die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Das Blöken der Lämmer => Thema gestartet von: hans beislschmidt am August 14, 2020, 11:59:50

Titel: Die kühle Blonde
Beitrag von: hans beislschmidt am August 14, 2020, 11:59:50
Wenn Lisa mit den langen Fingern
die Bühnenwelt hat auserkoren
zu Wellenspiel und Worteschlingern,
ist mancher Lacher schockgefroren.

Wenn leiser Schmäh im Demutsflor
und Geistesblitz verdampft am Dimmer,
dann führt die Lisa kühl uns vor -
ein Wohlverhalten braucht kein Schimmer.

Ein Futter für die Auftragsschreiber,
die fügsam im Synapsenplaque.
Sie nagen wie die Schuldeintreiber,
sind eins mit dem Gesinnungspack.
.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lisa_Eckhart
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: Eisenvorhang am August 14, 2020, 17:07:38
Das ist sehr bissig, lieber Hans, aber ich mags.

Die letzte Zeile, was hältst du davon?

Sie nagen wie die Schuldeintreiber,
sind alle eins: Gesinnungspack.

oder

Sie nagen wie die Schuldeintreiber,
sind eins mit dem Gesinnungspack.

vlg

EV
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: gummibaum am August 14, 2020, 23:27:58
Schön geschrieben, lieber Hans. Falls Lisa eine wirkliche Person ist, kenne ich sie leider nicht.

Liebe Grüße von gummibaum
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: hans beislschmidt am August 15, 2020, 09:26:57
Hi EV,
freut mich sehr, dass dir das kleine Werk gefällt. Die letzte Zeile klingt natürlich besser, ohne das "doch", - werde ich abändern. Danke.
Danke, Gruß vom Hans
Hi Gummibaum,
Klar gibt es sie. Gemeint ist die vielfach ausgezeichnete Österreicherin Lisa Eckhart, die im Moment die Schlagzeilen füllt. Die Kaberettistin wurde aus fadenscheinigen Gründen vom Hamburger Literaturfestival ausgeladen. Die Gründe waren hauptsächlich der Vorwurf sie würde Witze auf Kosten der Juden machen, wie auch die Drohbriefe der Antifa an den Veranstalter. Die Presse ist zweigeteilt, die Meinungsmache der TAZ ist aber die treibende Kraft.
Ich habe zu diesem Thema noch die Affaire Handke im Hinterkopf, der von der Stadt Düsseldorf bei der Heinepreisverleihung ausgeladen wurde.
Deshalb hab ich das Gedicht gemacht, denn es geht mir um die Freiheit des Wortes auf der Bühne.
Danke, Gruß vom Hans,
genießt den schönen Feiertag.

https://de.wikipedia.org/wiki/Lisa_Eckhart

Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: gummibaum am August 15, 2020, 10:56:24
Ah, danke für die Information, lieber Hans.

LG gummibaum
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: Erich Kykal am August 15, 2020, 13:12:18
Hi Hans!

Dieses Werk verstehe ich leider gar nicht. Ich verstehe zwar die Worte und jede Zeile für sich, aber der Sinnzusammenhang entzieht sich mir.

S1: Worauf spielen die "langen Finger" an? Ist die Frau ein Dieb? Welches "Wellenspiel" ist gemeint? Warum sollte man über Lisa's Tun "lachen"?

S2 - Welche "Demut" ist gemeint? Welcher "Dimmer" ist so heiß, dass etwas daran "verdampft"? (Und was hat ein Dimmer überhaupt mit Lisa's Fehlverhalten zu tun?) Seit wann ist "Vorführen" ein "Wohlverhalten"?

S3: Welche "Auftragsschreiber"? Die Regenbogenpresse? Was meint "Synapsenplaque"? Verkalkung? Welches "Gesinnungspack" ist gemeint? In welchem Zusammenhang?

Sorry, aber daraus werde ich einfach nicht schlau. Nicht eine Strophe ergibt für mich sprachlich einen klaren, wortlogischen Sinn.
Im großen Zusammenhang erahne ich zwar eine Sozialkritik am Typ einer berechnenden Diva, die die Welt mittels Presse und ihrem Celebrity-Faktir an der Nase herumführt, aber die Bilder dazu ergeben für mich eigentlich keinen nachvollziehbaren Sinn.
Entzieht sich mir hier ein Insiderwissen, oder habe ich als "Südländer" einfach eine so andere Sprachhabung, dass ich nicht auf die Reihe kriege, was deine Phrasen aussagen sollen?

---------------------------------

Formales:

S1Z2 - Inversion.

