die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Wo Enzian und Freiheit ist => Thema gestartet von: Erich Kykal am Januar 25, 2017, 13:07:53
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Durch tiefen Schnee muss man zum Brunnen steigen,
die Schalen ragen reglos in den Winter,
die Marmorfische sprudeln nicht, und hinter
den leeren Mäulern nistet kaltes Schweigen.
Der lichte Vorhang steigender Fontänen,
wie traurig fehlt er dem ergrauten Bilde,
und ihrer blauen Wasser weiche Milde
der harten Stille solcher Winterszenen!
Man stapft vorbei und zieht den Kragen enger,
vermisst die Tropfenspiele der Kaskaden,
das helle Zwitschern trauter Minnesänger -
und sehnt sich fröstelnd weiter nach den Zeiten,
da Kinder wieder ihre Füße baden
und Paare Arm in Arm vorüberschreiten.
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Hallo Erich,
wundervolle Zeilen. Rilke hätte es nicht vollendeter schreiben können. Beim Lesen fröstelt es mich . Doch erwecken deine Zeilen auch die Vorfreude auf den Frühling in mir.
Ich lese und erlebe es. Dafür mein Dank,
LG. Copper
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Hi Copper!
Vielen Dank für das Kompliment mit Rilke - eine besondere Ehre für mich! :)
LG, eKy
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Hallo Erich,
das Gedicht weckt wieder die Gefühle, die ich sie neulich im Bayreuther Schossgarten hatte, als Schnee um die schweigenden Brunnen lagerte. Der Bogen zu den Bildern im Sommer ist wirkungsvoll gespannt.
Toll gemacht.
LG gummibaum
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Hi Gum!
Nicht mein erstes Brunnengedicht, und nicht mein erstes über Winterbrunnen. Möglicherweise aber das erste in Sonettform ...
Das Bild hat mich immer schon fasziniert. Im Gegensatz zur nur schlafenden Natur erscheint der verschneite Brunnen dysfunktional und tot, all seines Zaubers beraubt. Die Illusion der natürlichen Quelle funktioniert nicht mehr - nur ein von Menschen gemachtes Ding, ein der Natur aufgezwungener Fremdkörper, der ohne ihn nicht existent sein kann, keine Daseinsberechtigung hat. Was bleibt, sind seltsam deplatziert wirkende Relikte, die unter dem Schnee der Zeit verschwinden ...
Nur so lange es Menschen gibt, erwacht auch der Brunnen wieder zu behauptetem Leben, tröstet das Bild wie die immer neu erwachende Natur. Ein Faszinosum!
Vielen Dank für deine lobenden Worte! :)
LG, eKy
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Deine Gedanken um das artifizielle Leben und Sterben des Brunnens gefallen mir.
LG g