die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Ach Natur Vergissmeinnicht => Thema gestartet von: gummibaum am Juni 22, 2014, 13:59:22

Titel: Im Tal
Beitrag von: gummibaum am Juni 22, 2014, 13:59:22
Ein Tal hat dieser Sommer zwischen Bergen
und in der Senke geht ein rauer Wind.
Das Hoffen sucht Erinnern. Doch wie blind,
da Schatten es bewachen, finstre Schergen.

Weit scheint die nächste Höhe jetzt zu liegen,
und tiefe Wolken haben sie verschluckt,
die Last macht alles Atmen wie geduckt,
und selbst Gedanken wagen nicht zu fliegen.

Da dreht der Wind sich langsam, kommt aus Osten,
und schleift er auch erst Kälte nur ins Tal,
so frischt er plötzlich auf, zerbricht die Pfosten

des grauen Zaunes und aus stummer Qual
sticht Licht hervor, und alle Dinge kosten,
so wie ich selbst, die Gipfel neu im Tal.
Titel: Re:Im Tal
Beitrag von: Erich Kykal am Juni 22, 2014, 16:24:11
Hi, Gum!

Die erste Zeile ist unglücklich inversiv formuliert - da muss man innehalten, um erst mal die Bezüge auszuklamüsern. Würd ich umformulieren. In Z2 fragt man sich, ob die dort erwähnte "Senke" dasselbe meint wie das "Tal" in Z1 - was sich inhaltlich aber widerspräche, da "Sommer" und "rauer Wind" als Bilder nicht so recht harmonieren. Ist aber nicht dasselbe gemeint, fragt sich der Leser, wie er diese "Senke" einordnen soll.
Diesbezüglich habe ich auch Schwierigkeiten mit den "finstren Schergen" in Z4: Was ist da gemeint, und von welchen "Schatten" bewacht? Tatsächlichen oder metaphorischen? Zu wenig Info.

Diese erste Strophe solltest du überarbeiten. Der ganze Rest ist sehr gelungen - beste Sonettqualität! Auch die Mischung von männlichen und weiblichen Kadenzen schadet dem Fluss nicht, vor allem in den Quartetten, wo die weiblichen die männlichen umfangen.
Nur in den Terzetten reimst du 2mal "Tal" (Terzett1,Z2 und Terzett2,Z3) - das würde ich auch noch beheben. Mögliche Reime in diesem inhaltlichen Zusammenhang: egal, fatal, schal.

Sehr gern gelesen - ich schätze solche Stimmungsbilder mit oder über Natur.

LG, eKy
Titel: Re:Im Tal
Beitrag von: gummibaum am Juni 22, 2014, 18:50:51
Vielen Dank, lieber Eich.

Eine Senke im Glück und gleich der erste Vers beginnt schleppend. Ein bisschen viel der Tragik, wenn die Spannkraft des seelischen Sommers auch nur etwas nachlässt. Aber es geht ja alles bald wieder bergauf.

Am Ende hatte ich "der Gipfel große Zahl", aber der Genitiv gefiel mir nicht. Ich denke nach.

Ganz liebe Grüße
gummibaum
Titel: Re:Im Tal
Beitrag von: Erich Kykal am Juni 23, 2014, 00:07:36
Hi, Gum!

Mir ist immer noch nicht klar, was du mit dieser ersten Zeile eigentlich ausdrücken willst. Sie sagt aus: Der Sommer zwischen Bergen hat ein Tal. - Okay..."hat ein Tal" WAS? Fehlt da ein Satzteil? Oder besitzt er ein Tal, nimmt es in Beschlag? Oder soll es bedeuten, dass der Sommer ein metaphorisches Tal im Sinne eines Tiefdruckgebietes hat? Falls ja, muss man schon lange überlegen, um da draufzukommen.

Ich ersuche um Aufklärung. :)

LG, eKy
Titel: Re:Im Tal
Beitrag von: gummibaum am Juni 23, 2014, 18:53:31
Vielen Dank, lieber Erich, dass du dich mit dem Sommer noch einmal beschäftigt hast.

Gemeint ist das zwischenzeitliche Absinken des Luftdrucks. Ich habe oft auf Monitore gestarrt und sehnlich den nächsten Peak erwartet. Daher diese ungenaue  Ausdrucksweise. (Wie wenn jemand sagte: "Das Barometer ist im Keller." Und man sucht es dort natürlich vergeblich und kommt nie darauf, den Regenschirm mitzunehmen.) Aber ich weiß noch nicht, wie ich es exakt und poetisch zugleich versprachliche.

Liebe Grüße
gummibaum

 
 
Titel: Re:Im Tal
Beitrag von: Erich Kykal am Juni 23, 2014, 19:21:12
Hi, Gum!

Also bei uns sagt man dafür "Tief", und der Sommer "hat" es auch nicht... - die Dinger kommen und gehen eben. :D

Meine Vorschläge:

Ein graues Wolkenband hängt zwischen Bergen,
und in der Senke geht ein rauer Wind.
Die Hoffnung sucht Erinnerung wie blind,
wo Schatten sie umwehn wie dunkle Schergen.

Wie ferne nun die lichten Höhen liegen,
die tiefen Wolken haben sie verschluckt,
die Last macht alles Atmen wie geduckt,
und selbst Gedanken wagen nicht zu fliegen.

Da dreht der Wind sich langsam, kommt aus Osten,
und schleift er erst auch Kälte nur ins Tal,  So rum finde ich es klangvoller.
so frischt er plötzlich auf, zerbricht die Pfosten

des grauen Zaunes, und aus stummer Qual  Komma hier nach "Zaunes".
sticht Licht hervor, und alle Dinge kosten
- so wie ich selbst - die Gipfel neu im Tal.  Mit Bindestrichen ist der Einschub deutlicher abgesetzt.


Sehr gerne damit beschäftigt - ich spüre ein großes Potential! :)

LG, eKy
Titel: Re:Im Tal
Beitrag von: gummibaum am Juni 23, 2014, 19:42:49
Das Gedicht gefällt mir so viel besser und ich danke dir ganz herzlich, lieber Erich.

LG gummibaum

Titel: Re:Im Tal
Beitrag von: cyparis am Juni 26, 2014, 16:42:05
Ich stehe stumm und staune.
Schönheit macht mich sprachlos.

Bin sowieso nicht sehr beredt.


Cyparis