die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Erich Kykal am Januar 31, 2015, 11:37:42
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Wie kam's, dass sie nicht länger Freude fanden
an edler Sprache, am erhabnen Wort?
Wer nahm die Schönheit aus Gedichten fort
und machte eine Kunst damit zuschanden?
Wer tilgte alle Größe des Gefühlten
aus zärtlich Klingendem und Harmonie
um kleinlicher Effekte willen, die
abstrakt das Ohr der Lauschenden zerwühlten?
Modern sei alle Kunst! - ging die Parole,
und man erschuf ein neues Mittelmaß,
ein krummes und verkümmertes Gejohle!
Enttäuscht, wer fürder unter Hörern saß,
denn nur dem Ehrgeiz, nicht dem Wort zum Wohle
schrieb nun ein Dichter, der den Reim vergaß.
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Oh, Erich!
Tausenfaches Lob!
Es waren die Krummen, Verbogenen, die Faulen, die Bequemen, die (in meinen Augen) völlig Untalentierten -
sie alle flüchteten in die "moderne" Lyrik, die keine Lyrik ist, die es niemals werden wird.
Die Telegramme und Enigmen zu Lyrik "küren", weil es ihnen am Empfinden für Lyrik gebricht.
Und sie werden immer mo(r)derner, reihen Unsinn an Wort, Wort an Flachheit, Flachheit an Gewolltes, Ungekonntes -
und sie maßen sich derweil an, Künstler und gleichzeitig Lyriker, Poeten zu sein!
Sie lassen, wenn nicht schon Ehrfurcht, so doch jeden Respekt vermissen, der unserer schönen Sprache zu entbieten und zu zollen ist.
Ich verachte sie und und alle ihre Speichellecker.
Für mich sind sie die allerrohesten Grobschlächter der Dichtkunst.
Später mehr zu Deinen schönen Versen!
Cyparis
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Hi, Cypi!
Ach, wie sprichst du mir aus dem Herzen! :) Hab Dank dafür! :-*
LG, eKy
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Nur ganz kurz, muuß leider aus dem verschneiten Haus:
Sinngemäß sagte es Erhart Kästner ( Nicht Erich Kästner ) so:
"Lyrik nennt Ihr das?
Es ist zerstückelte und schlechte Prosa!"
Ich komme wieder!
Bis dahin
Umarmung
aus dem verschneiten Südwesten!
Cyparis
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Hallo Erich,
ich finde an den meisten sog. modernen Gedichten auch nicht viel. Aber einige gefallen mir. Das einzelne Wort/Bild oder die Idee können bestechen. Gedichte, die immer eine Reimmöglichkeit auslassen, wirken auf mich wie einarmige Boxer: tapfer und chancenlos.
Sehr gern gelesen
LG gummibaum
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Hi, Gum!
Meinst du jene Gedichte, wo sich in 4 Zeilen immer nur ein Reim findet, meist Z2 und 4? Das Bild vom einarmigen Boxer beschreibt das wunderbar! ;D
Du hast ja recht - es gibt auch sehr schöne reimlose Gedichte. Aber eben selten. Nicht mein Ding.
In einem anderen Forum fühlte sich ein reimlos Schreibender wohl persönlich angegriffen und versuchte den Text ziemlich zynisch und herabwürdigend zu entwerten. Saure Trauben? ;D
LG, eKy
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Nur eine Antwort unter vielen, die von mir noch kommen:
Hugo Friedrich: Die Struktur der modernen Lyrik, 1956
"Moderne Lyrik nötigt die Sprache zu der paradoxen Aufgabe, einen Sinn gleichzeitig auszusagen wie zu verbergen. Dunkelheit ist zum vorherrschenden ästhetischen Prinzip geworden. Sie ist es, die das Gedicht übermäßig absondert von der üblichen Mitteilungsfunktion der Sprache, um es in der Schwebe zu halten." (, 1956 S.178)
"Die Deutung eines modernen Gedichtes sieht sich genötigt, sehr viel länger bei seiner Aussagetechnik zu verweilen als bei seinen Inhalten, Motiven, Themen. (...) Die Energien drängen vollständig in den Stil. (...) Mit seinen Unruhen, Brüchen, Befremdungen zieht der abnorme Stil die Aufmerksamkeit auf sich selber." (S.149)
"Mit dem Willen zur Dunkelheit stellt sich das Problem des Verstehens ein (...), das Gedicht gerät durch den Leser in ein neues Bedeutungsspiel, das sein eigenes Recht hat. (...) Der Begriff des Verstehens ist dem Begriff des Weiterdichtens gewichen - Weiterdichten durch den Leser." (a.a.O.)
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Hi, Cypi!
Danke! Wenn es etwas gibt, das sich noch schlimmer anhört als moderne Lyrik, dann das Abhandlungsdeutsch von wissenschaftlichen Expertisen oder das Beamtendeutsch von Gesetzgebunsparagraphen! ;D ;)
LG, eKy
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Wenn es etwas gibt, das sich noch schlimmer snhört als modern Lyrik, dann das Abhandlungsdeutsch von wissenschaftlichen Expertisen oder das Beamtendeutsch von Gesetzgebunsparagraphen!
