die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Wo Enzian und Freiheit ist => Thema gestartet von: Erich Kykal am Februar 21, 2018, 12:20:31
-
Nacht befällt die Waldesrücken,
und mit düsterem Entzücken
steigen unter alten Steinen
tote Seelen auf, gewahren
neues Leben nach den Jahren
zwischen Erde und Gebeinen.
Und sie tanzen um die Schatten
einer Sehnsucht, die sie hatten,
immerzu wie welke Fahnen,
bis die Geisterstunde endet,
und die Dunkelheit sich wendet
nach Auroras erstem Ahnen.
Manche winden sich zu lange,
aschen wird die hohle Wange,
immer fahler, immer schmäler,
und wie bang und ohne Namen
sinken jene, die entkamen,
haltlos in die Hügeltäler.
Traurig sickern ihre Rahmen
in den Grund, daher sie kamen,
vor der Ewigkeit verborgen,
und von Osten mündigt sicher,
immer lichter, königlicher
leuchtend sich der neue Morgen.
-
Hi Leute!
Ich lifte das hier mal frech. Beißt mich doch!
LG, eKy
-
Hallo Erich,
schön gruselig, passt zum vorgestrigen Totensonntag.
Bitte erkläre mir : traurig sickern ihre Rahmen ?
Welche Rahmen ?
Eine schöne Reimgeschichte. Als Handlungsort sehe ich vor mir einen alten, nicht gepflegten Friedhof am Hang einer Waldlichtung.
Es steigen nachts Tote aus den Gräbern und sie kehren wieder dahin zurück, kurz vor der Morgendämmerung.
Einige jedoch verpassen diese Rückkehr und ihre Gebeine zerfallen zu Staub.
Gruß, Copper.
-
Hi Cop!
Mit den Rahmen sind ihre Konturen gemeint.
Traurig sickern die Konturen
in den Grund, aus dem sie fuhren,
Diese Version kam mir unpoetischer vor, daher mein Versuch. Zu unverständlich?
LG, eKy
-
Phantasievolles Geister-Gedicht, lieber Erich.
Die Toten werden hier offenbar von ihrer alten Sehnsucht zu Lebzeiten zum Tanzen gebracht. Ein zu langes Verweilen wird bestraft; sie werden in ein Nichts aufgelöst. Ein schönes Reimschema hast du gewählt.
Sehr gern gelesen.
LG g
-
Hi Gum!
Mir stand zugleich auch das Gleichnis von nächtlichen Nebelfetzen vor Augen, die morgens in die Täler sinken und von der Sonne aufgelöst werden - aber natürlich kann man es auch als reine Spukgeschichte lesen.
Danke für die lobenden Worte. Ich wollte einen weichen, schwebenden, fließenden Duktus erzeugen, deshalb dieses Schema.
LG, eKy
-
Hallo Erich,
ich kann nur für mich sprechen. Rahmen ist mir zu allgemein. Eindeutiger sind die Konturen.
Deshalb finde ich Deinen ersten Gedanken besser und nicht weniger poetisch.
Aber ich kann nur für mich sprechen. Lass Dein Gefühl entscheiden.
Auf Anhieb verständlicher wäre der Konturenreim.
Gruß Copper
-
Hi Cop!
Gute Poesie versteift sich nicht auf bestimmte Begriffe oder eng begrenzte Bedeutungsrahmen. Sie erschafft sogar neue Auslegungen und Bedeutungen für einzelne Begriffe. Aus meiner Sicht liegt der 'Rahmen' dem gesuchten Bild nicht so ferne, dass man nicht verstehen könnte, wie es gemeint ist, und es ist eine sprachliche Abwechslung, vielleicht sogar eine Bereicherung.
LG, eKy