die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Verbrannte Erde => Thema gestartet von: Erich Kykal am November 25, 2015, 12:59:39

Titel: Schmerzverzerrt
Beitrag von: Erich Kykal am November 25, 2015, 12:59:39
Wie war ein Schmerz, der ohne Federlesens
den Gipfel deiner Lebenszeit bekrönte
und alles Wesentliche so verhöhnte,
ein Teil geworden deines welken Wesens,

dass nichts und niemand noch dein Sein erreichte,
wo tausend Tränen in den Türen standen
und doch den Weg nicht in die Wüste fanden,
wo blank der Schädel deiner Hoffnung bleichte.

Wer kennt dich noch, du herzverarmtes Pochen,
das fiebrig matt nach alten Tagen tastet?
Wer riss das Fleisch von deinen Seelenknochen,

die irgendwie noch das Erlebte stützen,
auf dem die Zeit wie ein Gebirge lastet?
Wem kann dein "Funktionieren" wohl noch nützen?
Titel: Re: Schmerzverzerrt
Beitrag von: Curd Belesos am November 26, 2015, 11:48:26
moin moin Erich,

wieder setze ich mich mit dem Thema Glauben und Erkenntnis auseinander, allein die Einführung "Wie war ein Schmerz" ist mir nicht geläufig.

LG
CB
Titel: Re: Schmerzverzerrt
Beitrag von: Erich Kykal am November 26, 2015, 16:47:13
Hi, Curd!

Der Satz geht weiter in der vierten Zeile, dazwischen ist ein zweieinhalbzeiliger Einschub, der den Schmerz näher beschreibt (attributiver Einschub):

"Wie war ein Schmerz ... ein Teil geworden deines welken Wesens, dass nichts und niemand noch dein Sein erreichte, ...".


Das Gedicht hat allerdings nichts mit Glaube und Erkenntnis zu tun, mir ging es um Depression und tiefe Traurigkeit, um einen Menschen, der versucht, in der Vergangenheit zu leben, da die Gegenwart unerträglich für ihn geworden ist, weil er sich aufgegeben hat.

Vielen Dank für deine Gedanken und die alternative Deutung! :)

LG, eKy
Titel: Re: Schmerzverzerrt
Beitrag von: Curd Belesos am Dezember 19, 2015, 17:03:03
moin moin Erich,

danke für deine Ausführung, allerdings war mein Gedanke, das "ein" durch ein "der" ersetzen zu wollen.

Habe aber jetzt deinem "ein" den Vorzug gegeben, da ich nunmehr die erste Zeile  als eine sehr gekonnte, feine, lyrische Ausdrucksweise empfinde.  :)

LG
CB
Titel: Re: Schmerzverzerrt
Beitrag von: gummibaum am Dezember 20, 2015, 01:47:15
Hallo Erich,

Ausruf in Frageform (Wie hat sich doch ein riesiger Schmerz eingenistet! ...dass er fortan die unüberwindliche Genze zu den anderen bildet) zeigt  Verzweiflung.

Gelungen sind auch die bildhaften Ausflüge in die seelische Wüste und die Belastung durchs Zeitgebirge.


Bewundernd gelesen.

LG gummibaum