die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Zwischen Rosen und Romantik => Thema gestartet von: cyparis am Januar 04, 2015, 13:09:14
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Sie war die Blonde, Lebende.
Anselm war ein scheuer Freier.
Liebend Beide, Bebende.
Oh, rasch, Du Scheuer!
Mach mich zu Deiner jungen Braut!
Extrapost! Dem, der sich traut!
Und doch ist Anselm hängengeblieben.
Noch konnte er nicht ohne Vorbehalt lieben.
Dienen wollte er bis Paris.
Vielleicht war sie Glut?
Entflammend als dunkle Nonne?
Rein, wie es der Name verhieß.
Es war alles, benadelt, wahrlich gut.
Nie vergessen: Mystische Wonne.
Anselm, der Beide niemals verließ.
o4.01.2015
in memoriam Otto Flake
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Hi, Cypi!
Hier wären ein paar erklärende Worte "zum Geleit" wohl ratsam, allein für jene, die weder Otto Flake kennen (ich zum Beispiel) noch das Werk (Nimmt der Titel darauf Bezug?), auf welches dieses Akrostichon anspielt. Gäbe es dieses übrigens nicht, wäre der Text allein eher verwirrend, da m.E. nicht ausreichend klar herausgestellt wird, dass es hier offenbar um eine Dreiecksbeziehung in einem fahrenden Zug geht - eben ZWEI Frauen und ein Mann.
Abgesehen von den obligatorischen leichten Taktschwankungen sprachstilistisch sehr gut geschrieben. Aber was ist mit "benadelt" gemeint??? Und warum ist das "Beide" in der letzten Zeile groß geschrieben? Insgesamt eher kryptisch denn erhellend in der Gesamtwirkung. Ein paar mehr Zeilen zur Klärung der Verhältnisse wären nicht von Übel gewesen, dazu hätte man das Akrostichon ausweiten können: Anselm, Salome und Verena - oder so...
Gern gelesen!
LG, eKy
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Ja, lieber Erich -
mein Fehler, ich gestehe es ein., Ich hätte ein paar erklärende Worte hinterherschicken sollen.
Es geht um die beiden Mädchen/Frauen (Schwestern), die eine bedeutende Rolle im Leben des Anselm gespielt haben.
Otto Flakes ausladender, aber nie langweilender Roman trägt den Titel "Die Monthivermädchen". (Der Vater hieß Monthiver). Er spielt in der Zeit kurz nach der französischen Revolutiion, als schon vor dem Wiener Kongreß die Aufteilung deutscher Fürstentümer beschlossene Sache war.
Aber es gab einen anderen Anlaß, das Akrostichon sozusagen auf eine leere Seite zu schütteln:
Es existiert eine Dichterin mit gleichem Namen (wenn auch kleingeschrieben), die mich mit ihren grotesken Wort"spielereien" hin und wieder bis an den Rand der verzweifelten Lachtränen brachte.
Sie bringt abverbiale Unsäglichkeiten zum Vorschein, da schlackre ich nur noch mit den Ohren.
Übrigens entschied sich Anselm für das Nönnchen Verena, die in ihrer ersten Liebesnacht alle ihre Haarnadeln verlor. Die hochgesteckte Haarkrone löste sich in Flechten auf.
Wie ihr Nonnendasein.
Lieben Gruß
von
Cyparis
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Hi, Cypi!
Danke für die Info! auf den "Zug", bzw. eine Reise kam ich durch die Zeile "Dienen wollte er bis Paris."
LG, eKy
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Aber was ist mit "benadelt" gemeint???
moin moin Cyparis,
gehe ich recht in der Annahme, dass damit die Mitgift gemeint ist ???
Lieben Gruß von steiler Küste.
Curd
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Lieber Curd,
nein, es geht nicht um das "Nadelgeld" (keine Mitgift!). ;)
Wie ich es auch Erich erklärt habe:
In einer recht rauschhaften ersten Liebesnacht verlor die mänadische Nonne sowohl ihre Haarnadeln als auch den Wunsch, weiter Nonne zu sein.
Lieben Gruß
von
Cyparis
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Hallo cyparis,
wie immer bei Bezug auf andere Texte oder entferntere Wissensgebiete ist es schwierig, Eingeweihte zu finden, die das Gedicht vollständig würdigen können. Auch ich besitze als Halbgebildeter kein einziges Buch von Otto Flake. Aber trotzdem habe ich deine Verse gern gelesen.
LG gummibaum
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Liebe Cyparis,
Ja, ich tue mir ohne Hintergrundwissen auch schwer mit diesem Gedicht (aber bei mir kommt das ja auch manchmal vor, dass ich meine Inspirationsquellen nicht erkläre :))
Es ist eine Dreiecksbeziehung und er entscheidet sich für die Nonne, wie du sagst. Weshalb dann der letzte Vers?
"benadelt" finde ich originell, ich wär niemals darauf gekommen. Dem Aristchon wurde hier für mein Gefühl die Dichte und Schlüssigkeit geopfert. Es lässt mich als Leser ratlos zurück. Warum er beide Frauen liebte? Die Beziehung zu Salome erscheint eher wie ein Spiel, eines noch nicht bindungswilligen, unerfahrenen Mannes. S1 gefällt mir daher eigentlich sehr gut. "Extrapost"?
Mich hätte interessiert, warum er sich letztlich für die Nonne entschied? Und mich hätte auch der innere Kampf der Nonne, die ihre Gelübde bricht interessiert. Und was hat diese namensgleiche Userin mit dem Gedicht zu tun (wegen benadelt?). Mir hätte besser gefallen, wenn du nur einen "kleinen Ausschnitt" beschrieben hättest, eben diese verbotene (aufkeimende? aufbrechende?) Nonne-Anselm-Leidenschaft; es stellte wohl eine Art Todsünde dar, die Braut Jesus zu verführen. Ich denke da muss wohl eine ganz tiefe, ja abgründige Leidenschaft (vielleicht auch nur als Spiegel des Aufbegehrens gegen die überkommenen Werte) dahinter stecken, die ich nicht wirklich in den Versen von S3 spüre. Aber vielleicht liege ich - ohne Hintergrundwissen - auch völlig daneben?
Lieben Gruß
charis
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Liebe chsris,
ich sehe, daß Du dir viele Gedanken über dieses rasch geschoßne Akrostichon gemacht hast.
Ja - Anselms Liebe zu Salome war die erste, aber noch zögerliche ( man bedenke die Zeiten, er war noch ein Lehrling, finanziell vom Vater abhängig).
"Extrapost":
Es gab noch keine Eisenbahn. Es gab eine Pferdepost, die sehr langsam war.
Wollte wer schneller sein, bestellte er (was auch dauerte) Extrapost, die schneller und auch teurer - weil exklusiv - war.
Salome wollte entführt werde, aber daraus wurde nichts.
Die Flamme dieser großen Liebe erlosch allmählich.
Verena war die Schwester Salomes.
Sie liebte Anselm von jeher, fast religiös. Tiefgeistig, was Anselm irgendwann deutlich wurde.
Er liebte sie ebenso rasend (geistig, irdisch, so richtig intellektuell ;)).
Naja - es ist ein Roman von Otto Flake, der mir Hintergründe der Badischen Kleinstaaterei und der französischen Neuordnung zeigte, die ich bis dahin so noch nicht kannte.
Fundierte Informationen machen ihn ebenso wertvoll wie die gepflegte Sprache.
Flake war ein Sprachkünstler. Es lohnt, ihn zu lesen.
Vorerst lieben Gruß
von
Cyparis