die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Sprüche, Gedanken, Gescheites => Thema gestartet von: AlteLyrikerin am Januar 21, 2021, 12:49:46
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Dem Blinden, der die Rosenpfade meidet,
weil dornenvolle Wege zu beschwerlich sind,
dem bleibt die Rose ohne Sinn - falls nicht der Wind
das Rosenwort mit zartem Duft umkleidet.
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Hi AL!
Super geschrieben, schöne philosophische Wahrheit! :)
Nur in der letzten Zeile musste ich absetzen und studieren, was nun exakt mit dem "Rosenwort" gemeint war Anfangs dachte ich nämlich, der Duft WÄRE das Rosenwort, lyrisch umschrieben. Ich finde, das könnte man klarer für den Leser machen und zudem die Wortwiederholung von "Rose" vermeiden:
"das nackte Wort ..." (ev. das kalte Wort, das starre Wort, ... harte, kühle, dürre, karge, ...)
Sehr gern gelesen! :) (Ach, warum nicht länger? ;))
LG, eKy
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Hallo zusammen,
ich lese das Gedicht als Situation und als Alternative, die Blinden angeboten wird, weil sie Rosenpfade meiden.
Dabei unterstelle ich, dass Blinde nicht wirklich blind sind, sondern ignorant. (Eine Form der Blindheit, da mit Scheuklappen verbunden.)
Bei Rosenwort denke ich an Rose Ausländer, die das Wort erfunden (?) hat.
Meiner Ansicht nach meint das Rosenwort mehr, als bloß ein nacktes Wort. Eine Rosenwort hat mehr zu bieten als Dornen. Und um dieses Mehr geht es.
Euch einen schönen Abend
Rocco
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Hi Rocco!
Ich widerspreche: In zumindest diesem Satz geht es dem Sinnzusammenhang nach sogar ganz exakt um den "nackten" Wortlaut, der erst durch die Umkleidung mit der Rose Duft, herbeigetragen durch den Wind, im Erkennen und Befreifen des Blinden zu ebenjenem "Mehr" wird, das du ansprichst.
LG, eKy
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Hallo Erich hallo Rocco,
herzlichen Dank für Eure Rückmeldungen zu meinem kurzen Vierzeiler, den ich irgendwie in der aphoristischen Ecke ansiedeln würde. Rocco hat recht, wenn er meint, dass es nicht nur um die physisch Blinden geht. Erich liegt auch richtig mit seiner Lesart. Wer nicht sehen kann und noch nie eine Rose betrachten konnte, für den ist das Wort "Rose" eine leere Hülse. Aber durch den Duft der Rose gibt es einen Zugang, der sehen nicht erforderlich macht. Der Wind ist hier sozusagen der Zuträger der Bedeutung. Dennoch möchte ich Roccos Lesart nicht ausschließen, denn der Text bietet verschiedene Deutungsebenen.
Es geht u.a. um Erkenntnis, die nicht dem Begrifflichen, dem Sichtbaren, dem Begreifbaren direkt zugänglich ist. Der Wind wäre dann die Sphäre des immateriell Geistigen.
Wegen der Wiederholung von "Rose": wie wäre es mit " das tote Wort"?
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Hi AL!
"Tote" wirst du unter den im ersten Kommi von mir gemachten Vorschlägen nicht finden, denn für mich bedeutet das Endgültigkeit - da ist nichts (wieder) zu beleben, auch nicht durch Düfte. Ein totes Wort bleibt bedeutungsleer, der Welt entrückt wie eine tote Sprache ...
Nun, so sehe ich das, was nicht heißt, dass es für alle so gilt. Wenn dir von meinen Vorschlägen nichts gefällt, steht es dir natürlich frei, den Terminus zu benutzen.
LG, eKy
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Der Einwand ist berechtigt. Dann entscheide ich mich für das "nackte Wort". Herzlichen Dank und noch einen schönen Tag, AlteLyrikerin.
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Hi AL!
Beim Lesen der Diskussion will es mir so scheinen (ich habe die Urfassung nicht zu Gesicht bekommen), dass die letzte Zeile von: "das Rosenwort mit zartem Duft umkleidet" in "das nackte Wort mit zartem Duft umkleidet" geändert wurde.
Ich muss sagen, diese Änderung missfällt mir gar sehr, ja sie will mir nachgerade wie eine grobe Entstellung der sonst so wunderschönen Verse erscheinen. :o Schon auf der klanglichen Ebene ist "Rosenwort" mit der Doppel-O-Klammer und der ruhigen Abfolge von Vokalen und Konsonanten ein Genuss, während das "nackte Wort" mit dem schnarrend kurzen a-Laut gefolgt von der klirrenden Konsonantenballung "ckt" vergleichsweise eine akustische Malträtierung am Rande der Körperverletzung darstellt. Und inhaltlich wird das Gedicht durch das "nackte Wort" völlig geheimnislos, während das "Rosenwort" eine Doppelflügeltür zu einem prächtigen Ballsaal aufstößt, in dem die Fantasie in schwerelosen Walzerschritten tanzt. :)
Mit großer Betrübnis gelesen! ;)
S.
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Lieber Sufnus,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Deiner Betrübnis kann abgeholfen werden. Ich kehre reumütig zur Urfassung zurück.
Liebe Grüße, AlteLyrikerin.
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Jetzt empfinde ich zwar vielleicht ein ganz klein bisschen ein schlechtes Gewissen gegenüber Lesern wie unserem eKy, denen wiederum das "nackte Wort" besser gemundet hat, doch meine Erleichterung überwiegt bei weitem, "Rosenwort" ist doch wahrlich Labsal für die Seele! Und man kann es ja nie allen recht machen. :)
LG!
S.