die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Zwischen Rosen und Romantik => Thema gestartet von: Erich Kykal am Juni 12, 2019, 18:41:29
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Berühre nicht den Staub auf meiner Seele!
Erkenne ihn, doch schreibe nichts hinein.
Und hast du das Kommando auch allein -
gib keiner meiner Seiten je Befehle,
dann kann ich frei und dennoch bei dir sein.
Berühre nicht die Haut auf meinen Wunden!
Streich nur mit deinem Atem drüber hin,
als teilten wir uns einen Lebenssinn,
dann fühlst du dich zutiefst mit mir verbunden
und magst begreifen, wer ich wirklich bin.
Berühre nicht die Wasser meines Lebens!
Ich schöpfe gern für dich, was du verlangst,
und aller Widersinn und alle Angst
verglimmen in der Geste dieses Gebens,
an welcher du mit allen Sinnen hangst.
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Hey eKy,
das Gedicht ist wunderschön. Insbesondere gefällt mir direkt der erste Vers. Der "Staub auf der Seele" des lyrischen Ichs ist eine fabelhafte Metapher. Ganz grundsätzlich lese ich aus S1 das Idealbild einer wundervoll gleichwertigen Beziehung hinaus, das sich im Gedicht allerdings bis S3 etwas auflöst.
Vielleicht würde ich das "dennoch" in S1 V5 durch ein "daher" austauschen. Das ist aber meiner persönlichen Interpretation geschuldet.
Handwerklich muss man bei dir ja eh nichts mehr anmerken,
liebe Grüße
Jana
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Hi Jana!
Das bin eben ganz "ich"! Je "emotionaler" jemand mit mir wird, desto distanzierter werde ich - vollautomatisch sozusagen!
Ich bin wie ein Vogel, dessen Käfigtür immer offen bleiben muss - wer sie schließen will, verliert mich.
Nähe führt zu emotionaler Abhängigkeit, und diese führt zwangsläufig zu Enttäuschung und Leid bei einem - oder beiden. In jedem Fall aber werde ICH irgendwann ein Weh verursachen, ohne es zu wollen, eben weil ich nicht so innig lieben kann. Dessen will ich mich nicht schuldig machen.
Das will das obige Gedicht zum Ausdruck bringen.
LG, eKy
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Toll, lieber Erich,
vielleicht half dir die Berührungsängstlichkeit, das Besondere einer nicht vereinnahmenden Liebe so gut formulieren zu können.
Chapeau und liebe Grüße
gummibaum
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Hi Gum!
Das hast du schön gesagt! :)
LG, eKy
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Hallo Erich,
sehr schöne Poesie.
Ich schwanke noch ob es ein philosophisches oder eher ein Liebesgedicht ist.
Gern gelesen
wolfmozart
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Hi WM!
Vielen Dank für das Lob.
Philosophie oder Liebe - ich denke, es ist von beidem etwas. ;)
LG, eKy
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das ist ja ein zauberhaftes Gedicht, lieber Erich über einen Menschen, der lieben möchte und dennoch frei sein und bleiben. Gerne wird das vom anderen als lieblos empfunden, leider manchmal auch zu recht. Dennoch: Ob ein Partner die Wunden jemals heilen kann, die dazu geführt, ist eine Frage von Vertrauen. Nur, wer sich zunächst an die Regeln des Prots hält, mag vielleicht weiter vordringen in seine Seele.
Irgendwie erinnert mich das Gedicht an mein neues, scheues Kaninchen. Irgendetwas muss ihr geschehen sein, muss sie erlebt haben. Sie lässt sich jetzt nehmen, will aber rasch wieder weg. Sie läuft hinter einem her, aber will man sie fest drücken, haut sie ab. Sie kommt, gibt Küsschen und sobald man sie an sich drückt, ist sie fort...Vielleicht halte ich mich also zunächst mal an Mümmlis Regeln. Vielleicht wird sie dann anschmiegsamer.Lächeln
Mit viel Empathie und lG gelesen von Agneta
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Hi Agneta!
Vielleicht - man kann nur hoffen. Manche Tiere sind rein vom Charakter her eher "unknuddelig" veranlagt, manche überwinden ein erlebtes Trauma auch nie so ganz. Meine (einzige) Katze Mädi war so eine: ich hatte sie aus dem Tierheim und nahm sie, weil sie so klein und schön war (heller Grautiger mit schwarzen Pfotenballen), aber sie muss irgendwas Schlimmes erlebt haben. Ganz zutraulich wurde sie nie in ihren ganzen 17 Jahren, weder zu Menschen, noch zu Artgenossen ...
;) Aber wie Busch schon wusste:
"... doch die Liebe per Distanz,
kurz gesagt, missfällt mir ganz!"
LG, eKy