die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Im Gras wispert Hoffnung => Thema gestartet von: Erich Kykal am Juli 29, 2018, 12:10:46

Titel: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am Juli 29, 2018, 12:10:46
Verliere dein Zaudern in steigenden Klängen
aus tanzenden Worten, beginne dein Sein
erneut in melodischen, klaren Gesängen,
behalte sie liebevoll, tröstlich und rein,

und gib dich dem Hallen erhabener Räume
so hin wie ein Kind seinen Spielen daheim,
erschaffe dir Heimat im Wesen der Träume
harmonischer Seelen in klingendem Reim.

Entwachse dem irdischen Dauern in Sphären
der Gnade, egal auch, wie schmerzlich sie sei
und weine die Leiden, die unheilbar wären,
ins Tuch deiner Sprache und dichte dich frei!
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Curd Belesos am Juli 29, 2018, 12:33:19
Lieber Erich,

das ist unglaublich gut. Mir fehlen die Worte es entsprechend zu würdigen. Ich bin begeistert. Wunderbar.

Ein Kleinod, ein Meisterwerk, ich verneige mich.

Danke

Curd
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am Juli 29, 2018, 12:43:31
Hi Curd!

Ich horche gerade Choralmusik von Thomas Tallis (16. Jhdt) - dabei fließt es immer leicht von der Feder!  :)

Vielen Dank für deine ehrliche Begeisterung! Das verschönt mir den Tag ungemein!  :)

LG, eKy
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: gummibaum am Juli 29, 2018, 14:42:06
Ja, die Musik kann befreien, lieber Eich. Wunderschön entfaltest du, was gläubiges Vertrauen in Töne einschlossen hat. 

LG gummibaum
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am Juli 29, 2018, 17:41:01
Hi Gum!

Naja, eigentlich war die Musik nur der Türöffner - das Gedicht widmet sich, wie der Titel weist, der Dichtkunst. Aber die nahe Verwandtschaft lässt bezüglich Auslegung wohl beides gelten ...  ;)

Vielen Dank!  :)

LG, eKy
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: gummibaum am Juli 29, 2018, 21:32:37
Sorry, das ging erwas am Gedicht vorbei. 

Deine Liebe zu Wort und Klang wird hier so deutlich, dass der  Leser die Wiedergeburt im harmonischen  Sprachgebilde miterlebt und die Lust, in ihm geborgen über von allen Übeln des Menschseins dahinzuschweben, teilt.

Mit Genuss gelesen.

LG g
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am Juli 29, 2018, 22:36:29
Hi Gum!

Für dein Penthesilea- Gedicht kann ich dir dieses Kompliment nur zurückgeben!  :)

LG, eKy
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: cyparis am Juli 30, 2018, 15:49:28
Lieber Erich,

ich kenne nichts, was einen Dichter mehr beflügelt, als Musik und (intakte) Natur.
Bei mir sind es die Romanikter, an erster Stelle Schubert und hin und wieder russische Morgen- oder Abendgebete.
Gewesen.
Es blüht und grünt nichts mehr, selbst die Meister Schubert und Beethoven erlösen mich nicht.

Gruß
von
Cypi
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am Juli 30, 2018, 19:32:14
HI Cypi!

Auch ich merke, wie die Jahre mich trockener werden lassen, unbewegter (als ohnehin schon) - es ist als würden die Gefühle, die einst unsere Kunst beflügelten, mit uns altern, aber noch vor unserem körperlichen Ende nach und nach zerfallen.
Vielleicht steht jedem Menschen nur ein bestimmtes Maß an Fühlen zur Verfügung, oder das Leben macht uns so zynisch und welterfahren, dass wir einfach nicht mehr an Romantik und andere Gefühle glauben können.
Vielleicht aber nutzt auch unser Geist sich am Leben ab, so wie unser Leib es tut. An Wissen und Erfahrung mag er reicher werden, aber damit verdrängt er mehr und mehr das Unmittelbare der kindlichen Natur, die noch an Wunder und Magie glaubt.
So wie die ganze menschliche Art altert, sich zivilisiert, Fortschritt erzielt, reift. Wir lernen viel über das Funktionieren des Universums, zuweilen mehr, als unser noch so begrenzter Geist überhaupt zu erfassen vermag, aber wir verlieren dabei auch etwas: Eben diesen Wunderblick des neugierigen Kindes.
Warum soll man Gedichte schreiben, wenn man einfach nicht mehr "mit"fühlen kann, weil man den Kontakt zu seiner inneren Quelle mehr und mehr verliert? Wer zuviel weiß, erkennt die Ziel- und Zwecklosigkeit dieses Universums, und wird ebenso: Man existiert, aber ohne Ziel und Zweck.

