die Lyrik-Wiese

Wiesengeschichten => Erzählungen von Tausend und einem Halm => Thema gestartet von: hans beislschmidt am September 18, 2020, 09:40:09

Titel: Die Wallfahrt
Beitrag von: hans beislschmidt am September 18, 2020, 09:40:09
Nach Santiago de Compostella

Die Atlantikküste oben bei Vigo. Richtiges Rivieragefühl mit Palmen und Straßen direkt am Meer. Kleine Orte mit Badebuchten und vielen Kneipen.

Die Autovia del Cantabrico durchzieht Nordspanien von Ost nach West und nach der Stadt Gijon hat man ein echtes Highway Fahrerlebnis. Die ausgebaute Schnellstraße geht am Meer entlang, überquert große Meeresbuchten, führt hinauf in die Berge bis zur Wolkengrenze – eindrucksvoll. Und vor allem … kaum Verkehr.

Bergtour über A Fonsagrada
Auf dem Rückweg hab ich mir die absolute Kurvenschlacht gegönnt. Von Lugo nach Fonsagrada und Cangas del Dingsbums Der Ort A Fonsagrada liegt ziemlich hoch oben und vom harten Winterwetter leicht mitgenommen. Als Ausgangpunkt für Touren ist er ideal. Da gäbe es einmal die breite Bergstraße – super ausgebaute Straße, vergleichbar mit der Schwarzwaldhochstraße. Ca 80km kaum Verkehr, kann man dort auch richtig heizen. Dann gehen von dort aus jede Menge kleinere Strecken ab aber Vorsicht. Ich hab gedacht ich fahr mir nen Drehwurm nach zwei Stunden Sepentinenfahren. Man wird aber durch riesige Wälder und Seen entschädigt. Kaum ein Auto ist dort unterwegs, ab und zu ein Lieferwagen.

Die Nordspanier sind freundlich und geschäftstüchtig. Alle 40 km gibt es kleinere Servicestationen mit Tankstelle und Cafeteria. Die verkaufen dort auch regionale Produkte wie Wein und Schinken und bei vielen gibt’s ne kleine Küche mit kleinen Gerichten im Angebot. Allerdings sind sie nicht auf Touristen eingestellt wie die Kollegen an der Costa Brava. Ein paar Brocken spanisch sollte man schon können. Das Land macht einen sauberen gepflegten Eindruck, keine Müllberge am Straßenrand.

Die Franzosen (liegt das am Mindestlohn?) sind da eher die Meister des Laisser faire. Wenn man sich in ländliche Gegenden wagt, sollte man schon einen Reservekanister dabei haben. Vor allem am WE sind viele Tankstellen geschlossen. Das Land der rot-weißen Absperrketten! Da kann man schon in’s Schwitzen kommen wenn die Tankanzeige anfängt aufzublinken.

Auf dem Rückweg hab ich auch die Pilger gesehen, nachdem ich am Vortag in Santiago de Compostela nur ausgelassene Kirmesbesucher mit Popcorn und Eistüten getroffen hatte. Auf der Landstraße von Santiago nach Lugo, denn da kreuzt der Jakobsweg oder verläuft parallel zur Straße. Es waren Hunderte und ich kann mich nicht erinnern jemals so viele „Wandersleut“ gesehen zu haben. Gleichzeitig hab ich mich gefragt, wo die alle übernachten sollen. Ich hatte mir die Pilger auch mit großem Hut und Wetterumhang vorgestellt, aber der moderne Pilger sieht anders aus. Sie gehörten meist zur Gruppe 50 Plus und kamen auf Trekkingschuhen und funktionaler Goretex Kleidung daher. Manche kämpften verbissen mit ihren Nordic Walking Stöcken, trotzdem winkten sie zurück, als ich vom Moped aus anerkennend "Daumen hoch" zeigte. Bemerkenswert war auch, dass sie in kleinen Gruppen unterwegs waren, manchmal auch zu zweit oder allein. Kommunikation war bei der Anstrengung wohl nicht möglich, jeder versuchte sein Tempo zu halten. Der Weg ist das Ziel.

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You Tube Bergtour mit Go Pro Helmkamera in Nordspanien
https://www.youtube.com/watch?v=UoN2egTpAUI&feature=youtu.b
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Tour Saarbrücken – Santiago de Compostella

Die Route: Saarbrücken Orleans La Rochelle Bilbao Santander Vigo (Rückweg) Lugo Cangas del Dingsbums Bilbao Pamplona Jaca Lourdes Vichy Dijon Nancy Saarbrücken 4800km (in sechs Tagen)
Nachtrag... die Honda habe ich später an der Costa Brava gecrasht ... Totalschaden.
Titel: Re: Die Wallfahrt
Beitrag von: Erich Kykal am September 18, 2020, 10:13:38
Hi Hans!

