Blumenwiesen > Im Gras wispert Hoffnung

Osterritus

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Erich Kykal:
Und wieder wird es Zeit für Rituale,
als könnten wir nicht ohne ebendiese
gemeinschaftlich bestehen. Die Verliese
des Geistes drehen weiter die Spirale

von stumpfer Wiederholung: Deren Bande
versichern schwache Seelen ihrer Nähe
im Trost, den ohne Handlung keine sähe
in einem in Konsens erstarrten Lande.

Den einen ist es heiligste Verrichtung,
den anderen nur Brauchtum, Kolorit,
doch viel zu viele machen eifrig mit
bei dieser zerebralen Fehlgewichtung.

Wann wird die Menschheit jemals wohl erreifen,
kann ohne Krücken aufrecht stehn und handeln
und diese Welt in einen Ort verwandeln,
den alle als den besseren begreifen?

gummibaum:
Lieber Erich,

treffliches Gedicht über die Zweifelhaftigkeit der Bewahrung leerer Formen.

Wer an der Welt leidet, könnte es ja ändern, aber die Flucht in den Balsam von Mythos und Ritus scheint einfacher. Einmal so programmiert, halten Denken und Fühlen zäh daran fest.

Sehr gern gelesen.
Liebe Grüße von gummibaum


Manche bringen auch schon einiges durcheinander:


Wie schön, dass wieder Ostern ist,
und Jesus durch den Garten springt,
ein Osterlämmchen pflückt und frisst,
und bunten Kindern Eier bringt.

Und toll ist auch, dass dieses Fest
ein Häschen, fast vom Tod besiegt,
im Jubel auferstehen lässt,
damit es bald zum Rammler fliegt…

Erich Kykal:
Hi Gum!

Nett durcheinandergewürfelt, dein Osterbrauch!  ;D So könnte es in zukünftigen Museeen dereinst gedeutet werden, wenn Menschen in 10.000 Jahren Ausgrabungen über unsere Epoche machen und die marginalen Überreste sinnstiftend zu interpretieren versuchen ...  >:D ;) ;D

Das Ritual ist Gesellschaftskitt - wer daran rüttelt, begeht für die meisten ein Sakrileg der Untergrabung dessen, was und worüber sich diese Gemeinschaft definiert. Aber sollten wir nicht irgendwann fähig ein, unsere sozialen Konglomerate über würdigere Elemente zu definieren als über diese von dir so trefflich bezeichneten "leeren Formen"?

LG, eKy

Sufnus:
Mein lieber eKy!

An dem Punkt der Religionskritik kommen wir zwei nicht so recht zusammen - obwohl ich ja durchaus schwer auf der atheistischen Seite unterwegs bin und großen Teilen des Bodenpersonals (vulgo: Mönche/Priester/Mullahs/Schamamen etc.) der diversen Gottheiten - zurückhaltend formuliert - äußerst kritisch gegenüberstehe. Dennoch glaube ich zutiefst daran, dass nur eine pluralistische Gesellschaft, in der auch exzentrischen oder sogar unsinnigen Haltungen ein ordentlicher Freiraum zugestanden wird, wirklich lebenswert ist.

Dieser Freiraum hat wohlgemerkt da seine Grenzen, wo die Freiheit des Andersdenkenden (ich liebe das zugehörige Zitat von Rosa L. sehr) in Frage gestellt wird!

Wenn mir also irgendein verlauster Mullah erzählen will, ich solle gefälligst so-und-so-oft-mal gen Mekka buckeln oder ich dürfe kein Abbild des Propheten anfertigen oder kein Schnitzel Figlmüller Art zu mir nehmen, dann werde ich äußerst humorlos darauf reagieren. Dito, wenn mir ein dämlicher klimabewegter Gutmensch in Missionarshaltung (ich meine jetzt nicht die sexuelle) gegenübertritt und mich von seinem Way-of-Life überzeugen will. Das geht alles gar nicht. (zum letzten Punkt: Eine Reduktion von CO2-Emissionen ist natürlich trotzdem essentiell - gar keine Frage! Das ganze bekommt nur bei einigen FFF-Gläubigen doch beunruhigend übergriffige Züge.

Und um bei der Religion zu bleiben: Eine religiöse Organisation, die nicht fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht, die sollte meines Erachtens (Religionsfreiheit hin oder her) knallhart verboten werden. Wenn ich (selbstredend demokratischer ;) ) Kaiser von Deutschland wäre, würde das als erstes die diversen zauselbärtige Scharia-Pseudos treffen, die Frauen zu Menschen zweiter Klasse degradieren. Dann käme die russisch-orthodoxe Kirche an die Reihe, von deren Deutschlandniederlassungen ich mal ein ganz klares Statement zu Putin (aber auch zur Homosexualität oder zu anderen Religionen) abfragen täte und als nächstes schlüge der Blitz bei der verlogenen katholischen Kirche ein, die wenn man genau hinschaut mit Pluralismus und dem Alle-Menschen-sind-gleich-Grundsatz durchaus ihre Probleme hat.

