die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Erich Kykal am M?RZ 18, 2019, 11:55:33

Titel: Der Preis der Demut
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 18, 2019, 11:55:33
Verworren schien sein Geist an jenen Tagen,
die er verbrachte wie ein Ungetanes,
das sich im Atem eines wirren Wahnes
verborgen hielt, um nichts an Welt zu wagen.

Vereitelt alle Träumerei, so sachte,
so aufgetan ersonnen vor der Schwere,
die ihn befiel wie eine große Leere,
und seine Zuversicht benommen machte.

Er ließ sein Welken in die Stunden ragen,
von denen keine seine Lust berührte,
und wagte nicht, dem Weh zu widersagen,

das die Gedankenlosigkeit bewachte,
die ihn zuzeiten in Versuchung führte,
wenn er bedenkenloser war und lachte.
Titel: Re: Der Preis der Demut
Beitrag von: Curd Belesos am M?RZ 18, 2019, 20:36:25
Moin Erich,

nein, Demut lese ich in den Zeilen nicht, denn sie ist für mich die Einsicht zum Hinnehmen der Gegebenheiten: Eine realistische Selbsteinschätzung meines Wertes in der Welt/ Gesellschaft unter Anerkennung höherer "Geschöpfe". Religiöse Demut schließe ich aus.

Allein deine Wortwahl: Verworren, große Leere, stehen für mich nicht im Zusammenhang mit Demut.

Nach meinem Verständnis ist ein Mensch demütig im Knecht - Bauer Verhältnis, da er abhängig ist und das klar erkennt.

Meiner Lesart nach müsste der Titel in Richtung  "Seelische Erkenntnis" oder "Leere" , "Ausgebrannt" gehen, denn das sind die Gefühle die ich beim Lesen deines Gedichtes empfinde, da es sehr tiefgreifend ein erkennendes Unwohlsein beschreibt.

Win wunderbar geschriebenes Sonett. Danke.

LG
CB



Titel: Re: Der Preis der Demut
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 19, 2019, 00:49:05
Hi Curd!

Gemeint ist hier jene Demut, die man lernt, wenn man in emotionalem oder enthemmtem Überschwang seiner Jugendjahre viele leidvolle Fehler begangen hat, die der eigenen Person oder gar anderen schadeten. Man musste dann lernen, sich selbst zurückzunehmen, zu zügeln. Lieber ein Leben ohne Freuden, als dauerhaft andere Seelen oder das eigene Gewissen zu beschädigen.

LG, eKy
Titel: Re: Der Preis der Demut
Beitrag von: Agneta am M?RZ 19, 2019, 11:07:33
Ein Sonett, das man mehrmals lesen muss, lieber Erich.
Erst mal Tippfehler? V 1, Z. 2 der müsste es nicht die heißen, da es sich auf Tagen bezieht?
Vers 1 ist sehr stark, auch in der Formulierung, Tage, die man verbringt wie ein Ungetanes.
Was aber will uns das Werk sagen in Bezug auf den Titel "Preis der Demut". Diese Verhaltensweise des sprechenden Protagonisten ist also der Preis der Demut. Demut ist ein anderer Begriff für mich als hier gezeigt.
Der Schlüsselbegriff scheint mir hier der wirre Wahn zu sein. Dieser Wahn hat den Prot dazu gebracht , in Jugendjahren anderen Leid zuzufügen. Es geht hier also nicht um Niggeligkeiten der Jugend, dem andren mal die Flamme ausspannen für einen Abend, dumme Jungenstreiche zu machen o.ä., sondern um etwas Schlimmeres, einen Wahn.
Dieses kann vieles sein, schreckt ab. Es kommen Bilder von Gewalt, Taten, die strafrechtlich verfolgt würden.
Insofern scheint mir die Läuterung nichts mit Demut zu tun zu haben. Demut ist für mich eine Art sozialer Bescheidenheit, sich zurücknehmen für andere, sich für andere hergeben. Hier aber ist das Zurücknehmen eher gezwungenermaßen, da die Taten gewichtig wären, siehe oben.
Auch die letzten Verse zeigen eher, dass es sich zumindest um eine erlernte , vielleicht durch Psychologen erlernte Sicht handelt, die dem Prot immer noch weh tut. Das Bedürfnis ist noch immer da, er zügelt es nur. Hat gelernt es zu zügeln. Musste es lernen. Mir fällt hier Anti-Aggressionstraining ein, zurückgekehrte Terroristen oder Sexualstraftäter.
Insofern spüre ich keine Demut, sondern eher eine rational bedingte Maßnahme, sich in diese Situation zu fügen mit einer  darin begründeten Leer

Wie auch immer, klasse geschrieben.
LG von Agneta

 
Titel: Re: Der Preis der Demut
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 19, 2019, 12:10:48
Hi Agneta!

Danke für den Hinweis auf den Fehler in S1Z2.

Demut ist für mich nicht unbedingt religiös zu verstehen. Es gibt auch andere Arten von Demut, wie zB in diesem Fall das sich Zurücknehmen aus besserer Einsicht, das polternde, egomanische, empathielose Wesen zu zügeln. Eine Demut vor der Erkenntnis, dass man kein netter Mensch war, ohne es überhaupt zu merken.

Besser kann ich es auch nicht erklären, aber für mich sind Text und Titel stimmig. Vielleicht sehe ich nach einer Weile, mit mehr Abstand klarer ...

Vielen Dank für deine tiefschürfenden Überlegungen!  :)

LG, eKy
Titel: Re: Der Preis der Demut
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 19, 2019, 17:32:59
Lieber Erich,

verzagte Untätigkeit kann Wirklichkeitsfremdheit und eine kompensierende Träumerei wiederum Zukunftsangst auslösen. Ein Gefühl des Welkens und der Tristesse macht sich breit und wird zum Lebenssinn, der nun behütet wird, bis die Anstrengung zuweilen einem befremdlich wirken Lachen nachgibt. Demut sehe darin nicht.     

Kunstvoll ausgedrückt. Sehr gern, aber (wegen der sich verästelden Sätze) mit etwas Mühe gelesen.

LG gummibaum






Titel: Re: Der Preis der Demut
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 19, 2019, 22:40:18
Hi Gum!

Vielen Dank für deine Gedanken. Ich werde wohl schon wieder zu komplex in meiner Sprachführung, ich muss ab und zu nachjustieren. Wirklich gute Lyrik sollte zwar anregend komplex, aber dennoch wohlverständlich sein.

LG, eKy
Titel: Re: Der Preis der Demut
Beitrag von: Sufnus am M?RZ 20, 2019, 19:42:02
Hi eKy!
Mir gefällt das Gedicht - gerade in seinem etwas raunenden Ton ausnehmend gut, der (bei völliger grammatischer Kohärenz) die Zügel innerer Logik etwas schleifen lässt. Einzige Anmerkung: wäre in Z13 evtl. "zuzeiten" anstelle von "zu Zeiten" etwas eindeutiger in der Aussage?
Sehr gerne gelesen!!!
S.
Titel: Re: Der Preis der Demut
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 20, 2019, 19:51:30
Hi SuF!

Danke für Lob und Einlassungen. Das "zu Zeiten" passt schon, denn erwurde ja zu jenen Zeiten in Versuchung geführt, da er bedenkenloser war und lachte.

LG, eKy