Autor Thema: Ressentiments und gesellschaftliche Solidarität  (Gelesen 1867 mal)

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Ressentiments und gesellschaftliche Solidarität
« Antwort #15 am: Mai 14, 2020, 17:32:56 »
Ich glaube Hans hat schon versucht zu differenzieren. Jedenfalls kam das für mich so rüber, ich sah definitiv Bemühungen keine Brände zu schüren. Ich weiß aber, dass meine Wahrnehmung dahingehend nicht immer zuverlässig ist.
Was der Naidoo macht ist mir wurst, ich hab den noch nie gemocht, bin ich doch eher einer aus der Regie von Zwingerberger, Chopin oder auch gern Elektro. Im Moment läuft das hier: https://youtu.be/3lIyDxfUhxM

Ich lehne jegliche Art von Radikalität ab, sei es rechtsextrem, sei es linksextrem, sei es der radikalisierte Islam, der radikale "Deutsche" oder der radikalisierte Ami. Für mich gehört alles weg aus dieser Richtung, weil ich den Frieden und die Stille mag.

Mir scheint, als ob Hans und du ähnliche Ansichten vertretet, diese aber in ungünstig gewählten Worten die Kommunikation erschweren.
Jene, die wirklich Hilfe brauchen, dürfen sie gern erhalten und das in vollem Ausmaß. Und davon gibt es viele, dieser Missstand steht ihnen in den Augen geschrieben. Leider ist es so, dass der Übergang in unser Land nicht einfach ist und viele den Sprung in die deutsche Kultur nicht schaffen. Diese wenden sich anderen Dingen zu wie der Beschaffungskriminalität und dann gibt es noch jene, die keinerlei Motive als ihren radikalen Glauben besitzen (Es gibt ja auch noch die "Clans"). Für mich ein unverantwortlicher pathologischer Fundamentalismus, der keinerlei offene Diskussion mit anderen Positionen zulässt. Hier krankt die Psyche und von dort droht auch die Gefahr und ich glaube Hans meinte diese Gefahr. (Angaben ohne Gewähr  ;D).

So. Wir können die Situation in Deutschland mit den Menschen nicht wirklich ändern, außer wir werden selbst politisch aktiv und machen in dem Bereich Karriere. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies gelingt ist aber sehr gering. Wir können uns also primär nur auf uns selbst konzentrieren und anderen mit Wohlwollen begegnen. Sei es im Real-Life oder im Netz.
Das gilt für mich (hin und wieder scheitere ich), sowieso für Erich, für Hans und auch für Dich, lieber Sufnus.

Ich verabschiede mich in den Abend, ich hatte heute einen recht harten Tag und freue mich aufs Bett mit Buch. (Fragmentierte Gewässer)

vlg

EV
« Letzte Änderung: Mai 14, 2020, 17:39:58 von Eisenvorhang »

Erich Kykal

Re: Ressentiments und gesellschaftliche Solidarität
« Antwort #16 am: Mai 14, 2020, 18:31:48 »
Das Problem ist die Radikalisierung an sich.

Seit Jahren beschleicht mich das Gefühl, dass der Ton zwischen Menschen, Gruppen und Nationen immer ein wenig härter wird, ein Stück weit weniger vergebungswillig oder von dem Bemühen um Einsicht getragen. Man fühlt sich eher gern pauschal angegriffen, am besten gleich von ganzen Kulturen und Völkerscharen, oder plitischen Einstellungen.

Wisst ihr noch, wann es zuletzt so war in Europa? Ja, richtig, immer vor den großen Weltkriegen! Da hetzte ein Kaiser gegen die Briten und Franzosen, Anarchisten gegen Adelshäuser, Arbeiter gegen ausbeuterische Unternehmer und Unternehmer gegen revolutionäres Gesindel!
Und ein paar Jahrzehnte später hetzte ein Herr Hitler erfolgreich gegen die jüdische Weltverschwörung, den Bolschewismus und degenerierte Demokratien. Die Kommunisten hetzten gegen die Kapitalisten und Bürgerlichen, und jene gegen die rote Gefahr!
Alles suchte sich ein Feindbild, möglichst pauschal zum bequem drauf Eindreschen. Keiner wollte mehr hören, dass das ja auch Menschen waren! Die Folgen sind bekannt: Rassedünkel, Fanatiker, Diktatur, Terror, Gewaltherrschaft, Besetzung, Verfolgung, Massenmord, Genozid, Weltkrieg. (Und sicher nicht nur bei den Deutschen - Stalin hat sogar mehr Menschen auf dem Gewissen, was befohlene Morde angeht, als Hitler. Der größte aller Massenmörder, rein nach Zahlen, war aber Mao in China - wer hätt's gewusst?)