Schön das! Bin leider nie bis Spanien gekommen, zumindest nicht auf'm Bike. Und mein Chopper-Totalumbau wäre mit nur ca. 200km Reichweite wohl auch nicht das Richtige dafür gewesen. Die Schweizer, italienischen und österreichischen Alpen hat er aber gut genommen!  ;)

Bin ja seit Jahren kaum noch gefahren, es mangelt an Figur, Gesundheit und Lust - aber immr noch melde ich das Ding jeden Frühling an, in der Hoffnung, mich doch wieder dafür begeistern zu können. Aus der Biker-Szene bin ich seit über 10 Jahren raus, irgendwann hat man die Rockerfeste durch, vor allem, wenn man mit Rauchen und Saufen aufgehört hat ...

Aber einmal Biker, immer Biker! Ich möchte keinen Augenblick davon missen! Einmal alle paar Jahre besuche ich noch eine Party irgendwo in der Nähe, um der alten Zeiten willen, zumindest, so lange es sich gesundheitlich ausgeht.

Bin gerne mit dir gedüst! Danke für die schöne Erinnerung, die viele meiner eigenen getriggert hat!  :)

LG, eKy
Titel: Re: Die Wallfahrt
Beitrag von: hans beislschmidt am September 18, 2020, 16:02:41
Hi Erich,
schade, dass du nicht mehr fährst. Ich hab gelesen, dass Biken die Lebensgeister weckt. Soll mit Gravitation und der Erdachse zu tun haben. Für mich ist es die Hingabe zu einer einzigen Tätigkeit. Die Straße erfordert volle Konzentration, da sollte man sich nicht mal an der Nase kratzen. Keine Ablenkung und den Kopf leer fahren. Als Biker bin ich Einzelgänger. Ich habe ein ungefähres Ziel aber das kann sich unterwegs auch schnell ändern. Ich Buche auch keine Hotelzimmer und meistens klappt es mit der Unterkunft, wobei ich erstaunlich oft in angestaubten Pensionen mit älteren Signoras lande. Wenn man aber Pech hat, muss man auch mal den Schlafsack in der Pampa ausrollen.

Auf meiner Rückfahrt von Korsika hab ich den Jauffenpass gefilmt. Das war ein spannender Trip.
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Einer der bekanntesten Pässe in Südtirol ist der Jauffenpass (2044m) ...

Die Strecke von St. Leonard bis kurz vor Sterzing ist ca. 35km lang und man braucht etwa eine knappe Stunde bei gemütlicher Fahrweise.

Der Filmbeitrag ist auf 11 Min. zusammen geschnitten und vermittelt einen kleinen Eindruck von der Gegend. Es kam mir aber hauptsächlich darauf an, den Streckenverlauf und das hervorragende Handling der SW zu zeigen, denn abwärts geht's schon recht flott - was ein paar Motorradfahrer sicher erstaunt hat.

Also wenig Vorgärten, keine Denkmäler, sondern Kurvenfahren pur. :-)

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https://youtu.be/iuqLX7vkoN0
Titel: Re: Die Wallfahrt
Beitrag von: Erich Kykal am September 18, 2020, 18:59:44
Ich habe vor ca. 25 Jahren mit ca. 30 Jahren eine Tour durch die Alpen gemacht (bevor ich genau jenes Bike, die Yamaha XV 1000, zum Customchopper umbaute, den ich noch heute besitze) - Österreich, Schweiz, Italien, Deutschland. Eine Woche von einem Pass zum nächsten! Mein höchster war das Stilfser Joch von der Schweiz nach Italien! So 2700nochwas Meter, glaube ich ...
In dieser Höche musst du das Gemisch schon ordentlich fett einstellen, damit die Mühle noch zieht ...

LG, eKy
Titel: Re: Die Wallfahrt
Beitrag von: Grüngold am Dezember 12, 2020, 23:56:56
Ich darf von mir sagen, dass ich auch den Jakobsweg gegangen bin.

Etwa 100 Meter in Speyer,  dann 100 Meter in Burgund später einmal 100 Meter  in Asturien, und dann 100 Meter in Santiago.
Aber gegangen bin ich!
Titel: Re: Die Wallfahrt
Beitrag von: Erich Kykal am Dezember 13, 2020, 11:16:35
Einkehr, Selbstfindung und -kalibrierung habe ich beim Wandern gefunden, allerdings war nie ein religiöser Gedanke dazu nötig - oder erwünscht, ebenso wenig wie die gehypte Route der pilgernden Bedürftigkeitsopfer.
Heute egal, denn mehr als ein paar Kilometer würd ich eh nicht mehr schaffen ...  ::) :(

LG, eKy
Titel: Re: Die Wallfahrt
Beitrag von: Grüngold am Dezember 13, 2020, 13:54:55
Speyer als Ausgangspunkt einer der vielen Jakobswege kann ich   empfehlen. :)