die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Erich Kykal am August 26, 2017, 13:54:22

Titel: Tor
Beitrag von: Erich Kykal am August 26, 2017, 13:54:22
Ein Tor ins Nichts, so scheint es, wie von nichts gehalten,
gestützt und fortgesetzt, als wäre sein Bestehen
in einer andern Welt, die wir von hier nicht sehen,
erklärlich nur in dort sich wandelnden Gestalten:

Ein Tor in alles also, was wir dort ersehnen -
zum Ufer eines Sees genauso wie zur Quelle
des Lebens und des Sinns, den wir an solcher Stelle
begreifen wollen und unsäglich wichtig wähnen.

Was also wird uns Wahrheit, wenn wir dorthin streben,
was ist uns Wirklichkeit und wohin mag sie führen?
Ich schreite durch das Tor und kann es beinah spüren:
Aus meinen Schritten wächst ein unbekanntes Leben.


Erklärung: Das Gedicht entstand zum Bild einer in einer hohen, verwilderten Wiese einsam mitten auf einem Pfad stehenden gerahmten Lattentür, ohne Zaun links und rechts, der ihr einen Sinn verliehen hätte. Sie soll wohl nur die Grenze eines Seegrundstücks markieren ...
Titel: Re: Tor
Beitrag von: Agneta am August 27, 2017, 11:23:12
sehr philosophisch hast du den optischen Eindruck interpretiert in deinem zauberhaften Werk, lieber Erich. Ich habe auch zwei Werke zu diesem "Bild" geschrieben, werde sie auch hier einstellen.
Der Weg und das Tor hier als Lebensweg, aus dem Neues erwächst durch den Wechsel in ein neues Umfeld, so lese ich es.
Sehr gerne gelesen mit lG von Agneta
Titel: Re: Tor
Beitrag von: Erich Kykal am August 27, 2017, 11:46:55
Hi Agneta!

Zu Bildern fällt es mir leicht, Gedichte zu schreiben, das ist bei den meisten meiner Werke der Auslöser.

Und bei manchen Bildern, so wie diesem, drängen sich die Gedanken geradezu auf ...

Vielen Dank für das Lob!  :) Ich bin schon auf deine Interpretationen "drüben" gespannt!

LG, eKy
Titel: Re: Tor
Beitrag von: Günter am August 31, 2017, 11:00:14
Lieber Erich,
ein Blick in die Tiefen menschlicher, unfassbarer Sehnsüchte.
Philosophie, Fantasie und sogar religiöse Gedanken haben darin Platz.
Ich bin begeistert!
Herzlichst Günter
Titel: Re: Tor
Beitrag von: Erich Kykal am August 31, 2017, 17:40:03
Hi Günter!

Nur eine kleine philosophische Bildbetrachtung ...  - immer bescheiden bleiben!  ;) :)

Vielen Dank für die lobenden Worte!  :)

LG, eKy
Titel: Re: Tor
Beitrag von: cyparis am September 01, 2017, 17:02:56
Lieber Erich,


was Gustav Meyrink mit seinen spirituellen Romanen schafft, legst Du in ein Gedicht.
Hier sehe ich eine sehr starke  Gemeinsamkeit, da Dein Gedicht ungemein deutlich daran erinnernde Bilder birgt.
Hab Dank für die Bereicherung

von
Cypi


Statt "unsäglich" gefiele mir das lyrische unsagbar weitaus besser.
Titel: Re: Tor
Beitrag von: Erich Kykal am September 01, 2017, 19:37:46
Hi Cypi!

Du hast recht, aber dieses "unsagbar" habe ich schon so oft verwendet, dass es sich bei mir etwas abgenutzt hat. Wenn man das "ä" von "unsäglich" extra tief und lang ausspricht, macht es auch was her, und gar so unlyrisch finde ich dieses Wort gar nicht ...

Den Meyrink kenne ich nicht, und ich kann mir auch nichts unter "spirituellen Romanen" vorstellen - aber sie klingen von der Bezeichnung her schon wie etwas, das ich nicht lesen möchte ... ::) Und wenn sich der Inhalt in einem dreistrophigen Gedicht ausdrücken lässt, liege ich damit vielleicht gar nicht so falsch ...   ;)

Vielen Dank für den lieben Kommi!  :)

LG, eKy
Titel: Re: Tor
Beitrag von: cyparis am September 02, 2017, 12:37:31
Hast recht, lieber Erich -

das ä läßt sich durch eine besondere Betonung vertiefen und dehnen sowieso, was bei unsagbar  nicht so leicht zu bewerkstelligen ist.
Im Grunde treffen auch beide Ausdrücke zu.

In diesem Sinne -

Cypi