S2Z1 - Kadenzenschemawechsel.

S2Z4 - Müsste es nicht heißen: "... braucht keinen Schimmer" - was immer das auch heißen soll?

S3Z1 - Erneut Kadenzenschemawechsel.

S3Z2 - Unvollständiger Satz.


Ratlos gelesen, eKy
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: hans beislschmidt am August 15, 2020, 15:06:36
Hi Erich,
Ich finde auch, dass Martin Römer am besten war, als er einen im Tee hatte. Das machte ihn so besonders, weil er den Leser auf unbekannte Pfade geführt hat und ihm gezeigt hat, dass es keine lineare Logik braucht, um eine Aussage zu verstehen, sondern eine emphatische Öffnung.
++++
Es wundert mich, dass du von Lisa Eckhart und ihrem Presseknaller nichts mitbekommen hast. Deswegen habe ich den Wiki Link angefügt, wo man lesen kann, um die Leobenerin zu verstehen. In der Sache geht es um ein bekanntes Phänomen, welches die Künstler in D betrifft. Ich habe das hier auf der Wiese im Gedicht "Braver Künstler" schon angedeutet.
Aufmerksam wurde ich durch Dieter Nuhr (unter anderen), der es wagte brisante Themen in seinen Programmen zu beackern und einem fortwährenden Shitstorm von Antifa, Bessermenschen und linker Presse ausgesetzt war. (Ich könnte Seiten füllen) Und jetzt war Lisa Eckhart an der Reihe. Das Gedicht zeigt die Distanz zum Publikum einer großartigen Künstlerin, die sich nicht anbiedert und in Kauf nimmt, dass ihre Pointen nicht verstanden werden.

Zitat
Zum Inhalt

V1 die "langen Finger" sind ausnahmsweise anatomisch zu verstehen, die Lisa nutzt, um zusammen mit ihren langen Fingernägeln spielerisch ihren Vortrag zu zelebrieren. Siehe video.
.
Zum Schlingern eines Bootes gehören Wellen. Man sagt auch schwere See und Wellengang. Ein Schlingerkurs, kabarettistisch gesehen, ist die unerwartete Pointierung, die das Publikum (sofern es intellektuell folgen kann) in einen schnell wechselnden Programmfaden mitnimmt, ohne durch Erklärversuche das Tempo rauszunehmen.
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"Lachen" kann man bei einer Pointe. Das ist das Brot der Kabarettisten aber bei schwarzem Humor ist das Lachen so manchem im Halse stecken geblieben oder eingefroren. Schockgefroren ist die Plötzlichkeit dieses Vorgangs.
Soweit die Erklärungen zu V1. Ich hoffe, es hat zum besseren Verständnis beigetragen. Ich füge noch einen kurzen Programmausschnitt bei, um das Phänomen Lisa Eckhart etwas zu verdeutichen.

Jetzt wartet der Mirabellenbaum auf mich. Ich habe 630er Dinkelmehl gekauft und werde ein Riesenblech backen. Melde mich wieder.
Danke für Interesse und Gedanken - Gruß vom Hans

https://youtu.be/KWQxSPuEVgM


Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: Erich Kykal am August 15, 2020, 17:33:00
Hi Hans!

Nein, ich lebe solitär und lese seit einem halben Jahr fast nur noch, sehe kaum noch je fern, und die Nachrichten interessieren mich nicht mehr.

Lisa Eckhard habe ich für ihren Mut, der deutsch/österreichischen Volksseele die gern verschwiegenen Abgründe anhand der eigenen Kunstfigur drastisch vor Augen zu führen, immer sehr bewundert.
Nur dumme, oberflächliche Leute erkennen ihre Aussagen nicht als zynische Kultursatire, sondern glauben - was für Idioten! - dass sie tatsächlich so denke, wie sie ihre Kunstfugur behaupten lässt, die zugleich Schwächen und Vorurteile anderer anprängert und dabei zudem noch eigene Schwächen und Vorurteile verrät. Diese doppelte Ironie menschlichen Aberwitzes ist für einfache Gmüter einfach zuviel.

Schon vor Jahren habe ich befürchtet, dass die gute Lisa das Aufnahmevermögen durchschnittlicher "Volks"gemüter damit überschätzt und sich in Teufels Küche bringen wird. Ihre Programme sind für den braven teutschen Michel oder den österreichischen Vitus Mostdipf einfach ZU intelligent und psychologisch vielschichtig.
Und seien wir ehrlich: Niemand bekommt gern die eigenen Untiefen und Schwächen so gnadenlos, tabulos und offen um die Ohren gedroschen, wie das bei ihren Vorstellungen der Fall ist. Da ist es - bei ihren lockeren Kostümen und exaltierten Manierismen obendrein - leicht, sie pauschalisierend abzustempeln, um sie genau zu dem zu reduzieren, was sie eigentlich anprangert.
Die wahre Perversion ist nicht sie - das sind ihre Gegner!

