Beiträge anzeigen

Diese Sektion erlaubt es ihnen alle Beiträge dieses Mitglieds zu sehen. Beachten sie, dass sie nur solche Beiträge sehen können, zu denen sie auch Zugriffsrechte haben.


Themen - Erich Kykal

Seiten: 1 [2] 3 4 ... 88
16
Wo Enzian und Freiheit ist / In den Wind gereimt
« am: Januar 03, 2024, 12:49:35 »
Ungestümer Wolkenstürmer,
Wind, der in den Ästen weint,
lass, mit deinem Sang vereint,
mich dem Niedergeist der Würmer,
die sich winden, welk und klein,
endlich mit enthoben sein!

Nimm mich fort aus stumpfer Mitte
Wartender, die nicht mehr träumen,
nur noch in den Keller räumen,
was des Anstands Hut und Sitte
zu Verworfenem entheiligt,
träge, feig und unbeteiligt.

Trag mich in ein Abenteuer,
locke mich mit deinem Brausen,
dass mir all die alten Flausen
wieder kostbar sind, und neuer
Horizonte Wagemut
mich belebe, rein und gut!

17
Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Destruktives Vergessen
« am: Januar 02, 2024, 10:41:35 »
Wir bauen für die Welt von morgen
so bar der gestrigen Lektionen,
um unsre Kinder zu verschonen
mit alter Sünden greisen Sorgen.

Wie falsch dies ist, beweisen Taten
der nach uns Kommenden zu spät:
Der Zorn, den alte Dummheit sät,
hat unser Wollen längst verraten.

Jetzt darf man wieder 'völkisch' denken,
ruft ungestraft den 'starken Mann',
der sie alleine retten kann,
die Wärme nicht noch Gnade schenken.

Der alte Hass, die jungen Hasser
vereinen sich zu neuer Lehre,
dass diese Erde besser wäre,
wenn Blut sie tränkte, so wie Wasser.




Welchen Sinn haben ständige Hitlerdokus im TV, wenn wir im Internet zulassen, dass auf unzähligen rechten Foren jene Zeit glorifiziert und himmelschreiende Geschichtsfälschung betrieben wird?
Welchen Sinn macht ein gesetzliches Verbot zur 'Wiederbetätigung', wenn wir das gleiche kranke Gedankengut in neuen Parteien zulassen, bloß weil sie sich nicht mehr 'Nazis' nennen?
Wozu die ständigen Aufrufe zu Jubiläen des Grauens wider das Vergessen, wenn unsere Kinder längst mit eigenen Versionen ihrer Vergangenheit indoktriniert wurden, von Leuten, die alles andere wollen als eine freie Demokratie?
Seid ihr wirklich so blind, ihr Verantwortlichen da oben, dass ihr die Zeichen der Zeit ignoriert – oder habt ihr längst aufgegeben und verwaltet nur noch den moralischen Niedergang zu euren eigenen Gunsten, weil ihr wisst, dass ihr Volkes wahre, aber bildungsferne Stimme längst verloren habt durch die Korruptheit jener, denen ihr leichtfertig eure Reputation mit anvertrautet?

Noch wäre es nicht zu spät für ein paar tatsächlich wirkungsvolle neue Gesetze zum Schutze der Demokratie, welche die Gefängnisse mit den richtigen Querschädeln füllen würden, wenn ihr es wirklich ernst meintet. Oder heißt ihr als allzu gutmenschelnde Biedermänner längst jene willkommen, die euch das Dach über dem Kopf anzünden werden, wohlwissend, dass es geschehen wird, und sagt ihnen auch noch, wo die Zündhölzer liegen, um nur bloß keinen Ärger zu bekommen, weil ihr womöglich zu unhöflich oder 'intolerant' wart?
Was diese Agitatoren der inneren Kälte verbreiten, leben und predigen, ist Dreck, und wer den Dreck wegräumen will, muss sich eben die Finger schmutzig machen. Erinnert euch rechtzeitig – oder geht irgendwann unter wie die Weimarer Republik.



18
Verbrannte Erde / Mein Begräbnis
« am: Dezember 31, 2023, 19:02:11 »
Es soll regnen ohne Ende,
nur die Urne, der Bestatter,
werden unter Wolken feucht,
wenn der Gleichmut fremder Hände
mich dem knochigen Gevatter
zu vertrauten Händen reicht.

