Autor Thema: Haiku  (Gelesen 1268 mal)

Rocco

Haiku
« am: M?RZ 20, 2021, 19:13:11 »
Hallo Leute,

wir hatten uns - vor grauen Zeiten - über Haikus unterhalten. Wenn ihr mögt, können wir daran anknüpfen.

Ich schlage vor, wir legen dabei den Schwerpunkt auf die Praxis. Heißt: Wir diskutieren an eigenen und/ oder fremden Beispielen, sonst verlieren wir uns im Nebel der Theorie.

Ich fange mit einem eigenen Beispiel an, dass ich für gut halte. Von "Meisterwerken" spreche ich nicht, da selbst meine allerbesten Haikus nur knapp über dem Durchschnitt liegen.

Bevor wir anfangen, eine Bitte: Keine Diskussion über moderne oder traditionelle Gedichte. Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass auch moderne Gedichte, wie das Haiku, seine Lebensberechtigung haben, sonst könnte man sich den Faden sparen.

Hier also mein Beispiel:

Rotmondnacht
Katzenlärm
Meine Schlappen?


Ein Text, der knapp ist, Spielraum für eigene Gedanken lässt und die Natur zum Thema hat.

Und ja, ich halte mich nicht an die Silbenvorgabe (5-7-5), das ist, für mich, eine Regel, die zu Füllwörtern verführt.

Soweit meine Überlegungen.

Was meint ihr?


"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Haiku
« Antwort #1 am: M?RZ 21, 2021, 18:59:46 »
Hi Rocco!
Find ich eine prima Idee! Aber stell ruhig auch ab und an mal einen Haiku ganz für sich alleine in den Haiku-Faden weiter oben.
Du hast diesen Faden ja schon mit einem ausführlichen und schönen Kommentar belebt (auf den ich bestimmt nochmal eingehen werde :) ), aber mir scheint, Du hättest auch viele Haikus beizutragen. :)
Davon unabhängig finde ich aber auch diesen Thread hier sehr schön, wo wir Haikus sozusagen in eine Reflexionsebene einbetten.
Wir können ja beides haben, einzelne, herausgehobene Haikus im obigen Thread und hier Haikus plus Ausführungen zu selbigen. :)
Bei Deinem, hier präsentierten Einstiegsbeispiel, wird das LI offenbar im Anschluss an den Haiku den armen, mondbesingenden Katzen am Fell flicken (wenn er denn die Schlappen findet) - diese angedeutete, aber eben nicht weiter geschilderte Szene (die Katzenmalträtierung findet ja nur im Kopf des Lesers statt), bewirkt ein sehr schönes humoristisches Element (aus Sicht von Katzenliebhabern, zu denen ich mich ganz unbedingt zähle, natürlich ein sehr schwarzhumoriges Element!). Für mich ist Humor etwas, was ich bei japanischen Haikus ganz typisch finde und sehr schätze - leider ist mir diese Literatur, wie den meisten bei uns, nur in Form ihrer Übersetzung zugänglich, aber immerhin! :)
Also ein Haiku mit Humor - das find ich ganz prima! :) Gefällt mir sehr! :)

Und, um die Kette nicht abreißen zu lassen versuch ich nun auch mein Glück. Aber seid nicht zu streng... ich bin nicht sehr Haikugeübt und das ist jetzt grad ein Schuss aus der Hüfte (in den Ofen?):


Schnell ein Glas Wasser,
der Vollmond ist heut nacht ja
total versalzen!



LG!

S.

Rocco

Re: Haiku
« Antwort #2 am: M?RZ 21, 2021, 20:19:52 »
Guten Abend Sufnus,

danke für deinen Beitrag. Ziel des Fadens sind Überlegungen zum Haiku, die sein Verständnis klären sollen. Insofern kann jeder einen Haiku posten.

Kurz zu meinem Beispiel: Er ist zwiespältig: einerseits nerven die Katzen, aber es leuchtet ein besonderer Mond. Insofern kann es auch um die nähere Betrachtung eines Naturschschauspiels gehen. Diese Offenheit kennzeichnet einen besseren Haiku, vom schlechteren, der nur in eine Richtung lesbar ist.

Zu deinem Beispiel: Ein versalzener Mond ist lustig. Wenn du magst, lass uns überlegen, wie der Haiku offener wird, ok?

Ich rate immer zur Reduktion, heißt: nur die notwendigsten Worte sollen verwendet werden. In dem Fall:

Ein Glas Wasser
Mondschein über dem Meer
Salzgeschmack


Zweiter Versuch:

Über dem Meer
Mondschein und ein Glas Wasser
Salzgeschmack


Die zweite Version kommt mir offener vor. Weitere Ideen?
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Haiku
« Antwort #3 am: M?RZ 21, 2021, 20:47:11 »
Hi Rocco, Sufnus!