Ala ich sie das erste Mal sah, fragte ich mich: Ist das wirklich eine Frau - oder ein zierlicher Tanssexueller? Ein wenig Adamsapfel war da zu sehen, und nie sowas wie ein Busen ...
Ehrlich - ich bin mir bis heute nicht ganz sicher. Spielt für mich aber auch keine Rolle.

LG, eKy
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: hans beislschmidt am August 15, 2020, 18:05:51
Der Mirabellenkuchen (Kriacherl) war gut, ich sollte noch Schnaps brennen erlernen.

++++++++

S2 ein "Schmäh", eine Pointe, ein Plot wird in aller Regel vorbereitet, um einen Lacher zu erzielen. Beim verschleppten Witz kommt die Pointe in einem banalen Nebensatz daher und es dauert (je nach Publikum) eine mehr oder weniger lange Latenzpause, bis er zündet- und ob er zündet, hängt vom Wissensstand und vom Humorpotential des Publikums ab. Will heißen, manchmal wird die Pointe gar nicht verstanden. Pech für den Kabarettisten. Bei einer solchen Arbeitsweise fordert man das Verständnis nicht durch Anhebung der Stimme oder Augenbrauenheben ein, nach dem Motto " aufgepasst - jetzt kommt der Witz", sondern er wird non chalant weggesprochen und als Beiläufigkeit vorausgesetzt. Das erfordert "Demut" und die Gewissheit, dass man gut ist in seinem Fach.
Auf der Bühne braucht es Licht und das wird von der Technik mit Lichtpult und "Dimmer" gemixt, ist also Teil der Performance. Bei Fernsehmitschnitten kann das eine aufwändige Angelegenheit sein und ist auf einem technical rider aufnotiert. Wenn ein Geistesblitz (heiß) schon am Dimmer und Scheinwerfern verdampft, hat es der anspruchsvolle Plot nicht zum Publikum geschafft, aus welchen Gründen auch immer.
Jemand wird "vorgeführt" sollte als Begrifflichkeit klar sein. Menschen ohne Schimmer gibt es immer im Publikum, vor allem Bürger denen es an Verständnis fehlt, obrigkeitsgläubig sind oder einfach auf Wohlverhalten instrumentalisiert oder gepolt sind. Die brauchen auch keinen Schimmer beim Verständnis, weil sie Satire nicht begreifen können oder wollen.

+++++++!!
S3 sollte klar sein, wenn man die TAZ liest. Das ist geframter linker Gesinnungsjournalismus. Aber das haben wir an anderer Stelle schon
kontrovers diskutiert und da kennt jeder die Position des anderen.

+++++

Ich hoffe die Verkryptungen aufgeschlüsselt zu haben, wende mich einem leckeren Tempranilo zu und wünsche dir einen schönen Feiertag.
Gruß vom Hans
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: Agneta am August 15, 2020, 19:40:57
ich meine, ich habe die Frau mal bei Scheibenwischer gesehen. Sie ist sehr dünn. Ihr Humor gefiel mir nicht. Ihre Auftrittte fand ich schrill und hochgeschraubt, aber nicht sehr aussagekräftig. Ich würde sie nicht zu einem Literaturfestuival einladen, egal , was sie sagt. Das Niveau hat sie nicht. Falls die das nicht ist, die ich meine, nehme ich alles zurück. Dann kenne ich sie nicht.
LG von Agneta
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: gummibaum am August 15, 2020, 20:46:07
Ich habe mir einen Auftritt von Lisa Eckhart bei youtube angesehen. Alle Zuschauer, die die Kamera zeigt, klatschen. Ich finde sie langweilig.

LG g
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: Erich Kykal am August 15, 2020, 22:46:23
Interessant - ich bewundere sie sehr.

Sie ist doppel- bis mehrdeutig, vielschichtig, hintergründig, hinterfragend, geistig anregend bis herausfordernd, sprachlich formidabel und nie langweilig. Sie scheut kein Tabu und zeigt so die Scheinmoral und kleingeistige Absurdität vieler Moral- und Geistesgebäude sog. traditioneller "Kultur" auf, bzw. führt sie sprachlich höchst elaboriert vor.