Niemand soll am Grab erscheinen,
einsam, still und sinnentleibt
durch der Jahre Weiterstreben.
Denke jeder an die Seinen,
während Zeit den Stein zerreibt,
wie im Tode, so im Leben,
bis kein Name zu beweinen
dort zu lesen übrig bleibt.

19
Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Sic transit gloria mundi
« am: Dezember 23, 2023, 12:55:34 »
Und als ich wanderte durch die Wüste,
erreichte ich eine einsame Quelle.
Darüber stand eine marmorne Büste
wie selbstverständlich an dieser Stelle.

Und als ich trank unter ihren Blicken,
da war mir, als sollte ich sie erkennen,
und unter allen verlornen Geschicken
erwählt sein, ihren einstigen Namen zu nennen.

Und ich legte mich an den Wassern nieder
und träumte von nichts außer schattigen Bäumen,
und nach einer Weile erwachte ich wieder
und ging davon, um woanders zu träumen.

Und ich wanderte weiter durch die Wüste,
und meine Tage waren einsam und leer
Und irgendwo hinter mir lag diese Büste,
und ich lebte weiter und erinnerte mich nicht mehr.

20
Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Traumwandeln
« am: Dezember 13, 2023, 10:49:28 »
Traumwandeln I

Am Ufer stehend sah ich übers Wasser,
das schwarz und ölig unter Wolken stand,
die dräuend wogten, wo ein Wind sie fand,
und meine Züge wurden merklich blasser.

Ein Boot erschien wie von Magie gezogen
und legte zwischen kargen Gräsern an.
Darinnen stand ein schwarz verhüllter Mann,
den Stab gleich einem Sensenschaft gebogen.

Er hielt mir stumm die blasse Hand entgegen,
als wäre meine Fahrt beschlossne Sache.
Ich zwickte mich und rief mir zu: Erwache!

Ich lebe noch, und meine Träume legen
mir die Gedanken nah, die ich mir mache,
erkenne ich der Bilder Trost und Segen.



Traumwandeln II

Ein dichter Wald umsäumte meines Pfades
verwachsne Ränder wie ein dunkles Omen.
Ich schritt durch Blätterhallen wie in Domen
und Schatten aus dem kalten Maul des Hades.

Die Luft war frostig, und es roch nach Erde
gleichwie nach Schicksal, das dem Wandrer dräute,
der jeden Schritt durch diesen Hag bereute,
erhoffend, dass es nicht noch schlimmer werde.

Was mochte hinter jenen Stämmen lauern?
Was gluckste in der Quelle unter Farnen?
Erschlagen von des stillen Waldes Mauern

aus schwarzem Holz ergab ich mich dem Schrecken
und ließ mich reuelos von ihm erwecken.
Ein Traum, gewiss, doch wollte er mich warnen?



Traumwandeln III

Ich irrte durch den Marmor fremder Gruften,
die dicht an dicht und höher mich umstanden,
als Blicke reichten. Ihre Reihen wanden
sich immer weiter fort. Ein Blütenduften

hing in der Sommerluft des Nachmittages,
so gar nicht spukhaft oder finster dräuend,
Versöhnliches mit all den Toden scheuend,
die mich umgaben, und ich dachte: Wag es!

Genieße diesen Ort und die Geschichten,
die er dem durch ihn Wandelnden erzählt,
und finde Schwere unter den Gewichten,

die er dem allzu leichten Sinn verleiht.
Du bist nicht der, der deine Wege wählt
in diesem Garten aus erlöstem Leid.



Traumwandeln IV

Ich wiederholte eine Endlosschleife
derselben Handlung, wie darin gefangen,
da nicht gewillt, ans Ende zu gelangen,
wenn es nicht gut war wie des Weines Reife.

Ich gärte lange über dem Versagen,
das mich ins Dauern dieser Szene bannte,
denn ich stand still, egal wie schnell ich rannte,
und wollte doch mich nicht ins Wache tragen.

Und als ich schweißgebadet doch erwachte,
verwünschte ich den Zustand, denn ich wollte
im Traum die Lösung finden, die mich segnet.

So ist der Fluch, den ich mir selbst erdachte,
das Unerreichte, dem mein Ehrgeiz grollte,
der wütend seiner Nemesis begegnet.



Traumwandeln V

Ich stand an eines Abgrunds schmaler Klippe
und war bereit, zu springen und zu fliegen,
im Traume alle Schwerkraft zu besiegen
wie auch den Tod mit seiner krummen Hippe.

Doch im Moment, der kein Zurück erlaubte,
erkannte ich mit Schrecken mein Versagen,
zuviel selbst hier in einem Traum zu wagen,
was mir mit einem Schlag den Atem raubte!

