Autor Thema: Fundbüro im All  (Gelesen 622 mal)

Eleonore

  • Gast
Fundbüro im All
« am: Dezember 31, 2019, 14:12:10 »
Fundbüro im All

Verloren hab ich viel in diesen Zeiten
und in den letzten, vorher, auch.
Wo liegt's? Wo fliegt's?  In welchen Breiten?
Das schwarze All trägt's noch im Bauch.

Trägt Schlüssel, Geldstücke, manch' Souvenir,
den blauen Jeansrock, und ein Lieblingsbuch.
Hat auch geschluckt Gedanken (sicher mehr als vier),
Kettenanhänger und mein schönstes Tuch.

Wo ist dies alles, wo ist dieser Tand?
Wo fliegt er rum, wo kam er hin?
Ob eine Marsschulklasse meine Bücher fand?
Schwitzt nun mit grünen Ohren über deren Sinn?

Verloren hab ich viel in diesen Zeiten!
Und in den letzten, vorher, auch!
Ein Trauertuch könnt ich darüber breiten
über den sternbesäten Universumsbauch.

Er schluckte allzu gierig manche Liebe;
er fraß den Ehrgeiz, stahl den Traum.
Frage ich ihn, ob denn Hoffnung bliebe,
schickt er am Weltenmeer mir eine Woge Schaum.
« Letzte Änderung: Dezember 31, 2019, 14:37:24 von Eleonore »

Agneta

  • Gast
Re: Fundbüro im All
« Antwort #1 am: Januar 04, 2020, 18:36:33 »
aber er schickt dir auch den Blick übers Wattenmeer, liebe Eleonore und der ist auf jeden Fall ein Gewinn.
Ich verliere immer Schirme..., LG von Agneta

Eleonore

  • Gast
Re: Fundbüro im All
« Antwort #2 am: Januar 05, 2020, 12:01:06 »
... Deine Schirme sind sicher auch im Fundbüro im All angestrandet, Agneta.

Ich sinniere manchmal darüber, wo all die Dinge hingekommen sind, die ich mal gehabt habe und die einfach weg sind - eben zB. besagter Jeansrock oder eine Gedichtesammlung von Borchert. Als ich dann im "Drive" des Schreibens war, kamen gleich noch nichtmaterielle Sachen mit hinzu.

Und jaja, der Blick über das Wattenmeer ist unvergleichlich.

lG Eleonore

Sufnus

Re: Fundbüro im All
« Antwort #3 am: Januar 13, 2020, 11:35:08 »
Das ist wirklich sehr schön, liebe Eleonore! Mir gefallen die Zeilen richtig gut! :)
Es könnte sich lohnen, nochmal beim Metrum etwas nach zu feilen: In einigen Zeilen wird der weitgehend regelmäßige Jambus nicht durchgehalten: S2Z1, S2Z4, S4Z4 und S5Z3. Außerdem ist die Anzahl der Hebungen unregelmäßig: mal vier, mal fünf und ein paarmal sechs.
Ich würd aber gar nicht unbedingt empfehlen, das Gedicht jetzt in einen komplett regelmäßigen fünfhebigen Jambus umzuwandeln (außer als formale Übung) - das könnte schnell einen leiernden Klang erzeugen. Aber ein paar Angleichungen würd ich vielleicht vornehmen.
Der Trochäus (oder etwas unregelmäßige Daktylus) in S5Z3 könnte übrigens sogar inhaltlich gerechtfertigt werden; hier wird der Leser aus dem Lesefluss aufgeschreckt und die entscheidende Frage wird gestellt: Was dürfen wir hoffen?
LG!
S.

Eleonore

  • Gast
Re: Fundbüro im All
« Antwort #4 am: Januar 15, 2020, 18:13:00 »
Hallo Sufnus

und Danke für Dein Würdigen meines Fundbüros  ;D .

Ich mochte es auch, wie es plötzlich auftauchte, als ich über den ganzen verlorenen Krimskrams nachdachte.

Deine Ideen werde ich beherzigen.
Sobald das Wochenende ins Land zieht,
isses soweit.

(Wer schon im normalen Sprachgebrauch derartig verschraubte Formulierungen benutzt, muss einfach dichten , nichtwahrnicht. (Bin noch ganz aufgepeppt von Erichs hipphoppGedicht ) )

lG Eleonore

Sufnus

Re: Fundbüro im All
« Antwort #5 am: Januar 16, 2020, 13:50:33 »
Bin zwar sonst nicht handwerklich begabt, aber verschraubte Formulierungen, Hammer-Gedichte und Sentenzen, die den Nagel auf den Kopf treffen, mag ich sehr! :)