Die Ambivalenz ihrer Kunstfigur "Lisa Eckhart" unterstreicht die Anfälligkeit der menschlichen Natur für Hybris, Vorurteil, falsche Kausalverknüpfung, Arroganz, Rassismus und Dekadenz - bei gleichzeitig vielen mehrheitlich als gerecht und korrekt empfundenen Ansichten (der Kunstfigur), die auf die Vielschichtigkeit jedes menschlichen Bewusstseins verweisen: Niemand ist "nur" gut oder böse, dumm oder klug. Man kann auch als genialer Mathematiker Angst vor Kobolden haben ...
Die aggressive, scheinbar unbewusste Selbstdemontage einer Kunstfigur mit allzu menschlichen Schwächen als Spiegel unserer Gesellschaft: Das überfordert leider viele Zuseher, denen die mehrfachen Metaebenen ihrer Aussagen in der Art ihrer Formulierung im Sinnzusammenhang schlicht entgehen. ("Verschleppter Witz" - Dank an Hans für die treffliche Beschreibung!)

Ich habe das mehrfach im Publikum gespürt: Plötzliches betroffenes Schweigen, wenn die Mehrheit den hintergründig satirischen Pointen der Kunstfigur nicht mehr zu folgen vermochte und vielmehr plötzlich nicht mehr sicher zu sein schien, ob diese seltsam freizügig gewandete Frau nicht vielleicht doch eine verkappte narzisstische Nazibraut oder ein selbstgefälliger dekadenter monarchistischer Adelsfan sei!

Das entlockte mir jedesmal ein wissendes Seufzen: Die geistige Trägheit der Masse holt den intellektuell allzu hochfliegenden Kritikus ein ...

Die "Ausladung" der Organisatoren aus Angst vor Ausuferung, die dumme Etikettierung der Linken und der Vereinnahmungsversuch der (wieder mal besonders dämlichen) AfD  beweist den geistigen wie kulturellen Verfall der letzten Dekaden: Wo nur noch Gewaltandrohung und platte Parolen den Gipfel geistiger Regheit bestimmen (dürfen), hat intelligentes und wahrhaft schmerzhaft kritisches Kabarett kaum Chancen.

LG, eKy
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: gummibaum am August 15, 2020, 23:13:22
Im Interview wirkt sie sympathisch auf mich, aber ihre Natürlichkeit geht beim Auftritt an eine Rolle verloren, die sich in Gags gefällt, die hohl sind.     
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: Erich Kykal am August 15, 2020, 23:24:35
Was soll ich dazu sagen? Du nimmst sie eben anders wahr.

Viele ihrer Gags wirken erst mal vordergründig hohl, aber mit dem richtigen historischen oder philosophischen Hintergrundwissen gewinnen die meisten davon wesentlich an Tiefgang.
Natürlich gibt es darunter wirklich ein paar platte Lacher - das lockert auf und konterkariert, unterstreicht die Ambivalenz der manchmal sehr menschlich beschränkten Kunstfigur, die viel Kluges sagt, aber auch viel Dummes. Beides karikiert Schwächen der Gesellschaft, Scheinmoral, Tabus und gepflegte Lügen.

Und dass eine Kunstfigur eben nicht im "natürlichen Sinne" natürlich rüberkommt, sollte verständlich sein, gerade wenn es eine so satirisch überzeichnete exaltierte Gestalt ist wie die ihre. Sie schickt den Zuhörer ständig auf eine Achterbahn der Geistestätigkeit und der Gefühle, hält das Publikum ständig im Ungleichgewicht, verweigert ihm die bräsige Bequemlichkeit der Selbstzufriedenheit - vielen ist das unangenehm, allzu "deutlich" oder aber unübersichtlich.

So zumindest empfinde ich ihre Kunst. Einfach und hohl ist praktisch nichts an ihr.

LG, eKy
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: Agneta am August 16, 2020, 09:47:08
sehe ich anders, Erich. Satire lebt vom Wortwitz, Kabarett lebt vom Wortwitz und dem Auftritt des Künstlers. Diese ist einfach nur nervig-doof. Manche mögen das auch von Carolin Kebekus sagen, wobei deren satirische Lieder Spitze sind und ihre Kunstfigur der Fußball Junge eben eine gute Karikatur. Eckard ist keine Karikatur. Sie meint, mit ihrem Outfit und ihrer schrillen Art aufzufallen. das funktioniert ja auch, wenn man es erträgt. Mit Satire hat das nichts zu tun. So ist eben unsere Welt, platt, doof und oberflächlich. Gute Satire wie Hildebrand gibt es nur noch selten. Alles andere ist Klamauk, mehr nicht. Vielleicht hat Österreich eben auch einen anderen Humor. Mag sein LG von Agnete
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: hans beislschmidt am August 16, 2020, 11:00:24
Wie unterschiedlich doch die Wahrnehmungen sein können.GGG


Ein Fernsehpublikum (handverlesen, klatschen ist Pflicht) ist ganz anders als im Kleinkunsttheater und als Künstler kann man auch keine Fließband Gags von gleicher Güte schreiben. Man muss zwischendurch auch mal auf einfache Kost umstellen, wie bei Lisa "die Royals und ihre Entgleisungen".