Man kann eine Meinung haben und sie vertreten, keine Frage. Ich beispielsweise bin kein Freund von Religionen, und den Islam empfinde ich als besonders restriktiv,  widersinnig und demütigend für jeden frei denkenden Menschen. (Interessantes Detail: Als das Christentum in loderndem Glauben an die Gottgewolltheit ihres Handelns in grausame Kreuzzüge zog, war der Islam entgegengesetzt dazu die wesentlich tolerantere und friedfertigere Religion - das ändert sich heute ...)

Der entscheidende Faktor ist: Die Radikalisierung.

Zitat aus Krieg der Sterne: "Der Sith ist fanatisch. Er kennt nur Extreme. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. In seiner Welt gibt es nur Schwarz oder Weiß."
Das trifft für alle zu, die man gemeinhin als grausam und wahnhaft kennt, oder als "große Führer" - je nachdem, wer letztendlich gewonnen hat ...

Ob ein fanatischer Terrormuslim, der glaubt, sein Gott will den Tod aller Ungläubigen, oder ob der (nicht immer nur muslimische) Mann, der allein aufgrund seines Geschlechtes das Recht zu haben glaubt, seine und alle Frauen wie Dreck behandeln, verprügeln, verstümmeln, wie Vieh verkaufen oder sogar ermorden zu dürfen, ob der giftspeiende Hassprediger, der immer auf der Suche nach leicht manipulierbaren Gemütern ist, denen er Bombengürtel umschnallen kann -  oder ob der Neonazi, der sich in all seiner proletarischen Bildungsferne als rassisch überlegen sehen will, weil er sonst weder Talente oder Geistesgaben hat, mit denen er beeindrucken oder etwas erreichen könnte, ob der rechtskonservative Demagoge, der in Provinzbierzelten auf Seelenfang geht für seine Mär von der "Wohltemperierten Grausamkeit", oder ob ein Dichter, der in jedem Forum, das er besucht, früher oder später seine Brandgedichte postet, weil er glaubt, nur so zu den "Guten" zu gehören (denn er ist ja überzeugt davon, dass das, was er tut, berechtigt ist und positive Früchte tragen sollte) ...

 - letztendlich unterscheiden sie sich im Grad ihrer Verstiegenheit, darin, wie weit sie gehen würden, um ihre Sicht zu verwirklichen, aber eins vereint sie alle in unterschiedlichem Ausmaß: Die Radikalisierung.

Sie verhindert, dass sie objektiv Gesamtbilder evaluieren (wollen), Einzelschicksale noch wahrnehmen (wollen), sie sehen sich als aufrichtige Mahner, pauschalisieren und verdammen aber wieder ganze Gruppen, Kulturen, Völkerscharen - wie damals. Sie sind für einfache, radikale Lösungen, die rasch und endgültig funktionieren - denn so wollen sie die Welt haben: Einfach, überschau- und vor allem berechen- und kontrollierbar.
Angst essen Seele auf, machen hart und kalt.

Es gibt sie sicher, und es gibt sie überall: Die Wahnsinnigen, die Eiskalten, die Machtbesessenen, die Soziopathen, die Hetzer, Verführer, Kontrollmonster und Sadisten! Und weil immer mehr Menschen ihr Spiel zu spielen bereit sind, gewinnen sie an Boden und Gehör. Wieder einmal. Die Waage neigt sich erneut zur anderen Seite. Ich fühle eine neue Dunkelheit heranwachsen, und sie trägt viele Namen.

Hüte dich, Jedi.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Mai 15, 2020, 13:28:39 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.