die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Erich Kykal am November 19, 2020, 11:03:27

Titel: Die Reinheit der Leere
Beitrag von: Erich Kykal am November 19, 2020, 11:03:27
Mächtig schäumt dein heißer Wille,
macht sich wichtig, hart und laut!
Wann durchmisst dein Gang die Stille,
die sich selbst genügt und baut?

Polternd greifst du in die Leben
um dich her wie ohne Maß!
Wann erlernt dein Hinbestreben,
was dein Kern von je besaß?

Oberflächlich musst du gelten
wie ein Kind, das sich nicht fügt!
Wann erkennst auch du die Welten,
darin man sich nicht betrügt?

Traurig scheiterst du an Schatten,
die dein fester Gaube warf!
Wann begreifst du, dass wir hatten,
wessen je ein Mensch bedarf?

Dass wir aus uns selbst erblühen,
wenn wir wissen, dass die Welt
uns nur spiegelt, das Bemühen
um Erkenntnis, die uns hält.

Das Bemühen um das Wesen,
das in allen Dingen ruht:
Wesenlos nur kann genesen,
was von Dauer ist und gut.
Titel: Re: Die Reinheit der Leere
Beitrag von: gummibaum am November 20, 2020, 12:35:01
Lieber Erich,
 
eine anmutige Zergliederung des Erkenntnisprozesses.

Es muss nicht wieder Trump sein, der angesprochen wird, denn es gibt viele oberflächliche Polterer, die kein tieferes Verständnis erlangen; weder von sich noch von anderen.
Die vorletzte Strophe musste ich mehrmals lesen, um zu verstehen, dass "Dass wir aus uns selbst erblühen...das Bemühen um Erkenntnis, die uns hält." zusammengehört. Der Schluss über Wesen und Wesenloses gefällt mir besonders.

Sehr gern gelesen.
Grüße von gummibaum


Titel: Re: Die Reinheit der Leere
Beitrag von: Erich Kykal am November 20, 2020, 15:32:30
Hi Gum!

Ja, ein Trump ist nicht immer gemeint. Es genügt, in die eigene Jugend zu blicken, wo man unreif und impulsiv war, und der Intellekt nur dazu diente, sich die im Affekt begangenen Taten hinterher schön zu reden oder zu rechtfertigen.  ;) ::) Wo wichtig war, was die anderen von einem dachten, wo man gelten wollte, bewundert, hoffiert, weil man dachte, das wäre ein ehrbares Lebensziel!  ;D :o Wo man nach Reichtum und/oder Macht strebte, um die Löcher im Innersten zu stopfen, und lang nicht erkannte, dass diese bodenlos waren!
Wo man an festen Glaubenskonstrukten und rigiden Denkrastern und unnötig strengen und/oder sinnfreien Regelwerken festhielt, weil man insgeheim Angst hatte vor freien Gedanken ohne Netz und doppelten Boden!  >:D

Das Gedicht beschreibt den - langsamen - Prozess der Lebensreifung, mit einen Hauch Buddhismus zum Ende.  8)

Vielen Dank für deine Beschäftigung mit diesem Textlein!  :)

LG, eKy