Ihr Lieben!
Ich wollte jetzt doch einmal ausprobieren, ob wir nicht zum zuletzt in einem Gedichtefaden von mir angeschnittenen Thema der "modernen Lyrik" zu einem gewinnbringenden Austausch gelangen. :)
Der Anknüpfungspunkt hierfür ist, eKys Verdruss ob der Form-losigkeit, die in der Lyrik seit ca. 1860 vermehrt um sich gegriffen hat (Arno Holz wäre hier vielleicht als ein früher Protagonist zu nennen), gepaart mit zunehmender Sinn-Verweigerung in der Tradition von Expressionisten, Dadaisten, Surrealisten und der konkreten Poesie (bei Letzterer natürlich mit einem ganz anderem poetologischen Konzept). Am Ende dieser Entwicklung steht eine Vorstellung, die eKy (und viele andere Leser oder eben gerade auch Nicht-Leser) für sich unter dem Stichwort "moderne Lyrik" ablegen:
Ein "sinnloser", reimfreier, metrisch ungebundener Text, der sich Grammatik und Orthographie hartnäckig verweigert.
Um das, was eKy sich (denke ich mal) unter "moderner Lyrik" vorstellt, im Anschluss mal ein paar Textbeispiele (Urheberrechtsfrei, weil schon Alt, mithin also noch am Anfang der Entwicklung "moderner Lyrik" stehend).
Zu diskutieren wäre m. E.:
A.
Sind
1. Formfreiheit
2. Durchbrechen von Sprachregeln
3. Sinn-Verweigerung
definierende Kennzeichen "moderner Lyrik". Kann also ein (einigermaßen) regelhaft gebautes Sonett per definitionem keine moderne Lyrik sein?
B.
Hat der Reim noch einen Platz in moderner Lyrik oder (um das Argument umzudrehen): Ist Lyrik ohne Reim per defintionem "gar keine richtige" Lyrik?
C.
Würde heutzutags mehr Lyrik gelesen, wenn die Lyriker wieder anfingen, "traditionell" zu dichten? Und was heißt das?
Ist also die Lyrikszene selber schuld, wenn sie ein Nischendasein führt, weil sie für das "normale Publikum" (wer ist das?) einfach zu verkopft, zu verquast, zu schräg geworden ist?
Und hier erstmal ein paar Textbeispiele, die den "Beginn der Moderne" in der deutschen Lyrik etwas illustrieren sollen:
Arno Holz (1863 - 1929)
In rote Fixsternwälder, die verbluten
In rote Fixsternwälder, die verbluten,
peitsch ich mein Flügelross.
Durch!
Hinter zerfetzten Planetensystemen, hinter vergletscherten Ursonnen,
hinter Wüsten aus Nacht und Nichts
wachsen schimmernd Neue Welten – Trillionen Crocusblüten!
***
August Stramm (1874 - 1915)
Traumig
Frauen schreiten ab zersehnte Augen
Kinderlachen händelt schmerzes Blut
Fernen nicken
Blüten winken
Kommen sammeln winden
Würgen sticket klamm die tränen Schlund.
***
Hugo Ball (1886 - 1927)
Katzen und Pfauen
baubo sbugi ninga gloffa
siwi faffa
sbugi faffa
olofa fafamo
faufo halja finj
sirgi ninga banja sbugi
halja hanja golja biddim
mâ mâ
piaûpa
mjâma
pawapa baungo sbugi
ninga
gloffalor