die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Verbrannte Erde => Thema gestartet von: Erich Kykal am Dezember 03, 2015, 23:28:09

Titel: Stiller Tod
Beitrag von: Erich Kykal am Dezember 03, 2015, 23:28:09
Leere Flaschen füllen Räume,
kalte Kippen auf dem Tisch,
das Besteck für süße Träume
neben dem verwesten Fisch

auf dem Teller. Blasse Kotze
rahmt den alten Teppichriss,
und dahinter aus der Glotze
trieft der tägliche Beschiss.

Grauer Körper ohne Wärme
sickert langsam durch ein Bett
aus Gewürm, und die Gedärme
seufzen leis im Leichenfett.

Was er wollte und erstrebte,
kümmert keine Seele mehr,
denn das Leben, das er lebte,
war schon viele Jahre leer.
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Curd Belesos am Dezember 04, 2015, 00:21:45
moin moin Erich,

Einsamkeit ist nicht nur ein Problem für alte Menschen. Beruflich aus der Bahn geworfen, hat sich ein ehemaliger Geschäftspartner dem Alkohol hingegeben, für die ganz süßen Träume fehlte das Geld, so waren es nur billige Fuselträume und Apbträume. Auch die Langzeit Kuren halfen nicht. Er starb einsam in einer, wie von dir beschriebenen Situation, mit dem Kopf neben dem Sofa über dem Erbrochenen. Es hat ihn niemand vermisst, er hatte keine Familie und keine Freunde mehr. Die Nachbarn hatten sich über den Geruch beschwert.

Die in deinem Gedicht sehr bildlich beschriebene Szene weckte unangenehme Erinnerungen in mir.

Mit einer Gänsehaut im Nacken gelesen

LG
CB
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Erich Kykal am Dezember 04, 2015, 16:38:04
Hi, Curd!

Ja, kommt in unserer Gesellschaft immer häufiger vor! Ich sah derlei in einer Fernsehdoku: Die Saubermacher oder so. Unglaublich, in welchem Dreck diese armen Seelen zuletzt dahinvegetieren!
Ich vermute ein solches Ende ja durchaus auch für mich: Keine Verwandten, keine Freunde in Reichweite - oder gar keine mehr, allein in einem stillen, zu großen Haus ...  ::)

Naja - wenn es so kommt, ist es mir hinterher eh wurscht! >:D

Vielen Dank für deine Anteil nehmenden Zeilen! :)

LG, eKy
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Curd Belesos am Dezember 04, 2015, 17:52:20
Moin moin Erich,

mit Erstaunen und Verwunderung habe ich deinen Satz: " Naja - wenn es so kommt, ist es mir hinterher eh wurscht!" gelesen.  :o

Hinterher - wirst du kein Bewusstsein haben, oder  ???

Das es dir allerdings jetzt zu Lebzeiten schon wurscht ist, glaube ich jedoch nicht.

Sei gewiss, sobald dein Beklugfummeln hier ausbleibt, wird man fragen, nachhaken und dich aus der Lethargie rausholen, denn hier bist du unter Freunden  8)

LG
CB



Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Erich Kykal am Dezember 04, 2015, 21:20:27
Hi, Curd!

Und meine leeren Flaschen lass ich auch nicht rumliegen! ;) ;D

Danke für die lieben Worte! Aber dieser Sommer hat mich gelehrt, wie rasch eine Freundschaft - oder was man dafür hielt - zu Ende sein kann, wenn man nur einmal (und nicht mal in böser Absicht) falsch abbiegt! Ich bin - ohne dir oder anderen etwas unterstellen zu wollen - vorsichtig geworden ...

LG, eKy
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: gummibaum am Dezember 05, 2015, 18:37:59
Drastisch, Erich.

Gekonnt dargestellt ist das traurige Los dessen, der sich, weil niemand sein Streben wahrnimmt und anerkennt, verwahrlosen lässt und in den Tod säuft. Frage: Was hat Besteck für süße Träume neben Fisch, der nicht süß schmeckt, zu suchen?

Ungewidert genossen.

LG gummibaum
 
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Erich Kykal am Dezember 05, 2015, 21:18:15
Hi, Gum!

Vielen Dank für den Zuspruch! :)

Auf dem Tisch so eines Verwahrlosten liegt alles durcheinander. Das Möbel ist immer übervoll mit Müll. Der Fisch verwest, weil er nicht mehr gegessen wurde, und daneben liegt das "Besteck für süße Träume": Drogenspritze, Gummischlauch, Löffel, Feuerzeug - was man eben so braucht für den "Schuss"! ::) Alles klar?

LG, eKy
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: gummibaum am Dezember 05, 2015, 22:04:32
Alles klar. Ich glaubte, Alkoholiker spritzen nicht und Heroinsüchtige saufen nicht. Aber ich kenne mich nicht aus.

Besonders intelligente, hilfsbereite und sensible Menschen sind gefährdet, in einen Strudel der Selbstaufgabe und Selbstzerstörung zu geraten, wenn die Einsamkeit sie aushöhlt und der Lebenssinn brüchig wird. Ich sehe die Gefahr und denke, man sollte nicht unterschätzen, dass sie sehr plötzlich stark wachsen kann. Oft sind Menschen, die vorher alle andern aufgerichtet hatten, unerwartet in den Tod gegangen.

Dir alles Liebe
gummibaum

 
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Erich Kykal am Dezember 05, 2015, 22:11:03
Hi, Gum!

Das mag so sein oder nicht - ich wollte das Bild nur bestmöglich verdichten! ;) ;D

LG, eKy
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: gummibaum am Dezember 05, 2015, 22:36:05
Alles klar. Ich habe oben noch eine Bemerkung angefügt. LG g
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Curd Belesos am Dezember 05, 2015, 23:05:39
unerwartet in den Tod gegangen.

Sie haben sich selber erlöst, da sie zu der Erkenntnis gekommen sind, dass ihr Dasein für die Welt keine Bedeutung hat, doch werden sie eins mit ihr- im Staub.

Kein Wein,
keine Depressionen,
mir geht es gut.

Curd






Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Copper am Dezember 11, 2015, 12:00:51
Hallo Erich,

solche gelungenen Bilder kannst nur Du mit Worten zeichnen. Ich sehe und rieche den Raum beim Lesen.

Geniale Dichtkunst.

Lyrische Gesellschaftskritik vom Feinsten.

Viele Grüße, Copper.
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: cyparis am Dezember 13, 2015, 17:06:29
Schaurig gut.
Welche gelungene Bloßlegung!
Ich schließe mich Copper an.


Lieber Erich,

deprimierte und liebe Grüße
von
Cyparis
Titel: Re: Stiller Tod
Beitrag von: Erich Kykal am Dezember 13, 2015, 18:23:27
Hi, Copper, Cypi!

Vielen Dank für den Zuspruch! :)

LG, eKy