die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Ach Natur Vergissmeinnicht => Thema gestartet von: Erich Kykal am Juli 13, 2015, 18:16:55
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Du, im Verzweigten auferstanden,
sich nährend aus der Erde Kraft,
vermehrt von grünenden Gewanden,
und von den Lüften aufgerafft -
Du, in des Jahres Kreis geboren,
erhoben in des Tages Licht,
dem ewig Wandelnden verschworen
und wurzelnd wie im Gleichgewicht -
Du bist der Baum, an dem ich lehne,
als wüsste ich mich selbst nicht mehr,
das starke Bild, das ich ersehne -
von außen leicht, doch innen schwer.
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Lieber Eky,
Ich liebe Baumgedichte! Sehr schön, was da wieder an Wortkunstwerken drin steckt.
Du, im Verzweigten auferstanden,
sich nährend aus der Erde Kraft,
vermehrt von grünenden Gewanden, -
und von den Lüften aufgerafft - kann man von etwas aufgerafft werden? man kann sich nur aufraffen oder? - ich weiß schon, dass du den Baum einfach passiv sein lassen willst, er tut (scheinbar) nichts aus eigenem Willen und eigener Kraft, er ist einfach ein Teil des Lebenskreislaufs, aber irgendwie finde ich dieses "aufgerafft" hier trotzdem befremdlich.
gefällt mir auch nicht so, aber es bleibt passiv und bezieht sich auf das Blätterkleid:
von(m) kalten St(u)ürm(en) (hin)weggerafft.
Du, in des Jahres Kreis geboren, - "Lebens" würde mich besser gefallen, es passt besser zum ewigen Wandel.
erhoben in das Tageslicht,
dem ewig Wandelnden verschworen
und wurzelnd wie im Gleichgewicht - "wie" gefällt mir hier sehr, es realtiviert das Gleichgewicht angesichts des ewigen Wandels.
Du bist der Baum, an dem ich lehne,
als kennte ich mich selbst nicht mehr, - nicht "kenne"?
das starke Bild, das ich ersehne -
von außen leicht, doch innen schwer. - ich weiß nicht... "innere Schwere" ist nicht etwas, wonach man sich unbedingt sehnt, es bedeutet ja Schwermut oder Melancholie,... eher sollte es umkehrt sein oder? Der Sturm soll uns nicht umhauen, aber wir wünschen uns, innere Gelassenheit und Leichtigkeit. Der Baum ist ja auch nur ein Energiewirbel und nur scheinbar "schwer".
Sehr gerne gelesen und laut nachgedacht!
Lieben Gruß
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Hi, Charis!
Das "aufgerafft" in S1 wurzelt im Bild eines Frauenrockes - der kann auf- oder hochgerafft sein. Beim Baum: Sein grüner Rock wird von neckischen Winden aufgerafft, sprich kurzzeitig gelüftet (denk an das berühmte Foto von Marylin Monroe), die Blätter oder ganze Zweige oder gar Äste gehoben.
"Jahres Kreis" ist ein Wortspiel mit doppelter Bedeutung. Einerseits der Wandel der Jahreszeiten, andererseits die Jahreskreise - oder -ringe seines eigenen Wachstums.
"kennte" ist eine ältere Form, sie erschien mir hier sprachmelodisch taktfreundlicher. So wird der Konjunktiv auch eindeutig erkennbar. Bei "kenne" könnte es ja auch normales Präsens sein.
Nicht schwer? Versuch mal, einen Baum zu heben! ;) :D Ich meinte die äußere Form, die durch die feine Verzweigung insgesamt optisch filigran, grazil und leicht wirkt und die tatsächliche Masse verbirgt. Sinnbildlich steht das Bild für den vom Menschen angestrebten Seinszustand von äußerer Leichtigkeit bei innerer Tiefe - oder eben "Gewicht".
Vielen Dank für deine schlüssigen Gedanken und das dicke Lob! :)
LG, eKy
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Alle Erläuterungen ändern nichts daran, daß mir der Nußbaumgroßpapa vor dem Fenster im Gedicht wahrhaft plastisch vor Augen steht.
Wundervoll!
So rücke ich großen Dichtern näher an die Seite.
Cyparis
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Hi, Cypi!
Vielen Dank für deine ermutigenden Zeilen! :)
Statt des harten "kennte" in S3Z2 habe ich überlegt, ein "wüsste" zu setzen. Allerdings befürchtete ich, dies könnte den Sinn der Zeile allzu undeutlich machen. Was meinst du dazu?
LG, eKy
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Hallo Erich,
so wünscht man sich selbst zu sein. Aber wenn man Freunde mit diesen Eigenschaften sein eigen nennen darf, schwingt immerhin manches davon ins eigene Leben.
Sehr gern gelesen.
LG gummibaum
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ein wüßte klingt lyrisch verführerisch!
Und irgendwie ist es tiefer.
Zwischen kennen und wissen klaffen bedeutende Abgründe.
Stell doch eine zweite Fassung ein!
Cyparis
(betört)
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Hi, Gum!
