die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Erich Kykal am Dezember 05, 2014, 22:09:06
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Manchmal stehn sie unentdeckt am Straßenrande,
tragen Hut und schlichten Anzug mit Krawatte,
angepasster Bürger, Wähler, Göttergatte,
unauffällig im gebürsteten Gewande.
Manchmal stehn sie nebenbei am Straßenrande,
wenn die Fliegerstiefeltypen durchmarschieren,
und sie würden nur zu gerne salutieren,
aber rufen doch wie alle: Welche Schande!
Manchmal stehn sie wie versteckt am Straßenrande,
Altgewordene an ihrem Mittelmaß,
ewig Unbewegte, die die Zeit vergaß,
und Gefangene im alten Unverstande.
Manchmal stehn sie aufgereiht am Straßenrande,
doch man nimmt sie irgendwie nicht richtig wahr,
und sie stehen weiter vorne Jahr um Jahr -
bis zum nächsten Reich in diesem Lande.
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Lieber Erich,
nicht nur die - für mich - beste dritte Strophe ist ausgezeichnet gelungen.
Ich sehe sie vor mir - Schleimer, Mitläufer, Jasager, charakterlose Gesellen aller Couleur und jeden Geschlechts.
Sehr gut, sehr gut!
Lieben Nachtgruß
von
Cyparis
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kurz: chapeau!
Gute Nacht! (Nur der Tageszeit entsprechend wörtlich gemeint! ;D)
charis
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Hi, Cypi, Charis!
Dies ist ein Stück von 2012, neu überarbeitet. Keine Ahnung, warum ich es hier offenbar damals nicht gepostet habe.
Vielen Dank für Lob und Gedanken! :)
LG, eKy
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Das Gedicht nähert sich den Altfaschisten/nazis aus einer ungewöhnlichen Perspektive und dringt, sie aus Distanz umkreisend, doch tief in ihre unverbesserlichen Seelen.
Entzückt gelesen, lieber Erich.
LG gummibaum
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Hi, Gum!
Hier ging es mir um die Wendehälse, jene, die mit faschistischem Gedankengut liebäugeln, aber aus Kalkül oder sozialer Feigheit um jeden Preis unauffällig bleiben, so lange die allgemeine Lage, die Mehrheit anders denken.
Auch alte "Unverbesserliche", nach dem verlorenen Krieg "entnazifiziert" (was oft genug ziemlich nachlässig oder nur dem Namen nach geschah, weil man die Leute schlicht brauchte) und in die neue Demokratie integriert, gehören dazu: Nach außen hin brav bekehrt, gärt es innerlich doch immer leise weiter, das kranke Gedankengut. Mein Vater war so einer: Ex-SSler, saß ein Jahr dafür ein, bekam trotz "lebenslangen Berufsverbots" doch Jahre später wieder einen Lehrerposten, wählte brav bis zuletzt die Freiheitlichen (Unser Sammelsurium "alter Kameraden") und schimpfte beim Fernsehen auf jeden "Jud", den er dort sah.
Abgesehen davon war er ein friedfertiger, liebenwerter Mann und Vater. Darum (und natürlich dank Studien am eigenen Naturell!) kenne ich die kleinkarierte Banalität des Bösen/Falschen, und dass kaum ein Mensch "ausschließlich" gut oder böse ist.
LG, eKy