die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Verbrannte Erde => Thema gestartet von: cyparis am April 16, 2014, 06:46:27
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Mir wars, als sei die ganze Welt erhellt.
Es glomm ein Licht beim Blick in seine Augen.
Ich konnte sehen, daß zu Glück sie taugen.
Noch wollt ich nicht, daß jede Schranke fällt.
Hätt's doch das Leben anders angestellt!
Es wollte wringen mich. Und gründlich laugen.
Rein wollt ich's nicht. Mit Liebe voll mich saugen.
Zu guter Letzt hat mich der Tag geprellt.
Ist wahrlich jetzt schon lange her und fern.
Seit allzuvielen Jahren fehlt der Mut.
Trau ich den Träumen auch noch allzugern:
Trag nie mehr Halt in eigner, wilder Glut.
O, wäre dort im hellsten Himmelsstern
Tagtäglich eines mir: Sein junges Blut.
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Hi, Cypi!
Wie schön, ein Sonett! Ein paar Kleinigkeiten:
Mir wars, als sei die ganze Welt erhellt.
Es glomm ein Licht beim Blick in seine Augen.
Ich konnte sehen, daß zum Glück sie taugen. Ich würde hier "zu Glück" schreiben, sonst könnte man's missverstehen und sich dann fragen, wozu die denn "glücklicherweise" taugen.
Noch wollt ich nicht, daß jede Schranke fällt.
Hätt's doch das Leben anders angestellt!
Es wollte wringen mich. Und gründlich laugen.
Rein wollt ich's nicht. Ich wollt des Glückes Rauken. "Rauken" ist unrein. Alternative: "Das Glück nur in mich saugen." oder "Mit Glück nur voll mich saugen."
Zuguterletzt: Das Schicksal hat geprellt. "Das Schicksal hat am Ende mich geprellt" - so rum würde das der Satzmelodie die Pause des Doppelpunkts ersparen.
Ist wahrlich jetzt schon lange her und fern.
Seit allzu vielen Jahren fehlt der Mut.
Trau ich den Träumen auch noch allzugern:
Trag nie mehr Halt in eigner, wilder Glut.
O, wäre dort im hellsten Himmelsstern
Tagtäglich eines mir: Sein junges Blut.
Besonders die Terzette erscheinen mir höchst gelungen und poetisch verdichtet, bis hin zur wunderbar poetischen Conclusio!
Perfekt wäre dies alles mit durchgängig weiblichen Kadenzen, wie das klassische Sonett fordert - zum Glück ist Perfektion mitunter langweilig! ;) :D
Will sagen, es liest sich auch so rund und schlüssig - ein Sinnesrausch der schönen Worte!
Frage: S2Z3 - "Rein wollt ich's nicht" - wie ist das gemeint? Klingt...penetrativ, wenn man "rein" als "hinein" deutet, und dadurch leicht "anrüchig", zumindest stört es nach meinem Empfinden die sonstige Poesie deiner Zeilen, erscheint zu "handfest" formuliert - sollte es so zu deuten sein wie vermutet, drum frag ich lieber. ;)
Sollte "rein" als "sauber" gemeint sein, würd ich mir auch überlegen, es umzuformulieren - du lasest eben, welche potentiellen Verscherungen deiner Intention sich da auftun könnten... ;D
Sehr gern gelesen!
LG, eKy
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Lieber Erich!
Wenn ich Dich nicht hätte!
Ich übernehme alle Deine Verbesserungen sofort.
Ja, "Rein" ist im Sinne von sauber gemeint, deswegen hab ich an das ich ein s angehängt.
Mir fällt kein passenderer Ausdruck ein, der mit R beginnt.
Und das muß bleiben, sonst ist mein Akostichon futsch.
Hab ganz herzlichen Dank für die Mühe, die Du Dir gemacht hast und für das Lob!
In Poetry ging es gestern um das "Dichten" eines Sonettes und dies war mein erster, wirklicher Versuch.
Alles was ich sonst an 4-4-3-3 geschrieben hatte, war lediglich sonettoform.
Ganz liebe Grüße
aus der kalten Ferne
von
Cyparis
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Hi, Cypi!
Wer rechnet bei einem Sonett mit einem Akrostichon! Als wäre die Form selbst nicht schon Herausforderung genug! Meisterlich - ich wär nicht draufgekommen, so gut hast du dein Gerüst in Worte gekleidet!
Dann will ich mich auch nicht lumpen lassen! Wie wäre es so:
"Zu guter Letzt hat mich der Gott geprellt."
"Zu guter Letzt hat mich das Herz geprellt."
"Zum Ende war ich einsam und geprellt."
"Zum Schlusse blieb mein Seligsein geprellt."
Such dir was aus oder spiel Lego damit. ;) :D
LG, eKy
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Danke, lieber Erich, für die Anregungen (incl Rechtschreibung)!
Eine davon hab ich leicht modifiziert übernommen.
Grüße!!
Cyparis
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Hallo cyparis,
Poetisch schön, gelungen.
Vor allem das Reimschema gefällt mir.
Liebe Grüße
wolfmozart
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Lieber Wolfmozart,
Du treuer Wiesenbewohner - hab ganz herzlichen Dank!
Herzliche Grüße
von
Cyparis
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Meine liebe Cyparis,
Dein Sonett gefällt mir überaus gut. Jede Zeile und jede Strophe zeigen ein von Gefühlen überlaufendes Herz, das scheinbar vor diesen Emotionen gerettet werden muss, um dem Ertrinken und damit dem Tod zu entgehen. Nein, meine liebe Cyparis, Dieses Dichterherz ist nicht tot. Es lebt und das finde ich großartigst.
Ich danke Dir für dieses Gedicht
Dein treuester Wiesenbewohner
-immer-
Mike S
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Ein schönes Sonett, Cyparis. Gerade in der Zerrissenheit besticht, bleibt das Ich im Leid doch aussage-, erinnerungs- und wunschfähig.
Sehr gern gelesen
LG gummibaum