Ich würde stürzen, keines Fluges mächtig,
und schreiend, zappelnd endlos weiter fallen,
den Aufschlag fürchtend, der mich nie erlöste.

Ich ruderte zurück, doch niederträchtig
sog mich der nackte Abgrund ein mit allen
Befürchtungen, die er in mir entblößte.



Traumwandeln VI

Ich stand in einer Menge von Gesichtern
mit nackter Abscheu in diffusen Mienen,
die alle nur auf mich gerichtet schienen,
als wären sie die Urteile von Richtern.

Und alle zeigten mich mit Fingern nieder
wie Läufe von Pistolen, durchgeladen,
um in Verachtung meine Angst zu baden,
mit jedem ihrer Blicke, immer wieder.

Ich lernte nie die Sünde, die sie kannten,
die keiner Gnade mich für würdig hielten,
wo sie mich kalt in ihre Mitte bannten,

aus der kein Weg in die Erlösung führte.
Ich war die Scheibe nur, auf die man zielte:
Der Paria, der kein Gefühl berührte.



Traumwandeln VII

Ich war umgeben ganz von Buchregalen,
so hoch, dass sie im Dunkel sich verloren,
sich endlos weiterspinnend in Emporen,
die sich der Neugier meines Geists empfahlen.

Doch menschenleer war dieser Hort des Wissens,
die Schritte echoten in stillen Hallen,
als wären ganz sie aus der Welt gefallen
und nicht mehr Teil des menschlichen Gewissens.

Ich irrte endlos durch die düstren Gänge
und fragte mich, wo all die Seelen waren,
die hier zu lesen fänden von perfekten Welten,

die wir erbauen könnten, wenn's gelänge,
das Wissen hier für alle zu bewahren,
bis ihre Träume diesen Ort erhellten.



Traumwandeln VIII

Ich stand allein in einer nackten Wüste,
und neben mir ein marmornes Gesicht
von irgendeinem einst bekannten Wicht
als ernste und dem Sein entrückte Büste.

Ich dachte mir, dass ich wohl wissen müsste,
wer dieses Mienenspiel erfüllter Pflicht
gewesen war, doch wusste ich es nicht,
und keiner mehr, der es zu sagen wüsste.

Vergänglich ist der Ruhm all unsrer Taten,
Vergessen holt uns ein, was wir auch wagen.
Die Ewigkeiten, die wir uns erbaten,

belügen uns mit blinden Illusionen.
Egal, womit wir uns ins Leben tragen -
wir können nur die Gegenwart bewohnen.



Traumwandeln IX

Von weit sah ich die Liebe meines Lebens,
von der ich nicht mal wusste, wie sie hieß,
verschwinden, weil ich sie verschwinden ließ,
so ungewohnt des Nehmens oder Gebens,

darin sich andere so leicht gefallen,
dass ich nicht halten konnte, was mich zog,
und lieber mich mit Eigensinn belog,
dass ich mich gänzlich unterschied von allen.

Dem Mut zur Liebe hieß ich mich entsagen.
Wer nichts besitzt, der hat nichts zu verlieren.
Ich ließ ich ganz in die Gewissheit tragen,

Vertrauen sei für andere gemacht.
So ließ ich meine Seele hinter Schlieren
aus Tränen nur verschwinden in die Nacht.



Traumwandeln X

Ich stand entblößt am Pranger vor den Blicken
all jener, deren Achtung wichtig war,
ganz hilflos und entmächtigt offenbar,
und eine Stimme schien sich anzuschicken,

die Schale allen Zornes zu entleeren
auf mich, der ich zutiefst verachtet stand,
entrechtet von den Mienen, die ich fand,
als wollten sie mit Kälte mich verheeren.

Die Stimme keifte, wurde nimmer müde,
mich hinzustellen als den letzten Dreck,
so selbstgerecht und selbstgefällig prüde,

als hätte sie ein Recht, mich so zu richten
mit ihren Mitteln und zu ihrem Zweck,
und dürfte mich vor allen so vernichten.



Traumwandeln XI

Ein Freund, auf den ich meine Stärke baute,
da meiner Seele so vertraut verwandt
und mir seit Kindertagen wohlbekannt,
verriet mich, als ich mich ihm anvertraute.

Er lieferte mich aus mit einem Lachen,
das mir erklärte, was ich für ihn war.
Bis dahin war die Welt mir wunderbar,
doch konnte er sie mir zur Hölle machen.

