die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Wo Enzian und Freiheit ist => Thema gestartet von: galapapa am Mai 24, 2014, 10:35:56
-
Ein heißer Tag verliert sich an den Wänden
der Häuserschluchten einer großen Stadt,
verschenkt sein Glühen aus den feuchten Händen
an die Fassaden, grau und seltsam matt.
Der Großstadtlärm hat fühlbar zugenommen,
die Feierabendhektik macht sich breit
und hat ein Tagesmaximum erklommen.
Das Leben tobt, hat scheinbar keine Zeit.
Ein schlechter Atem zieht durch müde Straßen,
die Parkplatane trinkt Elektrolicht,
wirft ihren Schatten dünn auf gelben Rasen.
Die träge Abendluft bewegt sich nicht.
Das Tageslicht ergibt sich den Laternen,
aus Fenstern fließt der Neonröhrenschein
und konkurriert mit unsichtbaren Sternen,
verläuft sich auf Asphalt und Pflasterstein.
Ein Grilldunst schleicht aus schäumenden Fritteusen,
vermischt sich mit dem Dieselrußbukett,
um still am Fahrbahnrand entlang zu dösen -
urbane Luft mit atembarem Fett.
Inzwischen ist ein neblig-gelber Schimmer
weit oberhalb der Dächer trüb erwacht.
So scheinbar ohne Dunkeln, wie auch immer,
begann im Dunst die himmellose Nacht.
-
Hi, Charly!
Welche Wucht! Da hast du aber grad einen tollen Lauf! Lyrisch und zynisch zugleich beschreibst du die Facetten eines Stadtabends in zwingenden Bildern voller Empathie und genauer Beobachtung.
Peanuts:
S3:
Das Wort "Elektrolicht" klingt etwas komisch - so würde das niemand sagen. Vielleicht: "die Parkplatane trinkt vom Neonlicht"
Die Folgezeile: "den" Schatten - klingt auch seltsam, man würde "ihren" Schatten sagen. Wie wäre: "verschattet ungeschlacht den gelben Rasen." oder so... In diesem Falle natürlich Komma am Ende der Vorzeile. Nach Rasen würde ich dann einen Punkt setzten, die letzte Zeile bildet einen eigenen Satz.
Sonst eigentlich nix zu mosern! ;) Sehr genossen: "himmellose Nacht" - welch wunderbare Beschreibung der Sternenlosigkeit des Firmaments durch zu starke Beleuchtung in den Städten!!!
Allergernst gelesen!
LG, eKy
-
Hallo Erich,
danke für Dein Lob!
Du beschreibst es als "Wucht", was mir ein wenig Kopfzerbrechen gemacht hat, weil die Großstädter die beschriebenen Dinge ja geradezu zu lieben scheinen. Aber es war eben mit meinen "Provinzaugen" gesehen.
Zu den Erdnüssen:
Das muss eine österreichische Besonderheit sein, dass niemand "Elektrolicht" sagt. In meinem Umfeld, und ich glaube, das gilt für ganz Deutschland, ist Elektrolicht so gebräuchlich wie Elektroherd oder auch Gaslicht. Da der etwas herausstechende Begriff "Neon" an anderer Stelle schon verwendet ist, lass ich deshalb den Begriff mal so stehen. Schließlich weiß jeder, was gemeint ist.
Da es im Text ja nur um eine Platane geht, finde ich die Ausdrucksweise "den Schatten" absolut passend und sei mir nicht böse, aber Dein Vorschlag mit dem Wort "ungeschlacht" erscheint mir hier wenig angebracht. Ich hab die Passage etwas umgeschrieben, hoffentlich auch in Deinem Sinn.
Liebe Grüße! :)
Charly
-
Hi, Charly!
Du hast Recht - Der Begriff "Elektrolicht" ist in Österreich ungebräuchlich und mutet hierzulande seltsam an.
Zu deiner Änderung darunter in Z3: Das "müd" würde ich ändern, schon wegen der Verkürzung, aber hier kommt in Z1 bereits ein "müde" vor, das wäre eine allzu deutliche Wortwiederholung.
Wie wäre alternativ "wirft ihren Schatten lang auf gelben Rasen."? Denkbar auch: "schwer", "schwarz", "kühl",...
LG, eKy
-
Hallo Erich,
danke! Ich hatte zwar extra nochmal durchgelesen weil ich noch sowas in Erinnerung hatte und da hab ich das übersehen. Dann halt so.
Lang: Der Lampenschatten ist selten lang, die Platane muss ja in unmittelbarer Nähe stehen.
Schwer: Ein Laternenschatten ist eher dünn. Daher passt auch "schwarz" nicht optimal.
Kühl: Es ist ja am Abend, keine Sonne.
Aber da kommt mir eine Idee: Warum denn dann nicht "dünn", oder daran angelehnt karg, schmal, dürr, lasch, nein schal, das isses! Immer noch besser als der öde Artikel.
Danke nochmal!
Grüßle!
Charly
-
Hi, Charly!