ABER in jedem Fall ist sie eine Getriebene der Selbdtdarstellungskunst. Auch ihr Germanistik Master über die Hölle sorgte schon für Aufregung.
.
Ein paar Beispiele für die Umkehrschlusspointe, die uns erst auf dem Rückweg überholt, habe ich mal rausgeschrieben. Kabarett ist eine kraftzehrende Angelegenheit und Lisa Eckhart wird das nur eine gewisse Zeit durchhalten. Ich bin gespannt auf ihr Buch, denn Literatur ist eher eine beschauliche Angelegenheit als Stand Up.

Zitat
Natürlich soll man Fleisch essen und zwar nur aus Massentierhaltung. Von Tieren, die wirklich sterben wollen.

Ich bin gegen Abschiebungen per Flugzeug. Das bedeutet eine Tonne CO2-Ausstoß pro Person. Und da kommt bei mir Umweltschutz vor Fremdenhass.

Es war nicht alles schlecht unter Gott. Gut war zum Beispiel, dass alles schlecht war. Denn alles, was man tat, war Sünde.

https://www.heise.de/tp/features/Lisa-Eckhart-Die-Hetzjagd-geht-weiter-4871014.html

Schönen Sonntag euch... Gruß vom Hans
.
p.s. Erich, schade, dass du den Prolog über den besoffenen Martin Römer gelöscht hast. Den fand ich richtig kabarettistisch.
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: gummibaum am August 16, 2020, 12:48:54
Danke für die Beispiele, lieber Hans,
 
die zeigen, dass es auch intelligente Sequenzen gibt. Sie benutzen die Technik des Arguments (3 Schritte). Der letzte, die Konklusion, enthält aber ein Paradox, das die Aussage umkehrt.

So wird im ersten Beispiel der Fleischkonsument zunächst zu dem aufgebaut, der die Tiere gnädig von der Massentierhaltung erlöst. Hier könnte er sich verstanden fühlen. Mit „sterben wollen“ wird dann, da es um Tiere geht, das Paradox präsentiert. Der Konsument wird zum eigentlichen Auslöser der großangelegten Folter.

Dass der Zuhörer das so auflöst und die Entlarvung auf sich bezieht, bezweifle ich. Er klatscht eher, weil ihn die Unlogik in der Sprachfigur der Logik frappiert und natürlich, weil andere klatschen, die mehr auf das Optische achten.

LG g
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: hans beislschmidt am August 16, 2020, 13:47:59
Lieber Gummibaum,
das ist es, was ich meinte.
Gruß vom Hans
Titel: Re: Die kühle Blonde
Beitrag von: Erich Kykal am August 16, 2020, 18:20:20
Hi nochmal!

Schade, Agneta, dass du die Metaebenen ihrer Sprachkunst nicht erfassen zu können scheinst. Auch hier sei Hans für den aufklärenden Link in seinem letzten Kommi hier gedankt, der darlegt, was mir klar war, seit ich sie zum ersten Male sah und dachte: Welch erfrischend aufrichtig und vielschichtig dekonstruktivistischer Paradiesvogel - das wird frischen Wind in die Kabartettszene wehen! Und zugleich schloss ich Wetten mit mir ab, wie lang es dauern würde, bis jemand sie für ihre erbarmungslose Abwatschung aller liebgewonnenen Gesellschaftslügen zu kreuzigen versucht! Beziehungsweise deshalb, weil man sie gar nicht erst richtig versteht ...

Ein bösartiger kleiner Teil von mir mutmaßt mittlerweile ja sogar, dass Lisa diese Ausladung irgendwie selbst inszeniert haben könnte - denn eins sollte klar sein: auf diese Weise hat ihr Buch nun mindestens hundertmal soviel öffentliches Interesse, als es ohne diesen Skandal mit dem ominösen "schwarzen Block" oder der Afd erhalten hätte! Auch Negativwerbung ist letztendlich Werbung! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...

LG, eKy