die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Sufnus am August 30, 2023, 11:47:00

Titel: Verglaste Parabel
Beitrag von: Sufnus am August 30, 2023, 11:47:00
Verglaste Parabel

Ach Schmetterling, grob abgeschmettert
von eines Fensters Dreifachhülle,
verlorst des Lebens Wesenfülle!

Wenn Weiches gegen Hartes brettert,
trifft Ersteres das Seinsgeschick
nach den Gesetzen der Physik,

so hemmte denn das Weltenwalten
dein falterfrommes Flugentfalten.
Wie schon berichtet: Abgeschmettert!

Ist solches eines Schöpfers Wille?
Der Leser fühlt die bange Stille,
bevor er eilig weiterblättert.


Titel: Re: Verglaste Parabel
Beitrag von: Erich Kykal am August 31, 2023, 13:19:39
Hi Suf!

Deine Zeilen führen automatisch zu der falsch kausalverknüpften Überlegung, ob das 'Schmetter' in Schmetterling nicht die Ab-'schmetter'-ung schon schcksalshaft in sich trägt. Nun, somit wäre geklärt, wie es zu Weltphilosophien, Religionen oder anders gelagertem Glauben an ein dräuendes Geschick und ähnlichem Firlefanz überhaupt kommen konnte: Fehlerhafte Kausalverknüpfung aufgrund bildungstechnischer Ignoranz.
 ;D ;D ;D

Um den schönen Falter tut es mit leid.

LG, eKy
Titel: Re: Verglaste Parabel
Beitrag von: gummibaum am September 01, 2023, 20:04:57
Eine ganz spezielle Art der Poesie, lieber Sufnus. Und:

Ein schönes Bild für das Scheitern der Träume an der Realität.
 
Die beiden Sphären sind trefflich durch poetische und derbe Sprache (Seinsgeschick/brettert) markiert. Der Wechsel der Sprachebenen bringt Witz und Ironie ins tragische Geschehen. Das wird aber auch dadurch erreicht, dass auf den Bericht eines für den Menschen eigentlich belanglosen Schmetterlingstodes eine erhabene Reflexion darüber folgt und  -da der Vorfall sogar medial erscheint- ein kathartisches Leseerlebnis.

Mit Freude gelesen.

Gruß von gummibaum

Möge der Schmetterlingseffekt das arme Geschöpf rächen und die Realität zum Einsturz bringen!
Titel: Re: Verglaste Parabel
Beitrag von: Sufnus am September 12, 2023, 16:30:46
Hey Ihr Lieben!

Hier bleibt unbedingt noch meine Erfreunis über Eure Kommentare nachzutragen! :)
Du hast natürlich vollkommen recht, lieber eKy, dass eine Herleitung des "Schmetter" im Schmetterling vom "schmettern" eine gewagte etymologische Unternehmung darstellt. :) Die Lyrik, welche ja zum Glück keine Sachwissenschaft ist, pflegt legt naturgemäß eine etwas laxere Attitüde an den Tag.
Spaß hat es mir auf alle Fälle gemacht, in den Zeilen verschiedene Sprachebenen bunt zu mischen - da hast Du ganz richtig drauf hingewiesen, lieber gum! :)
Was nun das Schicksal des Falters angeht, will ich annehmen, dass solche Gesellen, die es in einem Gedicht dahinrafft, keineswegs final aus dem Spiel genommen sind, sondern im schönen Metamorphosistan weiterer Wandlungen harren. :)
Und auf eine kleine Sorgenstelle habt Ihr freundlicherweise nicht hingewiesen... das Wörtchen Physik "spreche" ich in diesem Gedicht "des Reimes willen" offenbar Fü'sick aus, was womöglich Sprachstandardisierer unglücklich machen mag, die einem langen "i" (Fü'siek) den Vorzug zu geben sich geneigt zeigen könnten. Je nun. :)

Danke Euch & liebe Grüße!

S.