Gedanken zum Haiku: Du schreibst oben in in der Fadeneröffnung, dass du das Haiku zur "modernen LYrik" zählst. Ich bin da nicht bewandert, aber ich denke doch, dass die Japaner seit Jahrhunderten Haikus schreiben. Aus der Sicht ihrer Kultur sind Senryu und Haiku "klassische Lyrik" mit langer Tradition.

Oder meinst du, dass hier eher der Zeitpunkt zum Tragen kommen sollte, zu dem die japanischen Formen ins Deutsche übertragen wurden und hier begannen, Verwendung zu finden? Wann genau war das? Für mich beginnt die reimlose "moderne" Lyrik mit dem 20. Jhdt, wo sie zwischen den Weltkriegen und danach die klassische Gedichtkunst mehr und mehr verdrängt hat.

Und inwiefern kann man diese japanische Form, die in Klang und Melodie sehr an diese Sprache und ihre Art der Verbilderung gebunden ist, überhaupt adäquat ins Deutsche übertragen, und inwiefern ist das Ergebnis dann noch ein "wahrer" Haiku? Behaupten nicht manche, der deutsche Haiku wäre eher eine ganz eigenständige lyrische Form geworden, die man mit der japanischen Urform nur noch namentlich gleichsetzt?

Was ist Haiku?
Eine Art von Gedicht
oder nicht?

Schwierig - die Antwort hängt vom Standpunkt ab. Ich denke: Im Japanischen ist es auf jeden Fall Lyrik. Was es bei uns darstellt - ob echte Kunstform oder der manirierte Versuch, sich einer sprachfremden Form zu bemächtigen und sie für sich zu vereinnahmen, ob mit Erfolg oder nicht - muss jeder für sich selbst beurteilen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Haiku
« Antwort #4 am: M?RZ 22, 2021, 10:25:45 »
Guten Morgen Erich,

schön, dich hier zu lesen.

Ja, ich rechne das Haiku, auch das Tanka, zu den modernen Gedichten. Das hat damit zu tun, dass wir Europäer eine eigene Haiku- und Tanka-Kultur ausgebildet haben. Denn, wie du richtig vermutest, hat unser Haiku- und Tankaverständnis kaum was mit dem Original zu tun.

Beispiel: Bis vor wenigen Jahren galt es als ausgemacht, dass ein Haiku das 5-7-5-Schema braucht. Folgt es diesem Schema nicht, ist es kein Haiku. Dass die Japaner, dieses Schema nie hatten, hat kaum jemand interessiert. Dieses Verständnis hat sich gewandelt. Heute herrscht ein allgemeines anything goes.

Ab wann ist ein Haiku Lyrik? Ich frage anders: ab wann ist ein Text ein Gedicht?

Meiner Ansicht nach, wenn er Stilmittel verwendet, z. B. Stabreime, Metaphern usw. Wenn er indirekt ausdrückt, was er sagen will, im Gegensatz zur Prosa, die direkter ist. Wenn er einen Sprachrhythmus einhält, nicht unbedingt Versmaß. Und Reime können sein, müssen aber nicht. Ein Haiku hat eher Halbreime.

So, in etwa, stelle ich mir ein Gedicht vor.

Zu deinem Beispiel: Das ist kein Haiku. Ein Haiku, im Gegensatz zum Senryu, bezieht sich auf die Natur. Ein Senryu auf die Stadt. Dein Beispiel ist Gedankenlyrik.

Ich nehme deine Frage auf und versuche
ein Beispiel.

Was ist ein Haiku?
Eine Amsel
die mich an den Schreibtisch lockt

Dieses Beispiel halte ich für besser. Allerdings ist es noch zu eindeutig. Ein Haiku sollte offen sein, also mindestens zwei Deutungen erlauben. Ich überlege, ob statt Schreibtisch einfach nur Tisch besser gewesen wäre?

Schwierig.

Bis dann!