Also von daher bin ich wohl eher unverdächtig, auf religiöse Hardliner unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit allzuviele Rücksichten zu nehmen. Etwas ganz anderes ist es aber bei religiösen Menschen, die sich mit ihrem Glauben niemandem aufdrängen. Selbst wenn dieser Glaube mir dann noch so unsinnig erschiene, würde ich es schön finden, dass er seinen Platz auf dem großen Markt der Ideen findet. Wie gesagt: Die Freiheit des Andersdenkenden ist die rote Linie dabei.

Und wenn ich unter dieser Prämisse auf die Zeilen von Dir schaue, lieber eKy, dann scheinen sie mir eher einen Angriff auf die pluralistische Idee darzustellen. Am Ende sollen doch bitte alle nach der Pfeife des lyrischen Ichs tanzen und sich an dessen aufgeklärter Sichtweise der Welt ein Vorbild nehmen - bei sowas gehen bei mir ein paar Alarmlichter an... insofern hält sich bei diesen Zeilen meine Begeisterung in Grenzen. Verstehst Du das Problem? Ich sehe Dich in der Story in der Rolle des "Bekehrers" und damit (auch wenn Deine Absichten ehrenvoll sind) irgendwo auf Augenhöhe mit einem nervigen Missionar in Diensten irgendeines Glaubens. Dass Du im Gegensatz zu meinethalben einem verstrahlten Yogijünger die Ratio auf Deiner Seite hast, tut hier für mich nix zur Sache.

Du kannst mich aber gerne der Missinterpretation überführen. Diese Überführung - das sag ich aber schonmal gleich - wird Dir jedoch nur überzeugend gelingen, wenn Du Dich dazu durchringen kannst zu sagen, dass Du kein Problem mit Leuten hast, die einen vollbärtigen Opa, einen zotteligen Typ und einen Vogel als höchste Wesenheit verehren (sprich: Du lässt solche Typen in Ruhe, vorausgesetzt, die lassen auch Dich in Frieden) :)

LG!

S.

Erich Kykal:
Hi Suf!

Ich glaube, du bist da interpretativ völlig auf dem Holzweg, nix für ungut.

Ich prangere die unfertige Bedürftigkeit der Menschheit auf evolutionärer Basis an - diese global betrachtet insgesamte Unreife halbgarer Gehirne (wir sind ja noch lange nicht ausevolviert, auch wenn heilige Bücher uns als "Ebenbild Gottes" kolportieren ...), die so leicht von längst wissenschaftlich Widerlegtem, aber selbst vom abstrusesten Unsinn zu übereugen sind, bloss weil das für sie tröstlicher erscheint als nackte Objekvität und ein klarer Blick auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung bezüglich der Existenz von Göttern im bereits bekannten Universum.

Dem Einzelnen, so er niemandem damit ans Bein pinkelt oder missonieren will (was immer der Hybris entspringt, dass die eigene Lehre und damit man selbst besser wäre als alle anderen ...), gönne ich seine verqueren Welterklärungsmodelle, so er ohne nicht leben möchte, von Herzen.
Wenn er stark im Glauben ist und ohne Minderwertigkeitskomplex, wird er sich von einem wie mir, der sein demokratisches Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch nimmt, auch nicht herausgefordert oder gar "religiös beleidigt" fühlen - was eben nur diesen Minderwertigkeitskomplexlern passiert, denn ihr Sebstwert hängt leider ganz an ihrer religiösen Idenität und verträgt daher keinerlei abweichende Meinung, die immer sofort als persönlicher Angriff empfunden und lauthalsend als "Gotteslästerung", sprich "Blasphemie" angeprangert wird, so als dürfe man grundsätzlich nichts Negatives oder auch nur kritisch Hinterfragendes über irgendeine Form des Glaubens sagen, ohne soziale Ächtung oder gleich ein Todesurteil zu verdienen.

Wer sich also von meinem "Werd erwachsen, Menschheit!" schon unangenehm berührt fühlt, sollte vielleicht mal die eigenen Gedanken dazu erforschen, und wie er dazu kommt.  ;)

Meine letzte Strophe bezieht sich nämlich keineswegs auf gesellschaftlichen Pluralismus, sondern auf die Hoffnung, dass endlich irgendwann alle Menschen innerlich stark genug sein mögen, zerebral wie emotional, sich der wahren Realität des Universums zu stellen, basierend auf klarer Wahrnehmung wissenschaftlich beweisbarer Faktenlage und objektiver Gewichtung von Wahrscheinlichkeiten, was die Plausibilität religiöser oder verschwörungstheoretischer Welterklärungsmodelle angeht.
DAS ist der "Ort, den alle als den besseren begreifen".  :)

LG, eKy

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