Ich hasste glühend heiß, doch so vergeblich -
er lebte einfach weiter, ungehindert!
So sanft zu sein, ist unter Sanften löblich,

doch würgte mich die Wut in meinem Herzen,
und würde mich für alle Tage mindern,
die mir noch blieben unter Seelenschmerzen.



Traumwandeln XII

Der Träume elf entstellten meine Nächte,
versehrten mich mit ihrer Zungen Feuer.
Sie wuchsen in mir an wie Ungeheuer,
und nichts, was meiner Seele Frieden brächte.

War ich der Sünder und der Selbstgerechte,
der dies verdiente, an der Welt gescheitert?
Was hatte jenes Eiterloch erweitert,
das Träume in mich spie wie alles Schlechte?

Die Zeit verging, ließ endlich Gnade walten,
und alle Bilder, die mich so verletzen,
begannen zu verblassen, zu erkalten,

und ich verging zugleich mit ihr im Wachen
der Tage, die mein krummes Sein zersetzen,
bis keine Träume mich mehr traurig machen.





21
Wo Enzian und Freiheit ist / Innenwelten
« am: Dezember 10, 2023, 12:32:15 »
Er musste früh der Menschen Häme reiten,
verletzt von ihrem Spotten oder Keifen,
begann sich zeitig daran abzuschleifen
und wurde stumpf, um daran abzugleiten.

Wo er erkannte, wie wir uns bestreiten,
wie unerwartet höher im Begreifen,
ersetzte ihm der Innenwelten Reifen
die wunden Stunden seiner Wirklichkeiten.

So fand er seine allerschönsten Zeiten
im Durch-die-Wälder-seines-Wesens-Streifen,
ließ Fantasie durch ihre Räume schweifen,
und ihre Früchte in die Kehle gleiten.

Er ließ Unendlichkeit die Sinne weiten
und ließ sie weit bis an die Sterne greifen,
wo sich die andern auf ein Tun versteifen,
das nur verletzen will und Weh bereiten.

22
Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Katzentraum
« am: Dezember 10, 2023, 12:30:43 »
Die Katze schläft. Sie träumt vom Vogelfangen
und schmatzt dabei, lässt ihre Pfoten tappen,
lässt nie Gelungenes im Traume klappen
und leckt sich unbewusst den Pelz der Wangen.

Der Mensch lebt wie die Katze in den Träumen
sich aus, wo ihm sein wach erlebtes Scheitern
und hohles Klettern auf sozialen Leitern
nur Schatten sind, die ihre Zeit versäumen.

23
Verbrannte Erde / Vom Fall des Westens und der Demokratie
« am: Dezember 09, 2023, 09:59:18 »
Wo blieb das Wunderland der willigen Phantome,
als man von Aufbruch und von Wohlstand sprach
für alle, deren Herz am großen Ringen brach,
und Heilung für die ach so schmerzlichen Symptome?

Wir wollten das so schwer Gewonnene nicht teilen,
mit einer Welt des Billiglohns, stets instabil,
die uns, weil wir es wollten, leicht zum Opfer fiel,
und Wunden von uns trug, die erst im Tod verheilen.

Wir riefen 'demokratisch', 'menschenrechtlich' lauter,
als je zuvor in chrompolierte Mikrophone -
es blieben Worte nur und magre Spenden ohne
den Geist dahinter, der uns selber nie vertrauter

als hohle Hülsen war, die von Plakaten prangen,
darauf die unecht Grinsenden um Beifall heischen.
Vertan die Chance lang, wo die Raketen kreischen,
die den Vergessenen die wahren Lieder sangen:

Von dem, was Menschen aneinander tun in Spielen
der ungeteilten Macht, des Geldes und der Rache,
wenn sie sich schlachten für die 'einzig wahre Sache',
von uns ermutigt noch zu ewig falschen Zielen.

Vom blinden Hass und von der nackten Gier nach Größe,
die unverwundbar machen soll in diesem Tanz.
So sterben Mitgefühl, Verständnis, Toleranz
auf ewig weiter in den Wunden unsrer Blöße.

Was wir der Welt getan, das gibt sie uns nun weiter,
denn was wir fühllos säten, kommt zu uns zurück -
und wir? Den Kopf im Sand erträumen wir das Glück,
das uns versprochen war und werden nie gescheiter.

