die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Erich Kykal am Januar 16, 2015, 16:53:56
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Die Stadt pulsiert im Rhythmus der Alltäglichkeiten,
aus denen kaum ein wacher Geist sich je erhebt,
der sich bemühend nach dem Wandelgeist der Zeiten
doch ewig unerlöst am Saum des Wohlstands klebt.
Die klarste Note unter all den Partituren,
die hier das Leben spielt mit wechselnder Kapelle
aus Eiligen, Beschäftigten und Frohnaturen,
ist jener Bettler dort, der an erwählter Stelle
bedacht die Hände hebt nach der bewegten Menge,
die ihn nach Möglichkeit umfließt und übersieht,
als höbe er Monstranzen aus der Kirchen Enge
ins Licht hinaus, zu sehen, was damit geschieht.
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moin moin Erich,
das ist Lyrik, die mein Herz erfreut :)
sehr gerne gelesen. Danke.
LG
CB
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Hallo Erich,
das ist gut beobachtet und ins Bild gesetzt. Diese unbewegte Hand im Strom, die an einen Heiligen erinnert.
Sehr gern gelesen
LG gummibaum
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Hi, Curd, Gum!
Danke für euren Zuspruch! :)
Anregung dazu war eins meiner Lieblingsgedichte von Rilke:
Der Blinde
Sieh, er geht und unterbricht die Stadt,
die nicht ist auf seiner dunkeln Stelle,
wie ein dunkler Sprung durch eine helle
Tasse geht. Und wie auf einem Blatt
ist auf ihm der Widerschein der Dinge
aufgemalt; er nimmt ihn nicht hinein.
Nur sein Fühlen rührt sich, so als finge
es die Welt in kleinen Wellen ein:
eine Stille, einen Widerstand –,
und dann scheint er wartend wen zu wählen:
hingegeben hebt er seine Hand,
festlich fast, wie um sich zu vermählen.
LG, eKy
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Hallo Erich,
auf der Folie des Rilke-Gedichts wird das mit deinen Versen Intendierte präzisiert. Ich hatte es auch noch so verstanden: dass der Bedürftige in diesem Strömen aus sich selbst genügenden, unachtsamen Nummern als reich (bzw. dieser Bettelnde als schenkend) erscheint.
Beide Gedichte gefallen mir sehr.
LG gummibaum
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Ich sehe diesen Bettler als einen der uns unsere wahren Bedürfnisse zeigen könnte, wenn wir nur hinsehen würden.
Stattdessen hetzen wir vorbei, immer auf der Suche nach dem "mehr", das wir gar nicht brauchen und das uns niemals "satt" machen wird.
Ein sehr schönes Gedicht, lieber Eky!
Lieben Gruß
charis
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Hi, Gum, Charis!
Gut gedeutet! Das Elend wirft den Bettler aufs Wesentliche zurück, reduziert ihn auf die Wahrhaftigkeit seiner Existenz und seines Wollens, wenn er um Almosen heischt. So gesehen ist er - bei all seinem Elend, das ich natürlich niemandem wünsche - klarer und wahrer als all die innerlich abgelenkten, betulich Beschäftigten um ihn herum, die sich meist auch noch für etwas Besseres halten oder sich von ihm angeekelt oder belästigt fühlen.
Ein Bild des Augenblicks, das sich mir beim Gang durch die City schon des öfteren aufgedrängt und eingeprägt hat. Da hat der geniale Rilke hundert Jahre zuvor wohl denselben Eindruck gehabt (und in unnachahmliche Tiefe und Präsenz des Wortes übersetzt) - was zeigt, wie wenig sich in der Welt geändert hat! :-\
Vielen Dank für eure Gedanken!
LG, eKy
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Ohne Hinweis auf die Anregung hätte ich die schönen Verse nicht enträtseln können.
Cyparis
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Hi, Cypi!
Ich habe nun eine weitere Strophe vorweggestellt, die in das Szenario einführt und die Intention verdeutlichen soll. Ich hoffe, damit wird das Bild klarer.
LG, eKy
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Ja!
Hab Dank dafür! :)