Wieso Laternenschatten? Ich dachte, es geht um den Schatten der Platane!? ??? Es handelt sich daher um einen Platanenschatten, geworfen vom Licht einer Laterne. Für einen Schattenwurf muss die Laterne übrigens mitnichten in unmittelbarer Nähe des Baumes stehen, ein langer Schatten ist also durchaus denkbar. Auch ein schwarzer oder schwerer, wenn der Stamm entsprechend dick ist. Soviel nur dazu.
Kühl würde passen, denn wie du selbst schreibst - es ist Abend, da ist es kühler. Und wenn es dunkel genug ist, dass Laternen einen Baumschatten werfen können, schon mal sowieso. Ich dachte hier aber ohnehin eher an eine optische Kühle denn an eine der Temperatur.
Mit "schal" verbinde ich eher einen Geschmack als einen optischen Eindruck, aber sei's drum. :-\ Deine Entscheidung, und schlecht ist sie nicht.
LG, eKy
-
Ach Erich, natürlich ist der Schatten der Platane gemeint, aber für den bedarf es einer Lichtquelle und die ist die Laterne; somit kann man auch sagen "die Laterne macht einen Schatten, daher "Laternenschatten". Ich dachte das checkst Du.
Ein Schatten, der von einer Laterne weiter weg erzeugt wird, wird kaum wahrnehmbar sein, weil er vom Schatten der naher Laterne weitgehend geschluckt wird.
Wenn man Schatten mit kühl kombiniert, dann löst man automatisch die Vorstellung von Schattenkühle bei Sonnenschein und Hitze aus und das eben fand ich etwas unpassend.
So wie Du an eine optische Kühle gedacht hast, ist es bei meiner Lösung auch ein optischer Effekt, den ich beschreiben will. Ich nehm jetzt mal "dünn".
Deine Vorschläge sind alle gut und wertvoll, nur wenn es dabei ein Stück weit um Geschmacksache geht, dann bleibe ich halt eher bei meiner Version aus dem Bauch heraus. Man kann kein Gedicht schreiben, das wirklich jeder bis ins Detail hinein optimal findet.
Also, danke nochmal und liebe Grüße!
Charly
-
Hallo, Charly -
ich machs kurz:
Das ist für mich nicht nur eine Wucht, das ist ein großer Wurf!
Lediglich der schleichende Grilldunst ließ mich kurz stutzen.
Er schleicht ja nicht - er drängt mit aller Macht, fast hätte ich alliterativ gesagt, daß er dräut (aber das wäre bloße Drohung).
Toll!
Und ohne falsch versöhnliches Ende, nichts Beschönigendes.
Lieben Gruß
von
Cyparis
-
Liebe Cyparis,
danke für Dein tolles Lob!
Der "schleichende Grilldunst" entstand aus der Vorstellung einer schleichenden Pestilenz, die, wenn sie einen erreicht, dann natürlich in die Nase drängt.
Liebe Grüße!
Charly
-
Nur der Richtigkeit halber:
Ganz egal, wer oder was die Lichtquelle sein mag - der Schatten einer Platane ist immer ein Platanenschatten. Du kannst nicht sagen, dass eine Platane einen Laternenschatten hat, dann würfe der Baum einen Schatten in Form einer Laterne! Klar, ich weiß schon, wie du es gemeint hattest - bloß, so kannst du es nicht sagen, ohne semantische Verwirrung zu stiften!
Also: Eine Platane wirft einen Platanenschatten im Licht einer Laterne. So und nicht anders.
LG, eKy
-
Wie freue ich mich auf die persönliche Auge-in-Auge-Diskussion!
Vorfreudig:
Cyparis
-
Lieber Erich,
ich muss mich bei Dir entschuldigen! Jetzt erst sehe ich, dass Du meinen Satz gar nicht verstanden hast, sowenig wie meine Argumentation.
Ich mach Dir ein Beispiel: "Ich schaue zum Fenster hinaus und sehe einen Mann, der einen Hund an der Leine hat und dieser Hund verrichtet gerade seine Notdurft auf meinem Grundstück. Ich öffne also das Fenster und rufe hinaus: Hören Sie sofort auf, meinen Rasen zu verunreinigen!"
Da in diesem Fall völlig klar ist, wer den Rasen beschmutzt, wird der Hundeführer diese, ich nenne es mal "umgangssprachliche Vereinfachung" auch ohne nachzudenken richtig verstehen und hätte sich wohl auch gewundert, wenn ich gerufen hätte: Verhindern Sie sofort, dass der Hund meinen Rasen weiter verunreinigt" oder "bewirken Sie sofort, dass der Hund aufhört seine Notdurft zu verreichten, weil er meinen Rasen verunreinigt."
Ich halte solche umgangssprachlichen Schlampereien für nicht nur zulässig, sondern auch für absolut üblich, schließlich handelte es sich ja bei unserem Disput um einen Kommentar und nicht um ein Gedicht, in dem solches unangebracht wäre. In einer schriftlichen Anzeige hätte dann auch formuliert werden müssen, dass der Hund des Herrn X die Verunreinigung begangen hat, weil ein Jurist ja auch nicht ausschließen dürfte, dass Herr X womöglich selber ins Gras geschissen hat und der Hund nur zusah.
