Autor Thema: Ahnung mit Sternchen  (Gelesen 1199 mal)

Ingo Baumgartner

Ahnung mit Sternchen
« am: Dezember 04, 2010, 11:55:26 »
Ich war nicht ganz bei der Sache, hatte ich doch so eine vage Ahnung von einem unerfreulichen Geschehen, das sich fast schicksalhaft an diesem Nachmittag noch einstellen musste. Es war knapp vor Weihnachten, daher konnten durchaus monetäre Schreckvisionen, Vorhofflimmern infolge einer festbedingten Stresssituation oder andere stimmungsvolle psychosomatische Einflüsse eine unterbewusste Rolle spielen. Aber, wie gesagt, alles war sehr sehr vage, denn es kam mir eigentlich nichts Konkretes in den Sinn.

   Kurz und gut, die Ausführungen des Vortragenden über die Folgen der normannischen Invasion blieben nur bruchstückhaft hängen, was natürlich die Auswirkungen von Williams Feldzug in keiner Weise beeinträchtigte.
   Vorahnungen hat man nicht aus heiterem Himmel heraus, sie kommen, wenn sie kommen müssen. Ein Mann trat ein, fragte den Professor, ob sich hier ein Herr N.N., also ich – aus A. befände. Da er sich befand, wurde ihm auch mitgeteilt, warum an einer weiteren Verfolgung der respektablen Leistungen von des Eroberers Truppen nicht mehr zu denken war.

   In A. belästigte ein Affe vom Aussehen eines Schimpansen Schifahrer an der Einstiegstelle zum Schlepplift. So die lakonische Mitteilung. Was hatte das aber mit mir zu tun? Nun gut, ein gewisser Zusammenhang war da schon herzustellen – der Affe gehörte nämlich mir, war meiner Aufsicht und Pflege anvertraut, für Schäden im Ausleben seiner Launen und seines leicht schrägen Witzes musste ich aufkommen.

   Nie zuvor legte ich die Strecke von Salzburg nach A. in einem, ich bin heute geneigt zu sagen, affigen Tempo zurück, das den winterlichen Fahrverhältnissen in keiner Weise gerecht wurde. Mit gutem Grund.
Bazi, so hieß der Bärenmakak, den freilich nur ein der Primatenkunde völlig fern stehender Mensch als Schimpansen bezeichnen konnte, war in seinem Erfindungsreichtum, der Darwin auch ohne Weltreise zu ähnlichen Überlegungen gebracht hätte, aus seinem Käfig entwichen, durch ein offenes Fenster ins Freie gelangt und die etwa dreihundert Meter zur Liftstation in freudiger Erwartung durch den Schnee gestapft.

   Als ich ankam, riss er gerade einer Frau die Haube vom Kopf. Sie fiel vor Schreck in den Schnee, die Frau, nicht die Haube. Ein Kind weinte, mit gutem Grund. Ein Mann hielt ein Haarbüschel, sein eigenes, staunend in der Hand. Der Liftwart wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte; lachen traute er sich nicht, denn das hätte ihm sicher nicht gut getan. Warum der Liftbetrieb nicht eingestellt worden war, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht hoffte man, dass sich der Makak an einen Bügel hängen würde und so die Einstiegsstelle wieder ihrer alleinigen Bestimmungen übergeben werden konnte. Momentan glich sie eher einem Schlachtfeld. Ein abwechselnd hysterisches, dann wieder freudiges Gekreische ließ vermuten, wer gerade von Bazi in die engere Auswahl gezogen wurde.

   Nachdem ich meine ganze, ich will aus bestimmten Gründen nicht sagen, väterliche, Autorität ausgespielt hatte, konnte ich den Affen an der Hand in sein Gehege zurückführen und den Schaden am Käfig beheben.
Danach blieb mir noch Zeit, einige Weihnachtseinkäufe zu tätigen, was ich unter Verfolgung des normannischen Gemetzels nie hätte tun können. Jetzt fiel mir auch auf, dass die Vorahnung nicht ganz in Schwarz gehalten war, sondern weihnachtlich goldene Sterne  ihre Bahn von der linken Hirnhälfte in die rechte zogen.