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Haiku
« Antwort #5 am: M?RZ 22, 2021, 10:27:54 »
Hi eKy! :) (Rocco hat zwischenzeitlich auch geantwortet - das hab ich erst nach diesem Beitrag gelesen - daher  die Doppelungen z. B. beim Senryu und mein fehlendes Eingehen auf Rocco - das kommt dann separat! :) )

Ich bin sehr froh über Deine Anmerkung, dass Haikus - zumindest aus japanischer Perspektive - ja mitnichtestens zur "modernen" Lyrik gezählt werden können. Das wollte ich weiter oben eigentlich auch noch schreiben und dann hab Ichs wieder vergessen. Guter Punkt von Dir! :)

Und Dein gereimtes Haiku (es ist streng genommen wohl eher ein Senryu als ein Haiku, weil Letztere eher Natur- und Jahreszeitenbezüge - im allerweitesten Sinn - aufweisen) find ich sehr nett. Gereimte Haikus sind ein lustiges Amalgam aus Ost und West. :)

Zu Roccos Versuchen, meinen versalzenen Haiku zu retten: Das mit dem Salzgeschmack gefällt mir, insgesamt sind Deine Fassungen aber durch ihre weit höhere Ernsthaftigkeit relativ weit von meiner Urversion weg. Bei der ist natürlich das surreale Element, dass das LI offenbar in den Mond gebissen hat, etwas verstörend. :)

Ich versuch es nochmal mit einer Variante in diesem dadaistisch-surrealen Sinn und dann mit einer etwas "realistischeren" Variante auf der Basis Deiner Vorschläge. :)

Küss doch den Mondarsch!
Und dann herzhaft zubeißen:
Aaah (ziemlich salzig).

***

Whisky mit Meerblick.
Dämmerungsschwarze Schiffe.
Mondlicht. Versalzen.
« Letzte Änderung: M?RZ 22, 2021, 10:30:07 von Sufnus »

Sufnus

Re: Haiku
« Antwort #6 am: M?RZ 22, 2021, 11:20:03 »
Ja, ich rechne das Haiku, auch das Tanka, zu den modernen Gedichten. Das hat damit zu tun, dass wir Europäer eine eigene Haiku- und Tanka-Kultur ausgebildet haben. Denn, wie du richtig vermutest, hat unser Haiku- und Tankaverständnis kaum was mit dem Original zu tun.

Beispiel: Bis vor wenigen Jahren galt es als ausgemacht, dass ein Haiku das 5-7-5-Schema braucht. Folgt es diesem Schema nicht, ist es kein Haiku. Dass die Japaner, dieses Schema nie hatten, hat kaum jemand interessiert. Dieses Verständnis hat sich gewandelt. Heute herrscht ein allgemeines anything goes.

Hi Rocco!
Deine Begründung, warum man das deutschsprachige (oder allgemeiner: nicht-japanische) Haiku zur modernen Lyrik zählen kann, ist stichhaltig.
Aber gerade, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass es sich beim deutschsprachigen Haiku und beim japanischen Original um ganz verschiedene Angänge handelt, gilt ja das Argument gegen die 5-7-5-Regel genau nicht, dass diese Regel etwas postuliert, was es so im Japanischen gar nicht gibt.
Gerade wenn man sagt, das deutschsprachige Haiku habe nichts (oder nicht allzuviel) mit dem japanischen Pendant zu tun, kann man doch ruhig so eine "eurozentrische" Regel, wie das Silbenzählen inkorporieren.
Ich persönlich mag diese Regel. :) Nicht etwa, weil sie dem japanischen Original näher kommt (das tut sie natürlich nicht), sondern weil sie für eine gewisse Struktur sorgt. Aber natürlich könnte man auch andere formale Vorgaben machen, um eine Struktur herbeizuführen.
Nur: "anything goes", das halte ich für einen Fehler - so ein völlig freies Vorgehen sorgt für einen Wildwuchs, der der Qualität m. E. nicht zugute kommt. Denn was bleibt dann noch? Ein möglichst kurz gehaltenes Gedicht, das irgendwas mit Natur zu tun hat. Das ist mir persönlich zu wenig, um dann von einer "Form" zu sprechen.

Zitat von: Rocco
Was ist ein Haiku?
Eine Amsel
die mich an den Schreibtisch lockt

Find ich richtig gut, Rocco! :)

Wenn Du es noch mehr öffnen willst, würd ich nicht beim Tisch (Schreibtisch) ansetzen, sondern beim "locken". M E. sind es im Deutschen vor allem die Verben, die einen Text "abschließen" (sie stehen nicht umsonst im Deutschen so oft am Schluss eines Satzes). Hier ein Versuch mit Verb-Abrüstung (unter schamloser Verschmelzung Deines andernortigen Schreibtischtextes mit der Amsel):

Was ist ein Haiku?
Sieben Amselansichten.
Ah! Schreibtischtäter!


LG!

S.
« Letzte Änderung: M?RZ 22, 2021, 11:22:17 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Haiku
« Antwort #7 am: M?RZ 22, 2021, 17:15:14 »
Hi Suf!