24
Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Bedenkenträger
« am: Dezember 07, 2023, 22:21:22 »
Wer sich nicht wagt, sich an der Welt nicht fordert,
wird nie sich weiter in die Tage tragen,
als seine Nebensächlichkeit verlangt.
Von Trägheit an den vollen Trog beordert,
wird er kein Ziel von wahrer Größe wagen,
nur Vorsicht üben, die um Pfründe bangt.

25
Ach Natur Vergissmeinnicht / Schneelast
« am: Dezember 03, 2023, 15:28:06 »
Ein Licht fällt durch ein Fleckchen Blau am Himmel
nach Tagen endlich, die es endlos schneite.
Der Blick entkommt in eine weiße Weite
dem klammen Geist aus all dem Schneegewimmel.

Er war schon wund vom vielen Flockenzählen
und hoffte kaum noch, dass ein Licht sich zeige
aus frühen Winters übervoller Neige,
durch die sich graue Stunden endlos quälen.

Im Garten ist ein schiefer Baum gefallen,
der seine Last nicht länger tragen konnte.
Der klamme Geist erkennt: So geht es allen,

die seltsam schräg in ihre Leben wachsen:
Der Himmel kam zu spät, und er besonnte
nur noch entwurzelte und tote Achsen.

26
Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Extrapolation
« am: Dezember 03, 2023, 15:14:21 »
Wir wollten alles Lernenswerte wissen,
erkannten viel, doch kannten nie das Maß
und stöberten, wo ein Geheimnis saß
mit Neugier, aber ohne ein Gewissen.

Heut sind wir gläsern, lassen die Maschinen
uns lernen bis zum letzten Aderlass,
verscherbeln unser Innerstes, auf dass
sie besser uns und aufgeklärter dienen.

Wer ahnte wohl, dass wir aus Faulheit scheitern,
wenn das System mit uns zusammenbricht,
das zu komplex wir eitel uns erschufen?

Wir wollten unser Wissen zwar erweitern,
erkannten aber unsre Schwäche nicht
in Geistern, die wir allzu leicht gerufen.

27
Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Das Menschenspiel
« am: November 15, 2023, 12:44:50 »
Wenn wir uns nicht nur immerfort beraubten
an Geist und Körper, der die Lüge lebt,
dass alles immerzu nach Liebe strebt -
wenn die Gedanken, die wir richtig glaubten,

uns nicht verführten, der Begierde zu vertrauen,
die unsre Seelen ineinander treibt,
den Leibern gleich, bis nur die Reue bleibt,
dass niemals wir mit andern Steinen bauen,

was hinter unsrer Lust in Asche fällt -
wir machten uns an jenen nicht mehr schuldig,
die wir erhaschen können in der Welt,

und fielen selbst auf andre nicht herein,
eroberten, benutzten nicht geduldig,
und könnten endlich füreinander sein.

28
Verbrannte Erde / Weit im Osten
« am: November 15, 2023, 12:44:09 »
Wann kam die Menschenliebe uns abhanden,
bis Krieg und Tod uns nicht mehr groß erregten,
da in den Schoß wir unsre Hände legten
beim großen Sterben in entfernten Landen?

Wird uns ein fremder Wille erst berühren,
wenn kalt er sich auf eigne Lande legt,
wenn Grauen herrscht und sich kein Aber regt,
die Mutigen in Freiheit noch zu führen?

Wir wälzen uns in unserem Versagen,
das große Worte schwingt, die uns nichts kosten,
nur um zugleich die Mängel zu beklagen,

die uns ein Jota unsres Wohlstands stehlen,
weil sie sich niedermetzeln weit im Osten
und ungezählte Kinderseelen quälen.

29
Verbrannte Erde / So sind wir
« am: Oktober 27, 2023, 20:08:07 »
Herzergreifend
langsam reifend,
unbegreifend
Ketten schleifend
hinter Taten, stumm und wund.

Angeschlagen
von den Tagen,
da wir Klagen
widersagen,
lieben wir uns nie gesund.

Unvergeben
im Bestreben,
aus dem Leben
uns zu heben,
sinken wir auf toten Grund.

30
Ach Natur Vergissmeinnicht / Jahres-Rad des Lebens
« am: Oktober 27, 2023, 20:07:27 »
Wieder trägt ein Herbst den Vater,
dem er wuchs, zu kühlem Grabe,
lässt des Sommers Erntegabe,
sein Vermächtnis in sich reifen
und begegnet bald dem Winter,
der ihm wuchs im stillen Wissen,
dass wir alle enden müssen,
ohne jemals zu begreifen.

Seiten: 1 [2] 3 4 ... 88