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Themen - Sufnus

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Wo Enzian und Freiheit ist / Tagepflückerlied
« am: August 25, 2019, 20:58:57 »
Tagepflückerlied

Geborensein, der große Fristbereiter.
Wir sind die Schwelle und die Zeit der Schreiter
auf Reisen von Paris nach Finistère:
HIC SVNT DRACONES - keine Handbreit weiter!
Ein Kinderspiel vom Jetzt zum Ziel... nicht schwer...

Da darf uns schon die scheue Frage beuteln:
Was ist nochmal in diesem Affenstall
der tiefre Sinn? Das ganze Kanzeldeuteln

führt in die Irre oder nirgends hin
(soweit die Innensicht vorm Einzel-Fall,
dem Absturz aus dem Traum vom Lustgewinn).

Doch wenn der Geist weht, steigt im Wind der Mut,
und Leib und Seele sind einander gut.
Dann gilt kein kleinliches Verlustbeklagen,
die Freude füllt den Kopf bis untern Hut

und hilft dem Herz den längsten Tag ertragen.

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Zwischen Rosen und Romantik / Bleiben
« am: August 22, 2019, 16:07:03 »
Nochmal eine forenfremde Ausgrabung in eigener Sache, leicht modifiziert.

Bleiben

Ist die Welt wirklich Bühne
und Sühne ein Spiel?
Wer schwarz sagt meint: Ziel,
doch wir peilten ins Grüne!

Und sonnenlang lagen wir einst uns im Haare,
mein süßes, geliebtes Baiser aus Beton!
Jetzt murmelt ein Fremder sein Trauer-so-long
als laberleicht-zartes Adieu an der Bahre.

In der Brust wirds schon eng
und ich staple den Slang
kopfunter von Kissen bis Kinn,

lebt wohl, ihr drei Schwestern:
Behalten war gestern,
denn Erinnern ist in.

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Sprüche, Gedanken, Gescheites / Fazit
« am: August 19, 2019, 16:39:03 »
Fazit

All unser Drängen ist hienieden so vergänglich,
der dümmste Widerspruch in sich heißt: Lebenslänglich.

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Wo Enzian und Freiheit ist / Schwarze Schafe
« am: August 19, 2019, 14:39:33 »
Und wieder was Älteres in leicht überarbeiteter Form.

Schwarze Schafe

Es ist nicht gut allein zu sein!
Der Mensch: ein Herdentier,
doch schließt die Herde ungern ein
das schwarzes Schaf in ihr
geheiligtes Revier.

Nenns Schafverstand, nenns hundsgemein,
so leicht gibts kein Quartier:
Es ist nicht gut, allein zu sein,
doch lieber zeigen wir
dem schwarzen Schaf die Tür.

Trägt da die böse Herde Schuld?
Ist so die Welt bestellt?
Wie immer auch die Antwort fällt,
wer sich ans Weltverbessern hält,
braucht eine Schafsgeduld.

200
Zwischen Rosen und Romantik / Dialog
« am: August 17, 2019, 15:55:36 »
Dialog

Frau Herz, wo geht die Reise
so unbegleitet hin?
Lockt aus dem engen Kreise
Dich fort der Eigensinnn?

Wer schützt im Unbekannten
Dich dann vor böser Zeit?
Viel Herzen, die verrannten
sich in der Einsamkeit.

Frau Herz, was soll das geben?
Du fremdelst, Schöngesicht,
mit Deinem alten Leben...
mein Herz, ich halt Dich nicht!


201
Zwischen Rosen und Romantik / Küsse
« am: August 14, 2019, 15:54:25 »
Und nochmal etwas Älteres aus der eher experimentellen Ecke - es würde sich natürlich auch in der Humorabteilung wohl fühlen... :)

Küsse

Mein Denkding is ganz schwurbedoll
vom Schwuppguck in Dein Strahlesicht,
so lecklipp Fünfrot knutschig woll,
ich Dir, Du mir, wir (ins Gedicht).

Durchs Hautriech summselhummeltauch
kriechtiefig busungsschmusig ein,
wir Handgevier, wir Liebebrauch,
Du Dein, ich mein (beiseinsig sein).


.....

Fünfrot spielt auf ein Minnelied von Heinrich Hetzbold von Weißensee (14. Jh.) an, worin die Angebetete Ihrem Verehrer einen Luftkuss spendet, indem sie mit ihren Lippen lautlos das Wort "fünfe" (viunviu) formt. Die jeweils letzten Zeilen der beiden Strophen verweisen auf das Gedicht Anna Blume von Kurt Schwitters.

202
Wiesengeflüster / Ausschreibungen
« am: August 14, 2019, 11:40:29 »
Hallo Ihr Lieben! :)

Wie wäre es mal mit einem Faden zu aktuellen Ausschreibungen für Lyrikbeiträge in Anthologien oder Zeitschriften?

Wer hier was reinstellt, gibt am besten die Einreichfrist (wenn es eine gibt) deutlich hervorgehoben mit an und schreibt möglichst noch ein paar Worte zu dem Ausschreiber (wer steckt dahinter, wie hoch ist der literarische Anspruch, gibt es poetologische Vorgaben usw.).

Ich fang mal an:

AUSSCHREIBUNG

Die Gesellschaft für zeitgenössische Poesie schreibt sucht Lyrikbeiträge oder Notate für ihre regelmäßig erscheinende Anthologie "Poesiealbum neu"
zum Thema "Poesie und Narrheit".
Einsendeschluss: 15.10.19 (Postweg!).


Link: http://lyrikgesellschaft.de/kategorie/ausschreibungen/

Wie auf der Seite ausgeführt ist der Bezug der 250. Geburtstag von Hölderlin im nächsten Jahr. Aus diesem Grund sind auch ausdrücklich Beiträge zu Hölderlin (ggf. vor dem Hintergrund seiner "Narrheit") erwünscht. Eine impulshafte Anregung bietet (auf der Ausschreibungsseite angeführt) das vielleicht bekannteste Gedicht Hölderlins "Hälfte des Lebens", ein Aufschrei des Dichters im Angesicht der Kälte von Altern und Verfall, aber auch der Mauern der Sprachlosigkeit.
Das Gedicht datiert aus der Zeit (1803/04) von Hölderlins Aufbruch in die Umnachtung. Ab 1800 zeigten sich bei ihm zunehmende Anzeichen von "Hypochondrie", ab 1802 geriet sein Leben, nicht zuletzt durch den Tod seiner geliebten Susette, aus den Fugen. Ab 1806 befand er sich in Zwangsbehandlung wegen Geisteskrankheit, ab 1807 lebte der als unheilbar angesehene Dichter in privater Pflege beim Tischlermeister und Höderlinbewunderer Ernst Zimmer.

Ich werde selbst nichts einreichen und stehe mit der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik auch nicht in Berührung, aber vielleicht ist das Thema für den ein oder anderen interessant.

Die Poetik der Anthologie-Reihe ist auf "gemäßigt-moderne" Lyrik ausgerichtet. Eher ungereimt oder, soweit klassisch gereimt, zumindest mit deutlichen Anklängen an modernes Reden. Ein Beitrag sollte also eher nicht so klingen, als wäre er vor 1945 entstanden. Es muss aber auch nicht gänzlich avantgardistisch sein. Viele regelmäßige Beiträger sind schon etwas älter. Der Anspruch ist gehoben. Ambition alleine reicht nicht, ein gewisses Grundhandwerkszeug sollte vorhanden sein. :)

203
Wo Enzian und Freiheit ist / Herzrose
« am: August 14, 2019, 10:45:19 »
Nochmal etwas älteres, leicht abgewandelt. :)


Herzrose

Herzrose, welkes Vergreisen,
blütenleises Dahin:
Fallen, zerfallen, auf Reisen,
schwinden, zerrinnen und Sinn-
suchend vergehen, verwehn,
nackt sein, sich weisen, erfühlen,
Seelenraum finden, sich drehn,
Kind wieder werden im Spielen,
Horizont, Hoffnungen, zielen,
neu werden, neu sein, bestehn.


204
Wo Enzian und Freiheit ist / Einschlafen
« am: August 14, 2019, 10:15:13 »
Einschlafen

Die Stadt umnachtet, stetes Rauschen,
Verkehrsgesang der grünen Wellen,
ein Traumgeleite aus der Zeit.

Nur manchmal bricht ins Halbschlaflauschen
laut Straßenlärm und an den Schwellen
des Wachseins will die Wirklichkeit

noch einmal Tag und Nacht vertauschen
und mich zur Unruh einbestellen,
doch dann entgleit ich, bin befreit.

205
Zwischen Rosen und Romantik / Duett
« am: August 13, 2019, 19:54:23 »
Duett

Liebe will zu Herzen gehn,
ringel ringel rein!
Du bist schön und ich bin schön,
wolln zusammen sein.

Wie die Lieb auf Stelzen steht,
bimmel bammel bomm!
Für die Lieb ists nie zu spät,
komm, mein Liebchen, komm.

Wie die Liebe Flausen macht,
ene mene mu!
Vor dem Fenster lacht die Nacht,
niemand schaut uns zu.

206
Zwischen Rosen und Romantik / Zusammenschweigen
« am: August 03, 2019, 20:49:41 »
Zusammenschweigen

Wie sich dein Mund mit schöner Stille schmückt!
Ein Schweigeschrein, höchstwohlbestückt:
Der ganze Lärm der Welt,

der alles, was unsäglich ist, befällt,
bleibt heut im Stummsein gut verstaut:
Was zählt, ist niemals laut.

Die stumpfen Sinne reichen nicht zum Sinn,
Der Weg führt fern der Rede hin,
läuft über Freud und Leid

von Dir zu mir durch die geteilte Zeit,
durchs hier und jetzt - Zusammensein,
wir sind allein zu zwein.

207
Wo Enzian und Freiheit ist / Ein leichtes Geschlechte
« am: August 03, 2019, 17:04:04 »
Ein leichtes Geschlechte

Die Straßen fliehen aus der Stadt
und schleppen alle Ziele
als Beute mit sich fort.
Der Verkehr, das verwundete Tier,
stöhnt, wenn die Ampeln blinzeln.
Jeder Ausweg kommt mit der Empfehlung:
Bei der nächsten Möglichkeit bitte wenden.

Wie die Insassen dieser Mauern
den Brotkrumen ihrer Sprachlosigkeit folgen
auf dem Weg von Traum zu Traum!
Ihre Haltung ist eines sterbenden
Philosophen würdig, der
die Sonne verkündet und
den Wind, der uns trägt.

Wenn die Uhren enden, ist jeder der Erste.
Aber nun habt Ihr das Wort,
und kein Räuspern der Menge
wird die Stille Eures Vortrags brechen,
und Eurer Schweigen wird noch
die größten Säle füllen
und aller Seelen leeres Herz.



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Sorry @eKy für abwechlungshalber einmal eine Abschweifung ins Ungereimte... ;)
Der Titel bezieht sich auf eine Passage aus dem Gedicht "Vom armen BB" von Bertold Brecht:

Wir sind gesessen, ein leichtes Geschlechte,
in Häusern, die für unzerstörbar galten
(so haben wir gebaut die langen Gehäuse des Eilands Manhattan
und die dünnen Antennen, die das atlantische Meer unterhalten).

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Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Gespräch mit dem Stein
« am: Juli 31, 2019, 18:40:30 »
Gespräch mit dem Stein

Ich klopfe an die Tür des Steins.
"Ich bin's, mach auf." (W. Szymborska)


Die Haltbarkeit klebt außen an den Dingen
als Zweck und Wert am Weltenmobiliar,
will auch der Sinnsuchgeist ins Tiefe dringen,
das Schöne zeigt sich oberflächlich wahr.

Und bohrt sich einer durch die Daseinsrinde
und hofft im Untergrund auf reichen Lohn
(die Kindernarretei vom Such-und-finde):
er stößt auf Dreck und ein Das-gibt-es-schon.

Wir Außenseiter ohne Innenleben!
Wir stehn mit mehr als einem Bein im Sein,
zwar möchten wir zum Kern der Dinge streben,
doch graben uns nur in uns selber ein.

209
Ach Natur Vergissmeinnicht / Tempi passati
« am: Juli 27, 2019, 16:20:47 »
Tempi passati

Mein Hirn ist aus Vanille-Eis,
und schmilzt im Klimawandel hin,
ein Traum aus Schokoladensoße
fatamorgant mir durch den Sinn:

Wann wirds mal wieder richtig Sommer?
So mies wies früher einmal war,
mit grauem Wetter, nieselkühl,
und Wäldern ohne Brandgefahr?

Ich weiß noch, wie der Lehrer lehrte:
Nulldrei-Promille CO2,
jetzt rechnet, Freunde, wann das war,
so lang ist das noch nicht vorbei.

Ach war das schön, wir froren uns
den Arsch schier ab im Juliwind!
Da gabs noch Seen und Flüsse hier,
wo heute Wanderdünen sind.

210
Drum Ehrlichkeit und Edelweiß / Das hier ist Wasser
« am: Juli 27, 2019, 11:45:35 »
Das hier ist Wasser

für David Foster Wallace

Der Griff ins Meer der Dinge.
Wie sichs dem Menschen ballt!
Ein Kräuseln, Wellenringe,
nicht starr, nicht jung, nicht alt.

Die Formen und Gestalten,
im Wandel nicht gefrorn,
kein Suchen, kein Erhalten,
nicht an die Zeit verlorn.

Der Augenblick: Die Stelle,
um die die Welt sich dreht.
Ob Berg, ob Tal, ob Welle
am Ufer von Milet.


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Anmerkungen:
Eine metaphorische Meditation über das Wasser, das (in dem uns geläufigen Aggregatzustand) seine Wege durch kleinste Ritzen und Engstellen bahnt und dabei in immer gleichem Kreislauf (solange wir uns hienieden in einer habitablen Zone befinden) als ewiger Gestaltwandler durch alle Formen schreitet.
David Foster Wallace widmete dem Wasser einen lesenswerten Essay ("Das hier ist Wasser"), basierend auf einer Absolventenrede von 2005. In seinem Text stellt er dar, wie lebenswichtig es für jeden einzelnen Menschen ist, der inneren Verdrahtung seines egozentrischen Gehirns zu entkommen (das Gehirn als "terrible master") und zu lernen, wie man zum Bestimmer des eigenen Denkens wird.
Wallace veranschaulicht die mögliche, fatale Fixierung auf destruktive Denkinhalte, die unser Gehirn annehmen kann, im Bild des Selbstmörders, der sich in den Kopf schießt (das übliche von Suizidanten gewählte Ziel, wenn sich diese mittels einer Schusswaffe aus dem Leben katapultieren). Das Wasser (das nicht im Mittelpunkt des Essays von Wallace steht) ist ein Gegenbild zur verderblichen Starrheit des Denkens. Drei Jahre nach seiner Absolventenrede hat sich Wallace durch Erhängen getötet.
Thales von Milet ist einer der klassischen griechischen Denker, die das Wasser als Urprinzip unserer Welt definierten.

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