die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Erich Kykal am Oktober 17, 2012, 12:02:57

Titel: Die zweite Stimme
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 17, 2012, 12:02:57
Wie über meine Hügel hingebreitet
---------------------Die Augen wie zu einem Gruß geweitet,
verströmt sich meine Seele in die Welt,
---------------------der in die Herzen aller Menschen fällt,
und meinem Dasein wie entrückt durchschreitet
---------------------bin ich nur Blatt, das einen Wind begleitet,
sie alle Fragen, die das Leben stellt.
---------------------der Nebel fortweht und den Tag erhellt.

So wird in solchen kurzen Augenblicken
---------------------Ich seh die Wipfel in der Brise nicken
die Mitte eins mit allem um sie her,
---------------------und werde wahrer und zugleich wie leer
und liest in tausend anderen Geschicken
---------------------und hör im Leeren doch die Uhren ticken.
sich ein Erinnern an, erfüllt und schwer.
---------------------Mein Leben lebt mich und berührt mich sehr.
Titel: Re:Die zweite Stimme
Beitrag von: cyparis am Oktober 18, 2012, 16:26:48
Lieber Erich!


Wie ungewöhnlich!
Aber ich kann mir Ober- und Unterstimme lebhaft vorstellen, auch die zwei Unterbrechungen/Erweiterungen.
Sehr melodisch.
Das möchte ich gesungen hören.


Lieben Gruß
von
cyparis
Titel: Re: Die zweite Stimme
Beitrag von: Erich Kykal am September 27, 2023, 21:46:17
Warum habe ich damals nicht geantwortet? Hab's wohl übersehen. Schade.

Dies ist mein einziges Gedicht dieser Art geblieben, ähnlich einem Kanongesang, gelesen von zwei Stimmen, um je eine halbe Zeile versetzt.

Interessant: Inhaltlich sind die jeweiligen Folgezeilen nicht direkt verbunden, reimtechnisch sehr wohl.

LG, eKy
Titel: Re: Die zweite Stimme
Beitrag von: gummibaum am September 30, 2023, 19:19:38
Wie eine Schublade ist das eine Gedicht formal aus dem anderen herausgezogen.
 
Liest man das linke, wiederholt sich der Effekt inhaltlich, zumal die Seele ihre Physis (Hügel, Mitte) verlässt,  um eigene Erkundungen einzuziehen, was dann ein Verschmelzen des Individuums mit der Außenwelt, ihrer räumlichen und zeitlichen Beschaffenheit (Erinnern) zur Folge hat.

Liest man das rechte, ist das LI als Blatt mit seinem Gruß ein Beweger der Herzen und zugleich in seinem Flug mit dem Wind ein Bewegter, der (schwerelos/vom Körper befreit)  ungetrübten Blickes seiner  Seele begegnet.

Beide Gedichte lassen sich nur einzeln verstehen, scheinen aber, ineinander geschoben und zur Einheit verschmolzen, das vollständige und wahre Sein zu bilden.

Toll gemacht, lieber Erich! (2012 war vor meiner Zeit hier)

LG g

p.s.:Unter dem Aspekt der Überschrift (1. und 2 Stimme eines Gesanges) betrachtet, lassen sich gewiss noch andere Gedanken dazu entwickeln.
Titel: Re: Die zweite Stimme
Beitrag von: Erich Kykal am September 30, 2023, 20:07:20
Hi Gum!

Danke für die Blumen. In den Foren, die es noch gibt, war ich frühestens ab 2009 oder 10 tätig, glaube ich. Bin nicht so der Zeitlinienmensch und -denker.

Ich habe so nie wieder geschrieben, da ich denke, dass bei einem dergestalt ineinandergreifenden Vortrag ein Höchstmaß an akustischer und intellektueller Konzentration gefordert ist. Wahrscheinlich müsste man es öfter hören, um alles mitverfolgen und verstehen zu können, wenn man dabei nicht mitlesen kann.

LG, eKy