Danke für deine Zeilen! :)
Hi, Cypi!
Ich tausche es oben mal aus - mal sehen, wie es wirkt.
LG, eKy
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Stark!
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Lieber Eky,
Ich muss hartnäckig bleiben. :) Nicht, weil ich dich ärgern oder unbedingt Recht haben will, sondern weil ich dich ein bisschen herausfordern möchte und mir viel an der Symbolik dieses Baumgedichts liegt.
Das "aufgerafft" in S1 wurzelt im Bild eines Frauenrockes - der kann auf- oder hochgerafft sein. Beim Baum: Sein grüner Rock wird von neckischen Winden aufgerafft, sprich kurzzeitig gelüftet (denk an das berühmte Foto von Marylin Monroe), die Blätter oder ganze Zweige oder gar Äste gehoben.
Auf diese Idee wäre ich nie gekommen, bei raffen - aufraffen, denk man entweder an (gierig) etwas zusamen - auf-raffen oder eben an "sich aufraffen" ... warum schreibst du nicht einfach hochgerafft, es passt von der betonung ja.
Bei "kenne" könnte es ja auch normales Präsens sein.
Du solltest den Lesern schon zutrauen, dass sie einen Konj.Präsens erkennen können. ;D. Aber das neue "wüsste" gefällt mir lyrisch ohnehin sehr gut.
Nicht schwer? Versuch mal, einen Baum zu heben! ;) :D Ich meinte die äußere Form, die durch die feine Verzweigung insgesamt optisch filigran, grazil und leicht wirkt und die tatsächliche Masse verbirgt. Sinnbildlich steht das Bild für den vom Menschen angestrebten Seinszustand von äußerer Leichtigkeit bei innerer Tiefe - oder eben "Gewicht".
"Innere Schwere" und "innere Tiefe" sind aber zwei paar Schuhe. Dieser letzte Vers(teil) macht für mich die ganze positive Aussage des Gedichtes leider zunichte. So wie du das schreibst, trügt nämlich der Schein, die Leichtigkeit des Äußeren, findet keine Entsprechung im Inneren. Ganz im Gegenteil, bleibt am Ende dieses schönen philosophischen Gedichtes bildlich ein schwerer Klotz übrig und nicht eine tragfähige innere Stärke, also nicht das, was du wohl mit "Gewicht" und "Tiefe" meinst. Ich weiß nicht, ob du das verstehst. Wir Frauen denken und fühlen vielleicht ein bissl anders. :)
Aber ich nehme diesen Baum auch gerne als Metapher für unsere innere "Verklotzheit" ;)" und damit als Satire an.
Lieben Gruß
charis
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Hi, Charis!
Du darfst nicht so am reinen Wortsinn kleben! Eine Aussage kann "Gewicht" haben und dazu auch von Tiefe sein - und eins kann hier auch für das andere gelten, wenn man es großzügig auslegt. Das physische Gewicht des Baumes kann im Sinnbild durchaus für das "Gewicht der Weisheit" stehen, also die innere Tiefe.
Du solltest hier nicht den - sinnbildlichen ;) - Paragraphenklauber und Wortsinnpharisäer spielen! :D (Wir in Österreich sagen "I-Dipferl-Reiter" ;) ;D)
Aber ich denke, du nimmst es eh mit Humor ...
Nix für ungut, eKy
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Liebe charis,
lies mal meine KG "Philemon und Baucis in der Schweiz".
Da ist auch vom gerafften Rock zu lesen.
Ich finde den Ausdruck in Erichs Gedicht wirklich g u t (an)gebracht.
Lieben Gruß!
Cyparis
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Du solltest hier nicht den - sinnbildlichen ;) - Paragraphenklauber und Wortsinnpharisäer spielen! :D (Wir in Österreich sagen "I-Dipferl-Reiter" ;) ;D)
Aber ich denke, du nimmst es eh mit Humor ...
Natürlich nehm ich das mit Humor, wir sind ja auf der Spielwiese :), lieber Eky, ich hab mich einfach einmal "in Eky" versucht ;D
Liebe Cyparis,
Tatsächlich? Gibt es diesen aufgerafften Rock?
Ich werd versuchen es zu googeln.
Euch allen eine lieben Gruß. Ich verabschiede mich dann einmal in meinen wohlverdienden Urlaub - das heißt vorerst zum Packen!
Bis bald!
charis
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Liebe charis -
ja. Hier:
http://www.dielyrik-wiese.de/lyrik-wiese/index.php?topic=2486.0
LG!
Cyparis
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Lieber Eky,
Mir ist gerade beim Gießen meiner Balkonpflanzen und kurzer Betrachtung meines Freundes noch etwas eingefallen für den letzten Vers:
Du hast Gewicht, doch nichts scheint schwer. ;)
Lieben Gruß
charis
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Hi, charis!
Vielen Dank für die Mühe, aber diese Zeile hat keine harmonische Satzmelodie - zuviele phonetische Ecken und Kanten. Zudem ist der 2. Satzteil missverständlich interpretierbar.
LG, eKy