Diese seltsamen Deutscharten behaupten zum Glück auch nicht von sich, Poesie oder Lyrik oder gar Gedichte zu sein! ;D
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;D wie wahr! ;D
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Zitieren darf ich nicht, aber einen Link einzustellen -das ist mir noch gestattet.
Hier ein eklatantes Beispiel dafür, wie moderne Lyrik (über)bewertet wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ottos_mops
Lilli Hippie
hibbt in milly Lips,
gibt ihrn Stips
mit viel Gips:
Pipps, sie trippst!
Hippie! Nie mit Schwips! ;D
Demnächst mehr.
ich versuch mal zu jandeln. :D
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Jandeln heißt verschandeln - Lyrik aus'm "Schtzngrrmmm"! >:(
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moin moin Erich,
du hast etwas in deiner bewährten, lyrischen Art kritisch beschrieben, was mir schon immer ein Rätsel war.
Danke.
Danke auch für die Kommentare, die mit Eifer meine Einstellung zu diesem Thema beschreiben,
LG
CB
PS: Liebe Cyparis, ich liebe es wenn du dich ereiferst ;)
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... es gibt auch sehr schöne reimlose Gedichte. Aber eben selten. ...
Ich bin anderer Meinung. Es gibt sehr viele schöne reimlose Gedichte, sowohl moderne wie auch ältere, und es gibt viele schöne Gedichte, in denen sich nur jede zweite Zeile reimt.
Der Asra
Täglich ging die wunderschöne
Sultanstochter auf und nieder
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weissen Wasser plätschern.
Täglich stand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weissen Wasser plätschern;
Täglich ward er bleich und bleicher.
Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
Deinen Namen will ich wissen,
Deine Heimat, deine Sippschaft!
Und der Sklave sprach: Ich heisse
Mohamet, ich bin aus Yemmen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben.
Heinrich Heine
Auf meines Kindes Tod
Von fern die Uhren schlagen,
es ist schon tiefe Nacht,
die Lampe brennt so düster,
dein Bettlein ist gemacht.
Die Winde nur noch gehen
wehklagend um das Haus,
wir sitzen einsam drinnen
und lauschen oft hinaus.
Es ist, als müßtest leise
du klopen an die Tür,
als hättst dich nur verirret
und kämst nun müd zurück.
Wir armen, armen Toren!
W i r irren ja im Graus
des Dunkels noch verloren -
du fandst dich längst nach Haus.
Joseph von Eichendorff
Die Füße im Feuer (Conrad Ferdinand Meyer9
Mahomets Gesang (Goethe)
Das Göttliche (Goethe)
Grabinschrift eines Mannes (R. G. Binding)
Nänie (Schiller)
Hyperions Schicksalslied (Hölderlin)
Gesang der Engel (Gerhart Hauptmann)
Um nur einige solcher Gedichte aus der großen Fülle zu nennen. Damit will ich sagen: Wer im Dichten gut ist und Sinn für sprachliche Schönheit hat, kann auf Reime verzichten. Ich bin jedoch mit Euch einig, dass sich die meisten Hobbydichter aus reiner Bequemlichkeit reimlose Verse zurechtschustern. Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass erst das Handwerk gelernt werden muss, bevor man ein Meister werden kann. Wegen solcher Stümper kann ich jedoch nicht die reimlosen Gedichte großartiger Autoren in Bausch und Bogen herabwürdigen.
LG
Aspasia
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Liebe Aspasia,
gewiß sind sich alle hier Versammelten darüber einig, daß die von Dir genannten Beispiele großer Lyrik nicht gemeint sind.
Es geht um Exemplare wie die von Jandl, die bei mir nicht unter Lyrik sondern unter Schwachsinn laufen.
Bestenfalls ins Kabarett dürfen - und das konnte Loriot mit seinem O-sprechenden Hund besser!
Es geht um Verhunzung der Sprache, um sinnentleerte Textkonstruktionen, um Rätsel, die nicht zu einer Lösung animieren -
schlicht: um schlechte moderne Lyrik. Gefasel. Gestammel. Gewölle.
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Liebe Cyparis,
was dich angeht, ist mir klar, was gemeint ist. Ich bezog mich auf Erich (ihn hatte ich zitiert), der in dieser Sache sehr strikt denkt: Ungereimtes ist grundsätzlich nicht "sein Ding". Dabei ist die Reimform in der Lyrik eine sehr späte Erfindung. Ursprünglich galt allein die Melodik als Kriterium. Aber damit erzähle ich dir nichts Neues.
Auch halte ich die Behauptung, es gebe nur wenige gute reimlose Gedichte, für widerlegbar.
Was Jandl angeht: Experimente bis hin zur Publikumsverarschung gab es schon immer - auf allen Gebieten.
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag,
Aspasia
(Ich muss jetzt in die Küche, bekomme gleich Besuch.)
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cyparis hat schon genau meine Antwort gegeben, wobei ich das Wort "Gewölle", (das als unverdaulich Erbrochene) besonders treffend finde. Die von dir, Aspasia, genannten Gedichte mag ich.
Alles Liebe
gummibaum
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Hallo,
Was Jandl angeht: Experimente bis hin zur Publikumsverarschung gab es schon immer - auf allen Gebieten.
Ja.
Aber er wird als moderner Lyriker sowohl betrachtet als auch gehandelt.
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Hurz! ;D
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Wie wahr! ;D
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...dem muss ich nichts hinzufügen ;D