die Lyrik-Wiese
Spielwiese => Wiesengeflüster => Thema gestartet von: Fridolin am Januar 21, 2016, 10:56:12
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Nach Rom ist jüngst mein Ohm verreist,
doch leider war ganz Rom vereist.
Dort sammelte ein Opa Reisig
und sprach: »Jetzt wird Europa eisig.
Ich sah's in siebzig Lenzen groß,
die Zukunft schien mir grenzenlos.
Doch jetzt erleb als Greis ich Draht,
in Herzen minus dreißig Grad.
Europa nun auf Wegen geht,
wo Eis-Hauch ihm entgegenweht,
der tief ihm in die Ohren frisst,
dass es wohl bald erfroren ist.«
Bleibt Hoffnung noch, beizeit das Eis zu wenden,
um nicht im braunen Sumpf, wer weiß, zu enden!?
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Lieber Fridolin,
eigentlich sollte ich frösteln, aber Schütteleien lassen es mir immer warm ums Herz werden! :)
Nichts ist mit Schüttelfrost.
Liebe Grüße
von
Cyparis
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Hi cyparis,
meine Schüttelreime sollten eigentlich ein Humorgedicht werden, aber bald machten sie sich selbständig und führten den Autor zu einer Reflexion über die Entwicklung von Europa. Ein Kontinent, in dem sich die Völker über Jahrhunderte in zahllosen Kriegen befehdet haben und der nach dem schrecklichen zweiten Weltkrieg weitgehend in Schutt und Asche lag. 1939 Ende März geboren, habe ich Krieg und Nachkriegszeit noch in lebhafter Erinnerung. Die Zukunft konnte damals nur in der Aussöhnung mit unseren Nachbarn liegen. So entstand aus der Idee eines vereinten Europas die Europäische Union mit dem Wegfall von Grenzen und Zollhäuschen. Aber Europa hat sich vor allem der Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion gewidmet, ohne bei der institutionellen Einigung in die Tiefe zu gehen. Im Vergleich zur ursprünglichen Planung ist das Bild eines vereinigten Europas verblasst. Die Gründerväter der EU wollten eine Union mit dem Menschen im Zentrum. Die Flüchtlingskrise macht nun deutlich, was auf dem Weg dorthin verloren gegangen ist: Die Solidarität der Länder untereinander. Aber der Rückfall in nationalistische Egoismen ist nach meiner Einschätzung eine große Bedrohung, an der Europa zerbrechen kann.
Liebe Grüße
von Fridolin
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Ich habe das dumpfe Gefühl, daß sich die europäischen (EU-) Länder durch die Brüsseler Klammer ferner gerückt sind, statt sich einander ANZUNÄHERN.
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Hi, Fridolin!
Ich dachte erst an eine neue Eiszeit, ganz real. Aber wir haben ja Erderwärmung - wenn also eine Klimaänderung, sollte sie eher ins Tropische gehen!
Dann las ich eure Kommis und - AHA! - las es nochmal mit Metaebene! ::) Man kann manchmal so vernagelt sein!
Aus dieser Sicht ist es natürlich auch inhaltlich ein kleines Meisterwerk! :)
Es ist übrigens so, dass die Staaten nie aufgehört haben, egoistisch zu sein. Sie sind wie Kinder auf dem Pausenhof einer Volksschule, zu mehr Reife reicht es in der Weltpolitik noch nicht, dafür scheint die Menschheit an sich noch nicht erwachsen genug zu sein!
Solidarität und Zusammenhalt gibt es nur bei Bedarf (Wirtschaft, Wohlstand, äußere Feinde), aber Verantwortlichkeiten und Pflichten gehen immer nur "andere" was an.
Die Illusion des Zusammenhalts nach dem Kriege ergab sich nur durch die ständige Bedrohung durch die Sovietunion und den Atomkrieg. Wo Riesen sich streiten, ducken sich die Zwerge und rücken eng zusammen!
Man könnte fragen, warum es bei uns nicht so funktioniert wie in den USA, wo 50 Staaten sein über hundert Jahren eine Union bilden. Ganz einfach: Das dort war Neuland, wurde vom weißen Mann besiedelt. Man war einzeln schwach und wenig bevölkert, aber vor allem: Nach Jahrhunderten der feudalen Unterdrückung in Europa gabe es echte Freiheit. Das bewirkt ein anderes Denken, und man fand sich aus freien Stücken zusammen, um gemeinsam mehr zu erreichen. Sich gleichberechtigt zu sehen war leicht, weil die Staaten neu waren und es überall das gleiche Völkergemisch gab, die gleiche Sprache und eine psychologosch wichtige Zäsur, den Bruch mit den alten Systemen in ihren Herkunftsländern.
In Europa gab es dies nie so. Bis heute herrschen zwischen den Völkern Vorurteile, alte Resentiments, offene Rechnungen, Rassismus, Sprachbarrieren, eine immer weiter klaffende Arm-Reich-Schere, und vor allem: Die Länder bilden oft nicht wirklich freiwillig eine Einheit, sondern fühlen sich durch Sachzwänge (Wirtschaftskraft, Markt) dazu genötigt. Es gibt auch keine wirklich gleiche Gesetzgebung, da die Länder immer noch eigene Gesetzgebungen haben, auf die das EU-TREcht quasi noch zusätzlich draufgepfropft wird, was als weitere Nötigung empfunden wird. Politiker versuchen, diese Strömungen zu ignorieren, weil sie die höhere Idee sehen und was sie allen bringt, das (vor allem "einfache") Volk hingegen fühlt sich übergangen. Obwohl es bei den Beitrittswahlen also Mehrheiten gab (oft genug sauknapp), mangelte es weitgehend an innerer Überzeugung.
Deshalb funktioniert es nun nicht: Je mehr Restriktionen und Druck von außen (Tut eure Pflicht, nachdem ihr auch die Vorteile genossen habt!), desto stärker wird in den Ländern die Opposition, die das alles ohnhin nie so recht wollte oder sogar rigoros ablehnt. Folge: Regierungen, die nur noch pro forma so tun, als wären sie Teil einer Gemeinschaft - eben wie Volksschukinder: Zusammengewürfelt in einer Klasse tun sie so lange so,als wären sie brav, bis der Lehrer weg ist oder die Autorität verliert - dann herrschen wieder die soziopathischen Rüpel, und die Pausenclowns lenken davon ab.
Wie gesagt ... es wird noch seeehr lange dauern, bis die Menschheit erwachsen wird! ::) :'(
Sehr gern gelesen! :)
LG, eKy
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Hi ihr beiden,
zum Thema hätte ich noch viel zu sagen, kann aber zurzeti nur ganz schlecht schreiben.
Erich, dass du meine Reime ein kleines "Meisterwerk" nennst, freut mich sehr.
LG Fridolin
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Hi!
Ein Leser hat angeregt, das Gedicht noch um einen Zweizeiler zu einem Sonett zu erweitern. Nun verlangt ja ein Sonett in allen Zeilen fünf Hebungen, außerdem ist der Paarreim verpönt. Aber ich müsste es ja nicht als Sonett bezeichnen. Wir findet ihr diesen Schluss:
Bleibt Hoffnung noch, das Eis zu wenden,
um nicht in Braun, wer weiß, zu enden!?
LG Fridolin
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Erste Klasse!
Neu einstellen!!!
Wiesengrüße
von
Cyparis