die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Ach Natur Vergissmeinnicht => Thema gestartet von: Erich Kykal am September 05, 2019, 15:38:56
-
Plötzlich fast bezogen Schatten
bleiern das entrückte Blau,
machten Fernen ungenau
und verdunkelten die Matten.
Wolkig ragten ernste Riesen
grau gegürtet über Land,
beugten sich am Himmelsrand
tiefer, wo die Winde bliesen.
Ihre Donnerstimmen brüllten
Regen durch die Luft herbei,
nieder ging er wie ein Schrei
in den Tag, den sie verhüllten.
Prasselnd stießen ihre Hände
tief in alles ringsumher,
so als prüften einmal mehr
sie Konturen im Gelände,
wissen wollend, ob die Werke
kleiner Menschen weiterhin
minder wären, ohne Sinn
für das Ausmaß ihrer Stärke.
Und mit ihrem Schluss zufrieden
zogen sie nach Osten ab,
doch ihr Segen fiel herab
Stunden weiter noch hienieden.
-
Hi eKy!
Ein gewaltiger Aufmarsch der Naturgewalten mit mächtigen Wörtern in Szene gesetzt! Nur in der allerersten Zeile bin ich kurz gestolpert, weil ich "bezogen" erst als Parizip aufgefasst und deshalb bleiern in Z2 als ein neologistisches transitives Verb ("die Schatten bleiern das Blau") gelesen habe... nach nochmaligem Ansetzen ist dann der Groschen gefallen. :)
Was mir aber ganz besonders gut gefallen hat, ist die verschmitzte letzte Strophe, die durch eine deutliche Ironisierung das Pathos lockert. :)
Lg!
S.
-
Hi Suf!
Alle Giganten machen das so: Immer schön drauf achten, dass die andern kleiner bleiben! >:D ;D
So Stimmungsbilder mit Wetter mach ich gern ab und zu, hier mythisch befrachtet wie alter Sagenschatz und Volksmärchen. Ich denke auch an den Kampf der Steinriesen aus "Der Hobbit" ...
Also, meine Lesart der ersten beiden Zeilen ist auf jeden Fall die simplere als deine überaus komplexe Fehlinterpretation! In welchen Gefilden schwebst du sprachlich denn so? ;) :o
Vielen Dank für deine Gedanken! :)
LG, eKy
-
Gefällt mir sehr gut, lieber Erich.
Kernig in der Wortwahl, realitätsnah und dynamisch durch Trochäus, Kursvers, Satzbau und sprechende Verben. Hinzu kommt die Personifizierung der Wolken als Riesen, was die Vorgänge lebendig macht.
Mit Freude gelesen
LG g
-
Hi Gum!
Dachte mir schon, dass das ganz auf deiner Kinie des Personifizierens liegen würde! :)
Vielen Dank!
LG, eKy
-
ein wortgewaltiges, wunderbares Gedicht, lieber Erich über die Macht der Wolken. Seltsamerweise musste ich zunächst an einen Ozeanriesen denken, ein Kreuzfahrtschiff, das beinah ein kleines Hafenhaus umstößt.
Ich habe in einem Gedicht solche Wolken mal als Wolkenschiff bezeichnet. Vielleicht kam mir deshalb der Gedanke.
Würde aber auch pasen.
Sehr gerne geschwelgt von Agneta
-
Hi Agneta!
Vielen Dank für die Zeilen zu diesem älteren Werk.
Das mit dem Wolkenschiff ist kein Fehlschluss - man kann ja alles in den Formen erkennen, und ich erinnere mich an ein eigenes Werk, in dem ich die Wolken selbst mit Galeonen mit geblähten Segeln verglich.
Hier allerdings standen mir diffuse Riesen vor Augen, deren Regenfinger über das Land tasten, um zu spüren, ob die Menschen immer noch schwach und beherrschbar sind.
LG, eKy