Und dennoch - ich würde kein Jota dessen, was ich heute bin, aufgeben wollen, um wieder ein naives Kind sein zu können. Das wäre nur denkbar, wenn ich all mein Wissen, meine Erfahrung, all die Erinnerungen meines Lebens mitnehmen könnte in die neue junge Hülle! Das lassen Zeit und Entropie aber nicht zu. Es ist unser Fluch: Je mehr wir die Welt erkennen, desto weniger Anteil nehmen wir daran. Die Erfahrung entfernt uns zugleich vom Erfahrenen. Geist und Gefühl - es scheint, wir können nie beides gleichzeitig in vollem Umfang haben!

Oder wir sind einfach nur Opfer unseres Hormonhaushalts, Gefangene unseres schwindenden Fleisches, das unsere Auflösung diktiert ...

LG, eKy
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: cyparis am Juli 31, 2018, 10:43:24
Lieber Erich,

hab vielen Dank für Deine Epistel, der ich von A - Z zustimme, außer was das Universum betrifft. Ich finde es faszinierend, immer weiter hineinzuschauen (dank der neuesten Teleskope).

Wie ich a.a.O. gummibaum schrieb:
Meine Quelle ist versiegt.
Woran das letzen Endes liegt, weiß ich nicht so genau.
Ich habe zig erste Verse geschrieben - und dann ist es schon aus.
Ich vermute, daß das Alter und die Behinderung - abgesehen von den Medikamnten - ihr Werk getan haben.

Gnz lieben Gruß
von
Cypi

Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am Juli 31, 2018, 15:55:34
HI Cypi!

Aber vielleicht redest du dir das auch selbst zu nachhaltig ein - eine sich selbst erfüllende Prophezeihung ...

Man kann auch nicht immer produktiv sein - Rilke schrieb zuweilen jahrelang nichts!

Bezüglich des Universums und des diesbezüglichen menschlichen Forscherdrangs war ich ja nicht negativ eingestellt in meinem Kommi, es ging nur um die möglichen Konsequenzen für unsere Gefühlswelt.

LG, eKy
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Copper am August 01, 2018, 22:24:42
Liebe Cyparis

Deine Quellen sind versiegt?
Woran das letzten Endes liegt,
weiß keiner so genau ?

Die Pflaumen sind nicht blau?
Die Äpfel noch zu grün?
Doch bunt die Blumen blüh'n.!!!

So sitzt Du nun in Deinem Garten.
Wer ernten will muss vorher warten.

LG. Cooper.  ( hab im Moment auch keine Ergüsse. Nur schlechtes Zeug das ich niemanden zumuten möchte)

Hallo Erich,
Sehr oft hat mir das Dichten geholfen. Es hat mich befreit, weil es mir gelungen ist aus etwas was mich belastet, etwas Schönes zu machen. Ein wunderschönes Gedicht. Danke fürs geniessen dürfen.

LG. Cooper.

Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am August 01, 2018, 23:06:42
Hi Copper (oder Cooper, wie du unterschreibst?)!

Vielen Dank für deinen Dank!  :)

LG, eKy
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Copper am August 02, 2018, 20:55:47
Hi Erich,

Natürlich Copper.

Ich schreibe im Moment auf einem Tablet. Furchtbar. Schrift ist so klein. Schreibe ich Copper, macht es, weil es ja mitdenkt, Cooper daraus. Obwohl Copper ja nicht verbessert werden müsste.

genervte Grüsse, Copper
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am August 02, 2018, 23:11:29
Ach so, Autokorrektur! Die sollte aber lernfähig sein ...

LG, eKy
Titel: Lieber Copper -
Beitrag von: cyparis am August 04, 2018, 13:07:50
Liebe Cyparis

Deine Quellen sind versiegt?
Woran das letzten Endes liegt,
weiß keiner so genau ?

Die Pflaumen sind nicht blau?
Die Äpfel noch zu grün?
Doch bunt die Blumen blüh'n.!!!

So sitzt Du nun in Deinem Garten.
Wer ernten will muss vorher warten.

LG. Cooper.  ( hab im Moment auch keine Ergüsse. Nur schlechtes Zeug das ich niemanden zumuten möchte)


Welch reizendes Gedicht hast Du mir geschickt!
Möge die Prophezeiung sich erfüllen!

Ganz lieben Gruß
von
Cyparis
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Letreo71 am August 05, 2018, 23:24:23
Lieber Erich,

für mich ist dieses Gedicht wie Musik, alleine durch den Daktylus. Ich hüpfe fröhlich durch die Zeilen ohne dabei den Tiefsinn deiner Worte aus den Augen zu verlieren.

Ich schließe mich an, ein Meisterwerk!

Lieben Gruß

Letreo
Titel: Re: Der Dichtkunst
Beitrag von: Erich Kykal am August 06, 2018, 00:17:15
Hi Letreo!

Vielen Dank für die lieben Worte!  :)

Für mich ist der Daktylus der pathetische "style", Priester verwenden ihn oft in ihrer Sprache, um bedeutungs- und salbungsvoller zu klingen. Ich nutze ihn eher selten - allzu leicht verirrt man sich da ins inbrünstige Deklamieren.

LG, eKy