber sozial hat er dich damit ins eck gedrängt.
kann mir nicht vorstellen, dass das irgendein kind in deiner lebensumgebung verstehen hätte können. da ist soziale einsamkeit vorprogrammiert, denke ich.

und dann passiert das, was alice miller als "drama des begabten kindes" bezeichnet - mit allen dazugehörigen vor-und nachteilen.

dieses kind ist dann sprachlich gesehen - einsame spitze, im vollen wortsinne. aber eben auch lange zeit und über weite strecken sehr alleine - denn wer kann da mithalten mit ihm?
da wird ein hoher preis für die kunst bezahlt. freiwillig? unfreiwillig? ob das papa so bedacht hat? ich glaub nicht.

wollen wir hoffen, dass das licht letztendlich sein versprechen einlöst.
dem kinde mit dem kühlen kopf wünsche ich, dass es bald den richtigen hut kriegt : gute gesellschaft, die sprachlich an es heranreicht. ( damit papa nix zu meckern hat:  ;) )


lg, larin
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am September 12, 2020, 09:54:54
Hi larin!

Lieb von dir - auch wenn mir ein wenig "Augenzwinkern" in diesem Kommi dabeigewesen zu sein scheint.

Aber ich bleibe bis an mein Lebensende allein, weil ich es so gewählt habe. Ich bin dauerhaft einfach nicht sozial kompatibel. Ab und zu mag mich Trauer überkommen, aber die geht auch wieder.

Was mich als Kind isoliert hat, war nur am Rande meine Ausdrucksweise. Da ich verhätscheltes Einzelkind war und Kontakt zu Gleichaltrigen überhaupt erst im Kindergarten bekam, fehlten mir von Beginn an einfach Sozialkompetenz und die Fähigkeit, mich ein- und damit auch ein Stück weit unterzuordnen. Aber leider auch jedes Mittel, mich gegen das Mobbing zu wehren, das mit der Mittelschule begann ...

Aber das ist Schnee von gestern. Ich hadere nicht mehr damit - aber als lyrisches Treibmittel hält es noch ganz gut her!  ;D

LG, eKy
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: a.c.larin am September 14, 2020, 17:36:11
hi erich,

ich hatte nie die absicht , dich zu "missionieren" ;). jeder wählt   die lebensform, die zu ihm past - oder muss mit der zurechtkommen, die er gefunden hat, je nachdem.....

ich finds nur immer wieder spannend, wie sehr uns die art des aufwachsens prägt,  welche spuren , welchen wiederhall  es begründet im späteren leben.

dein "lyrisches treibmittel"  erzeugt eine vielzahl  wunderschöner gedichte.  - also  könnte man doch sagen:  man weiß nie, wozu etwas gut ist  - und so manches seltsame kraut
 
entwickelt noch wunderschöne blüten, spät im jahr!   ( ich bin in einem großen garten aufgewachsen. hört man auch irgendwie, oder nicht?)


lg, larin
Titel: Re: Wenn es dunkelt
Beitrag von: Erich Kykal am September 15, 2020, 14:26:44
Hi larin!

Durchaus!

Und danke für die unterstützenden sowie die meine Arbeit lobenden Worte!  :)

LG, eKy