die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Zwischen Rosen und Romantik => Thema gestartet von: gummibaum am Mai 20, 2013, 12:59:47
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Er hatte viel gesehen, plötzlich senkte
er seinen Blick, dann hob er ihn zum Licht,
zur Sonne hin, wich ihrem Brande nicht,
so dass er ihr aus Dank die Augen schenkte.
Es wurde dunkel und die Welt der Dinge
entzog sich ihm, es blich der äußre Schein,
doch zog er nun aus Sinnentiefen ein
viel feinres Lauschen, scharf wie eine Klinge.
Vielleicht hat mancher Narr nun diesen Blinden,
wenn er ihn tastend wandern sah, geneckt,
er konnte andern sichre Wege finden,
sah, was den sehend Blinden blieb versteckt,
an welches Gift sie sich verblendet binden
und warnte den, der weise sich entdeckt.
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Hallo gummibaum,
in diesem äußerst philosophischen und wohlgestalteten Sonett zeigst du gekonnt auf,
welche ungeahnten Welten sich einem Blinden auftun können, die einem Sehenden zumeist verborgen bleiben.
Hier finde ich auch beim Lesen eine wunderbar gleichmäßige und angenehm fließende Melodie.
Mit Freude gelesen!
LG Daisy
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Danke, Daisy. Es steht in der falschen Rubrik. Ich muss die Wiese vor lauter Blumen nicht. LG gummibaum
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Lieber gummibaum,
blitzartig kam mir ein Name ins Gedächtnis:
Teiresias, der blinde Seher.
Das Sonett ist wundervoll.
Aber ich hätte im ersten Terzett Bild und Schreibung geringfügig geändert, um Mißverständnisssen völlig aus dem Weg zu gehen.
Ganz herzlichen Gruß
von
Cyparis
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Teiresias hatte mir zwischenzeitlich vorgeschwebt. Von der angeblichen Selbstblendung Demokrits hatte ich als Jugendlicher gelesen, doch hier andere Motive dafür ersonnen. Im ersten Terzett ist vielleicht unklar, wer im dessen letzem Vers mit "er" gemeint ist. Ich weiß um diese Schwachstelle. LG g
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Hi, Gummibaum!
Ein sehr eloquentes Sonett auf höchstem sprachlichen und inhaltlichen Niveau - Meisterklasse!
Wenn ich ein paar Winzigkeiten vorschlagen dürfte:
Er hatte viel gesehen, plötzlich senkte
er seinen Blick, dann hob er ihn zum Licht,
zur Sonne hin, wich ihrem Brande nicht,
so dass er ihr aus Dank die Augen schenkte.
Es wurde dunkel und die Welt der Dinge
entzog sich ihm, es blich der äußre Schein,
doch nun zog aus der Sinnentiefe ein Wortwiederholung "ein" mit Z4 - ein Riss im sonst so feinen Wortgespinst! Alternative: "doch zog er nun aus Sinnentiefen ein // viel feinres Lauschen, scharf wie eine Klinge."
ein feinres Lauschen, scharf wie eine Klinge.
Vielleicht hat mancher Narr nun diesen Blinden,
wenn er ihn wandernd stolpern sah, geneckt, "wandernd stolpern" stört mich irgendwie, sollte umgedreht stehen. Ich würde allerdings "tastend wandern" präferieren. Hat mehr Menschenwürde und wird dem hehren Bilde gerechter.
er konnte andern sichre Wege finden,
sah, was den sehend Blinden blieb versteckt,
an welches Gift verblendet sie sich binden Hier würde ich auch umstellen: "sie sich verblendet" - klingt weniger gespreizt und pathetisch, um mal mit heftigen Begriffen um mich zu werfen...
und warnte den, der weise sich entdeckt.
Sehr gern gelesen und bearbeitet! Jungs und Mädels - wir haben ein neues Glanzlicht im Forum!
LG, eKy
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Vielen Dank, Erich. Ich werde mich damit beschäftigen.
LG gummibaum
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Danke, Erich. Ich habe deine Vorschläge übernommen.
Einen schönen Tag wünscht dir
gummibaum
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Ein sehr schönes Werk Gummibaum. Inhalt und Form bemerkenswert
LG wolfmozart