Detail am Rande: Warum versteifst du dich so auf den Begriff "versalzen"? Das erinnert mich als Leser eher an (versalzene) Suppe, also mehr ans Kochen denn ans Meer. Für mich passt diese Formulierung nicht so recht zum Rest dazu.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Haiku
« Antwort #8 am: M?RZ 22, 2021, 19:23:54 »
Hallo Leute,

ein Haiku ist kein Sonett; Sonette sind formal geregelt, insofern hat man es mit ihnen leichter. Nun könnte man, beim Haiku, auf eine ähnliche formale Struktur achten. Mittlerweile gibt es aber Haikus, die weder auf Silben achten (5-7-5), noch in drei Zeilen geschrieben sind, sondern in eine. Ich kann Erich stöhnen hören, der all seine Ansichten über moderne Lyrik bestätigt sieht.

Aber so einfach ist es nicht.

Wir sind uns einig, dass ein Gedicht Stilelemente braucht. Aber was für welche? Ich habe oben einige genannt, was meint ihr dazu?

Noch einmal zu Erichs Gedicht:

Eine Variante ist:

Was ist ein Haiku?
Eine Amsel
die mich lockt


Alternatives Haiku:

Was ist ein Haiku?
Mit Basho unter dem Arm
im Grünen wandern

Dein Beispiel, Sufnus, ist eher ein europäisches Gedicht.

Ich finde, wenn man nicht beliebig sein will, sollte man Regeln einhalten, die sich bewährt haben:

Einfachheit. Klar im Ausdruck und mit passenden, dem Inhalt, angemessenen Worten.

Offenheit. Mindestens nach zwei Richtungen hin lesbar.

Bild schlägt Begriff. Ein Haiku, im Gegensatz zum Aphorismus, lebt vom Bild, von der Metapher/ Vergleich.

Sicher kann man die Reihe fortsetzen. Aber ich weiß nicht, wie ihr das beurteilt. Vielleicht übersehe ich auch etwas?

Deine Beispiele, Sufnus, erinnern mich an Yvan Goll. Der hat auch surreale Bilder verwendet. Ich finde, deine Beispiele kann man lassen. Wie du richtig schreibst, ich verschlimmere sie nur.



Hier noch ein weiteres Beispiel von mir:

Die Herbstsonne scheint
durchs offene Fenster.
Auf dem Schreibtisch: Blätter...

Bis dann

Rocco
« Letzte Änderung: M?RZ 22, 2021, 19:26:12 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Haiku
« Antwort #9 am: M?RZ 31, 2021, 21:47:43 »
Hi Rocco!
Ganz lieben Dank noch für den höchst ehrenvollen Vergleich mit Yvan Goll! :) Das ist zwar ein Dichter, zu dessen Werken ich den emotionalen Zugang noch nicht so recht gewonnen habe, er gehört also (bisher) nicht unbedingt zu meinen Lieblingsdichtern, aber an seinem Genie-Rang zweifele ich nicht im Mindesten... also den Vergleich nehm ich!!!  ;D (nur zur Klarstellung, weil im Schriftlichen der Ton fehlt, der die Musik macht: Ich bin hier im Bereich der scherzhaften Rede unterwegs und nehme keinerlei Genie-Weihen in Anspruch... bin ein enthusiastischer Dilettant, nicht mehr und nicht weniger. :) )
LG!
S.

P.S.:

Mutwill im Herbst.
Bunte Dichter. Einfall
ende Blätter.

Rocco

Re: Haiku
« Antwort #10 am: April 07, 2021, 12:24:33 »
Hallo Sufnus,

dass du überzeugend dichten kannst, ist kein Geheimnis. Ob du ein zweiter Goll bist, kann ich nicht beantworten; aber dein Haiku-Verständnis ähnelt seinem. Leider kann ich seine Haikus, wegen dem Urheberrecht, nicht zitieren. Aber seine Beispiele könnten auch von dir sein.

Ich selbst huldige einem lakonischen Stil. Hemingway, zum Beispiel, ist einer meiner Lieblingsautoren. Er schreibt schnörkellos, so tritt die Wirklichkeit, die er beschreibt, klarer hervor. Das gefällt mir: lebendige Wirklichkeit.

Dazu ein eigenes Beispiel:

Mmh - der Milchkaffee
duftet auf meiner Hose
montags im Büro


Das ist freilich kein Haiku, eher ein Senryu.

Yvan Goll würde vielleicht bunte Montage schreiben, oder er ließe aus dem Milchkaffee eine Frau werden, die dem lyr. Ich, montags, auf dem Schoß sitzt. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.


Bis dann!

Rocco
« Letzte Änderung: April 07, 2021, 14:25:11 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher