Autor Thema: Zu viel  (Gelesen 1289 mal)

AlteLyrikerin

Zu viel
« am: Juni 02, 2020, 16:32:15 »
Was ich wirklich brauche,
weiß ich nicht genau.
Schon immer hatte ich
zu viel vom Falschen.

Die Feen meiner Sehnsucht
hatten kein Gesicht.

Für die Wunden meiner Eltern
war ich die falsche Antwort.
Sie überhäuften mich
mit Rezepten für Probleme,
die ich gar nicht hatte.

Sie meinten es gut
und hängten die sauren Trauben
höher für mich.

Agneta

  • Gast
Re: Zu viel
« Antwort #1 am: Juni 02, 2020, 19:05:42 »
Der Schlüsselsatz, liebe AL, ist für mich: Die Feen meiner Sehnsucht hatten kein Gesicht. Schuld gegeben wird den Eltern, die wohl ihre eigenen Probleme aufs Kind projizierten. Schwierige Situation. Eltern können viel falsch machen. Auch, wenn sie es gut meinen. Und das tun wohl die meisten, denke ich, hoffe ich...
LG und ich wünsche dir eine Fee mit Gesicht von Agneta

AlteLyrikerin

Re: Zu viel
« Antwort #2 am: Juni 03, 2020, 11:51:48 »
Liebe Agneta,

herzlichen Dank für Deinen Besuch und den freundlichen Kommentar. Du schreibst,
Zitat
Schuld gegeben wird den Eltern
.
Doch um Schuldzuweisungen geht es mir gerade nicht. Es geht um Defizite, die ohne vorhandene Resilienz, auch zu dramatischen Verläufen hätten führen können. Das lyrische Ich redet ja von den "Wunden" der Eltern. Es ist also ein Problembewusstsein und Empathie für die Eltern durchaus vorhanden.
Vielleicht hätte ich die Verse weniger lakonisch schreiben sollen, damit das deutlicher wird. Ich wollte jedoch eine gefühlsduselige "Ihr habt mein Leben versaut"-Anklage vermeiden.

Danke für Deinen Wunsch. Zurecht vermutest Du Autobiografisches hinter den Versen. Die von Dir gewünschten Fee mit Gesicht hat sich inzwischen eingefunden, in mehr als einer lebendigen Beziehung.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Eleonore

  • Gast
Re: Zu viel
« Antwort #3 am: Juni 09, 2020, 10:52:33 »
Hallo Alte Lyrikerin,

jooo - dass eineR für die Wunden der eigenen Eltern die falsche Antwort ist,
kommt vermutlich immer noch sehr häufig vor.

Besonders übel dürfte es die Nachkriegsgeneration getroffen haben,
mit ihren schwer und schwerst traumatisierten Eltern.

Du hast das gut beschrieben -
für mich kommt keine Schuldzuweisung rüber,
sondern eine Situationsbeschreibung.
Das Lakonische passt f.m. Empfinden gut.

Schöne Grüße

Eleonore

AlteLyrikerin

Re: Zu viel
« Antwort #4 am: Juni 09, 2020, 11:49:46 »
Hallo Eleonore,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar, der mich sehr gefreut hat. Ja, 1950 geboren, bin ich genau in die traumatisierte Welt meiner Eltern hinein gekommen, ohne sie zu verstehen. Heute gibt es das vielleicht nicht mehr so massiv - hoffe ich - aber Ungelebtes, Unbearbeitetes wird auch heute noch als Bürde an die Kinder weiter gegeben. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass dennoch so viele liebevolle Menschen aus solchen Konstellationen hervorgehen! Das positive Potential im menschlichen Leben scheint enorm groß zu sein.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.