die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Verbrannte Erde => Thema gestartet von: Erich Kykal am Oktober 03, 2013, 22:48:24

Titel: Verbitterung
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 03, 2013, 22:48:24
Nimmer wusste ich zu schätzen,
was dein Lächeln mir gewesen,
ehe mich ein Selbstverletzen
trieb aus deiner Blicke Reigen.
Nimmermehr bin ich genesen,
und die Tage lernten Schweigen.

Immer tiefer ins Vergessen
sank, was deine Liebe wusste,
mir blieb nur das große Fressen
an der Tafel kalter Freuden,
doch der nackte Hunger musste
alle Gaben blind vergeuden.

Nie mehr gehen sanfte Lichter
an in meiner Seele Gärten,
und ich beiße, ein Vernichter,
in die Tröstung jeden Traumes,
den die Jahre mir gewährten,
wie ein Beil ins Mark des Baumes.
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: gummibaum am Oktober 04, 2013, 05:29:33
Ein Achtloser, der nicht mehr fündig wird. Ein schönes Gedicht mit plastischem Bild am Ende. Sehr gern gelesen, Erich.

LG gummibaum
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 04, 2013, 13:25:40
Hi, Gum!

Kein Achtloser, eher ein zynisch gewordener Romantiker, von der Welt bekehrt, da durch eigene Schuld aus dem Paradies gefallen. Ich muss es wissen, beschreibt das Gedicht - abgesehen von der großen Liebe, die bei mir in Wahrheit von vornherein unerfüllt, weil unerwiedert blieb - doch mein ureigenstes Lebensgefühl.

Seither lebe ich nach dem Motto: Wer immer vom Allerschlimmsten ausgeht, den kann die Welt nur positiv überraschen. Die Crux dabei ist leider, dass man mit den Jahren des professionellen Unkenrufens so versteint und verbittert, dass die tatsächlich eintreffenen positiven Erlebnisse kaum mehr als solche wahrgenommen werden können, weil man allzu gut gelernt hat, in jeder Suppe mehr als bloß ein Haar zu finden! Seufz...

LG, eKy
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: gummibaum am Oktober 05, 2013, 10:37:06
Lieber Erich,

ich habe das Gedicht missverstanden. Ich dachte, dass die, deren Lächeln unverstanden bleibt, sich selbst verletzt, während das LI, der Verantwortung dafür entfliehend, in allen Unternehmungen nur noch ins Leere läuft. Nun ist es anders herum. Ich werde mich später noch einmal mit einem Kommentar melden.

Liebe Grüße
gummibaum
 
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: Daisy am Oktober 06, 2013, 13:27:02
Hallo Erich,

dieses berührende Gedicht trifft ins Innerste und rührt zu Tränen! Was für ein bitteres Resümee!

Großartige Wortwahl und dichterisch wie gewohnt auf höchstem Niveau!

Bin hin und weg!

LG Daisy
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 06, 2013, 13:35:09
hi, Daisylein!

Ach bitte, sei wieder "her und hier"... ;) :D

Vielen Dank für so schöne Worte!

LG, eKy
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: gummibaum am Oktober 06, 2013, 18:53:57
Hallo Erich,

ich wünschte, ich könnte dir, dem du diese Verbitterung nachsagst, ein bisschen Süße einflößen. Denn deine gefühlsintensiven und kunstvoll gearbeiten Gedichte zu genießen, "entbittert" mich. Selbst dieses, dem Versteinern gewidmete, fatalistisch wirkende Bekenntnis, belebt den Leser. Mein erster Kommentar dazu, der so fehlgriff, tut mir leid; ich war noch müde und wartete aufs Taxis, das mich der Schule näherbringt. Ich habe das Gedicht noch mehrmals gelesen und erfreue mich an den Formulierungen und dem eher seltenen, auflockernde Reimschema. Hab vielen Dank.

Mit lieben Grüßen
gummibaum
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 06, 2013, 19:15:25
Hi, Gum!

Kein Anlass, sich entschuldigen zu müssen - ist mir auch schon (des öfteren!) passiert! Aber vielen Dank für das schöne Kompliment an meine Dichtkunst! Man sollte irgendwann darüber erhaben sein, aber Pustekuchen: Ich freu mich immer wieder aufs Neue! :D

LG, eKy
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: cyparis am Oktober 09, 2013, 12:25:37
Mir geht es ähnlich wie Daisy.
Die Schönheit der Verse macht das Bittere noch bitterer.

Lese ich eine sehr späte (Selbst-)Erkenntnis heraus?
Da stehst Du gewiß nicht alleine - wer nicht mußte das kennenlernen?


Lieben Gruß, Erich,
von
Cyparis
Titel: Re:Verbitterung
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 09, 2013, 16:00:54
Hi, Cypi!

Selbsterkenntnis? Ich glaube, die braucht man, um überhaupt das Problem zu erkennen, um das es hier geht. Auch ich habe Menschen "abgelegt", vergessen, Beziehungen vergeudet aus Sättigung oder aus Angst, es könnte mir zuviel werden oder zu tief gehen! Das Gefühl dieses Verlustes kenne ich auch vom Glauben her: Das Gemüt würde so gern glauben, aber der Verstand erlaubt es nicht...
Dieses Gemüt würde auch gerne lieben, indes, das empfindsame Herz wurde zu oft entstellt und gedemütigt, teils durch andere, teils durch eigene Schuld und Verfehlung.

Wir müssen lernen, mit unseren "Scharten" zu leben, sie erst machen unser "Fundament" unverwechselbar! (Zitat aus einem anderen Gedicht... ;))!

LG, eKy