die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Ach Natur Vergissmeinnicht => Thema gestartet von: Erich Kykal am November 05, 2013, 13:38:30

Titel: Nachtwerdung
Beitrag von: Erich Kykal am November 05, 2013, 13:38:30
Der Wind erkühlt, ein unerkanntes Grauen
entrückt die Lieder, die von Taten singen,
die uns in Tages Helligkeit gelingen,
wenn hoch die Himmel steigen und erblauen.

Die Nacht erhebt sich, ihre dunklen Schwingen
den Lüften überbreitend auf den Auen,
gewärtigend, was keine Augen schauen,
nur Herzen noch erfühlen und durchdringen.

Wie Nebelhauch aus Ahnung und Gefahren
wächst nun ein Schweigen in die leeren Lande,
und all die Dinge, die erquicklich waren,

sind nun beängstigend und wie verbogen,
als lockten sie den Wanderer zum Rande
des Abgrunds, den er selbst herangezogen.
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Daisy am November 05, 2013, 18:51:11
Hallo Erich,

was könnte ich zu einem Sonett dieser Klasse anderes äußern als: Großartig!
Ich werde von der Magie der Verse in diese Nachtwerdung hineingezogen wie in einen phantastischen Wirbel, bis ich mich am Ende am Rande des Abgrunds wiederfinde.

Dieses wunderschöne Wortgewebe habe ich in vollen Zügen genossen!

LG Daisy
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Erich Kykal am November 05, 2013, 19:33:05
Hi, Daisy!

Wie freuen mich dein herzliches Lob und deine ehrliche Begeisterung - das heißt, ich habe doch was richtig gemacht! :D

Ich las Sonette von Wolf von Kalckreuth und wollte gleich versuchen, ob ich ein ähnliches Niveau schaffe. Bedenkt man, dass sie ein 15- bis 17-Jähriger geschrieben hat, ehe er sich umbrachte, wird man gleich noch viel bescheidener ob des zweifelhaften eigenen Ergebnisses!

Kalckreuth war ein geniales Ausnahmetalent!

LG, eKy
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: cyparis am November 06, 2013, 12:26:49
Das ist die reine Magie,
will sagen, davon fühle ich mich magisch angezogen und hineingezogen;
selbst wenn es ein Abgrund wäre: Ich würde mich ihm überlassen.
Gäbe es eine schönere Art, endgültig Valet zu sagen?


Cyparis
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Erich Kykal am November 06, 2013, 17:07:56
Hi, Cypi!

Vollmundiger könnte ein Lob nicht sein! Hab vielen Dank für die so süß duftenden verbalen Blumen! :)

LG, eKy
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Mandeltraum am November 06, 2013, 20:50:50
Unfaßbar!
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Erich Kykal am November 06, 2013, 23:11:42
HI, Mandeltraum!

Was soll ich dazu sagen? Vielen Dank, wenn dein Beitrag "unfassbar" im positiven Sinne meinte... ;D

LG, eKy
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Mandeltraum am November 07, 2013, 20:04:31
Lieber Erich,

selbstverständlich im positiven Sinne. Ich bin einfach sprachlos!

Nur mit "gewärtigend" habe ich Probleme. Der Sinn im Kontext
ist klar. Aber irgendwie klingt es nach einer Notlösung.

LG
Mandeltraum
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Erich Kykal am November 07, 2013, 20:23:01
Hi, Mandeltraum!

Es hätte auch ein anderes Wort Verwendung finden können, aber Notlösung ist es keine. Ich mag diese alten Ausdrücke, die heute keiner mehr verwendet. Es ist echt schade drum, dass so viele schöne Ausdrücke verschwinden, nur weil die Einschaltquoten der bildungsfernen Schichten immer mehr mediales "Kulturprogramm" bestimmen... >:(
Auch Jugendfernsehen gleicht heutzutage eher einer Sprachvergewaltigung! Ey, Alda, krass, ey!!!

Danke für deine Gedanken!

LG, eKy
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: cyparis am November 07, 2013, 20:46:58
Ich mag diese alten Ausdrücke, die heute keiner mehr verwendet.

Falsch.
Warum klammerst Du mich aus? :)
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Erich Kykal am November 07, 2013, 22:34:22
Schelmin! :D

Also gut! Sagen wir: Kaum einer mehr!

Ich hoffe, dieser Lapsus fällt unter läßliche Sünden... ;D ;)

LG, eKy
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Mandeltraum am November 08, 2013, 09:18:50
Hey ihr Beiden,

Bawahrer altehrwüdrigen Sprachthums,
so machet denn auch fürderhin Gebrauch von diesem Schatze
und gewähret uns Einblick in seinen funkelnden Reichthum.

Ich sehe Sprachen wie Bäume, die sich verästeln. Wunderbar,
wenn auch aus alten Stümpfen wieder neues Leben sprießt.

Meine Meinung: Es ist dieser Tage oft notwendiger, Altes
hinüberzuretten in die Gegenwart, als Neues im Entstehen
zu fördern.

Die Frage ist, wie man beides so ineinanderflechten kann,
daß ein harmonisches Ganzes entsteht. Oder wie man "beides",
vereinfacht auchsgedrückt, so nebeneinander stellt, daß es
nicht als ein sich ausschließender Gegensatz erscheint.

Aber was sag ich, Erich, auch Altehrwürdiges kann einem Menschen
neu sein und bedarf dann der Integration. Nach mehrmaligem Lesen
Deines wunderschönen Werkes - hebt sich mir "gewärtigend"
gar nicht mehr so sonderbar heraus. Paßt schon.

LG
Mandeltraum




Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: cyparis am November 08, 2013, 09:50:00
Lieber Erich,


andere als läßliche Sünden stehen Dir gar nicht zu Gebote.
Ich kenne Dich! :)

Cypi
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: gummibaum am November 09, 2013, 08:30:52
Hallo Erich,

ich lese das Gedicht gerade zum ersten Mal. Obwohl es heller Morgen ist, wird es nun plötzlich dunkel und der Abgrund rückt näher. Da bewahrheitet sich die Magie, die andere diesem Gedicht schon nachgesagt habe. Es hat wirklich Kraft über die Weltabläufe. Sehr gern gelesen. Einenen schönen Tag wünscht dir

gummibaum
Titel: Re:Nachtwerdung
Beitrag von: Erich Kykal am November 09, 2013, 13:17:18
Hi, Gum!

Obwohl ich eine solchcherart prognostizierte Wirkung bezweifeln möchte ( ;) :D), danke ich dir für deine freundlichen Gedanken in dieser Richtung!

LG, eKy