Wie jedes veranschaulichende Beispiel hinkt natürlich auch dieses, aber es macht deutlich, welchen sprachlichen Frevel ich hier begangen habe:
Was ich also korrekterweise hätte sagen müssen, wäre gewesen: "Da das beleuchtete Objekt in unmittelbarer Nähe der Lichtquelle, der Laterne nämlich, steht, was daraus zu schließen ist, dass eine relativ zum Tageslicht oder der Sonne schwache Lichtquelle wie die Laterne in größerer Entfernung hätte stehen müssen, um einen langen Schatten zu erzeugen, kann man davon ausgehen, dass die Laterne ziemlich nahe der Platane gestanden hat und der Schatten eher kurz ausfiel."
Wenn ich frage: "War das ein Tageslicht(Sonnen-)schatten oder eine Kunstlicht(Laternen-)schatten?", dann wüsste jeder, dass ich nicht nach einem Verursacher eines Schattens frage , der die Sonne oder die Laterne abbildet, sondern nach der verursachenden Lichtquelle.
Zu einem Schatten gehören zwei ursächlich beteiligte Dinge: Eine Lichtquelle und ein beschienenes Objekt. Beide gemeinsam erzeugen den Schatten. Die Laterne könnte theoretisch sowohl Lichtquelle als auch Objekt sein, deshalb kann ich den Begriff "Laternenschatten" nur dann benutzen, wenn zweifelsfrei klar ist, dass es nur um die Lichtquelle oder nur um das Objekt geht. Im vorliegenden Fall war dies eindeutig, es ging ausschließlich um die Lichtquelle und aus dieser Eindeutigkeit heraus habe ich mir diese kleine umgangssprachliche Schlamperei erlaubt, weil ich mir sicher war, dass das auch richtig verstanden wird. Und genau da liegt meine Fehler und nicht im Begriff "Laternenschatten".
So, nun müsste das ausdiskutiert sein. Letztlich ging es ja nur darum, dass ich das Adjektiv "lang" für einen Baumschatten in einem laternenbeleuchteten Park als nicht besonders passend bezeichnete.
Vielleicht können wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir beide auf unsere Art Recht hatten, bevor wir wegen dieser Lappalie einen Streit vom Zaun brechen, möge dieses Argumentieren auch noch soviel Spaß machen. Das mit dem Streit war natürlich scherzhaft gemeint! ;D
Lass uns gegenseitig in die Arme sinken und einen langen, schweren, schwarzen, kühlen und dünnen, schalen Schatten dabei auf die Welt werfen. ;D
Liebe Grüße! :)
Charly
-
Lieber Charly,
beeindruckt von der Intensität diese ausdrucksstarken Gedichts, fühle auch ich, als ständige Bewohnerin ländlicher Gefilde, mich mitten in die Großstadt versetzt.
Allerdings hält sich der Wunsch, mein Leben ständig in einem solchen Ambiente verbringen zu wollen, sehr in Grenzen.
Über eventuelle Änderungen wurden oben bereits diverse Überlegungen angestellt und dem ist weiter nichts hinzuzufügen. So wie ich dich, lieber Charly, als Gedichteschreiber kenne und einschätze, hast du dich sicher vorher bereits mit deinem Text ausreichend beschäftigt und auseinandergesetzt. Ich finde, jeder sollte seiner Art zu schreiben treu bleiben, denn gerade die unterschiedlichen Schreibstile machen die Lyrik interessant und abwechslungsreich.
Klasse Gedicht!
Liebe Grüße
von
Daisy
-
Liebe Daisy,
Du sprichst mir aus dem Herzen! Ich mag Kritik und ich nehme sie auch gerne an und lerne daraus, sofern sie mir einleuchtet und ich sie nachvollziehen kann. Erbsenzählerei hat da keinen Platz.
Ich nehme auch gerne Vorschläge an und bin dankbar, allerdings auch nur, wenn sie mir gefallen und nicht den Inhalt oder meinen Stil verändern.
Ich danke Dir herzlich für Deine lobenden Worte und sende Dir liebe Grüße!
Charly
-
Hallo galapapa,
ich habe dein Werk schon vor längerer Zeit genossen, aber immer noch mit einem "Danke" gewartet. Das kommt nun endlich. Eine tolle Gestaltung der Großstadt-Atmosphäre!
Chapeau
gummibaum
-
Hallo Gummibaum,
ich freu mich auch jetzt noch sehr über Dein Lob und es wundert mich auch nicht besonders, wenn ich von Dir gar nichts mehr bekomme, da ich ja Dich bös vernachlässige.
Das selbe gilt allerdings für alle, die mir schreiben. Ich bin in letzter Zeit einfach zu knapp mit der Zeit, so dass ich schon kaum noch mit meinen Antworten nachkomme und das Schreiben bleibt völlig liegen.
Das ist die typische Rentnerkrankheit, keine Zeit, und ich dachte immer, mir kann das nicht passieren. ;D
Also nicht böse sein, das wird auch wieder anders.
Vielen Dank und liebe Grüße!
Charly