die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Verbrannte Erde => Thema gestartet von: Erich Kykal am Mai 28, 2018, 19:10:03
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Den Bug zerschunden von den Kollisionen,
die keinen stören, fährt das Narrenschiff
mit allen, die es wie ein Volk bewohnen
und sich verschaukeln lassen, Richtung Riff.
Der Mann am Steuer sieht den Kurs verschwommen,
die Brille in der Hand, doch in Gedanken.
Der Maschinist erbricht sich, liegt benommen
von Abgas hustend auf den morschen Planken.
Der Ausguck schreit sich unablässig heiser,
doch niemand hört auf ihn, den Ungelenken.
Zur Nacht erst wird er endlich etwas leiser -
Gefahr kann jeder sich ins Dunkel denken.
Und die Matrosen spielen trunken Fangen
mit irgendetwas, das sie kaum erkennen,
und alle Lieder, die sie früher sangen,
verschweigen sie, wo sie vor Geilheit brennen.
Bei voller Fahrt lässt man den Anker fallen
und wettet lüstern, wann die Kette bricht,
und während Gläubige von Eden lallen,
verbirgt ihr Gott beschämt sein Angesicht.
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Lieber Erich,
sehr schön! Das Verhalten an Deck wirkt grotesk, aber auch komisch, denn man erkennt leicht die Situation einer irrational ins Verderben steuernden Menschheit wieder.
Das Narrenschiff ist ja altes Motiv dafür.
Mit Freude gelesen.
LG gummibaum
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Hi Gum!
Der Tanz auf dünnem Eis, während nebenan der Vulkan ausbricht ... - um ein anderes Bild zu bemühen.
Unsere Gesellschaftsordnung wird in der jetzigen Form vielleicht noch drei Jahrzehnte durchhalten - dann werden die Handwerker unbezahlbar, die Spritpreise astronomisch, zu wenig Junge müssen zu viele Alte erhalten - das Sozialsystem wird unfinanzierbar. Die Wetterschäden werden weiter zunehmen, die Ernten unberechenbar, die Versicherungen zahlungsunfähig.
Kurz - unsere Welt wir untergehen. Aber wir tanzen - oder steuern das havarierte Schiff - munter weiter, als wäre nichts am Horizont zu sehen!
LG, eKy
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ja, metaphorisch gut gestrickt, liber Erich. Auch der Seelen-Verkäufer in Bezug auf Glauben ist gut gewählt.
Absurd, und dennoch Realität in unsrer Welt, dem Narrenschiff und interpretierbar auf viele aktuelle Situationen.
Die Dummheit der Besatzung springt einen förmlich an.
Sehr gerne gelesen mit lg von Agneta
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Hi Agneta!
In der ersten und letzten Str. kommen auch männliche Kadenzen vor, um den Text sozusagen beidseitig zu schnüren - als Gesamtpaket ... ;D
Vielen Dank für das freundliche Echo! :)
LG, eKy
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Lieber Erich,
Brandt, E.A.Poe und A. K. Porter verwoben in ein grandioses Gedicht - einmalig.
Man sieht nicht nur die Szenerie, nein, man riecht sie förmlich.
Auf einen Deiner Kommentare möcht ich später ausführlicher eingehen.
Daumen hoch
von
Cyparis
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Hi Cypi!
Das Gedicht erinnert mich an eine satirisch/politische Karikatur, die ich einmal sah - oder wurde von diesem Bild inspiriert.
Schön, dass ich die lyrischen Bilder offenbar so nah vermitteln konnte! :)
LG, eKy