Autor Thema: Der Liebesgott  (Gelesen 1451 mal)

hans beislschmidt

Der Liebesgott
« am: Mai 01, 2020, 15:48:37 »
Erichs Version

Verlöre ich mein Herz aus einer Vielheit Summe,
ich schölte immerzu den leeren Platz in mir -
Verklänge auch zuletzt der Ton darin und stumme
Gespenster leichter Wellen schwöllen hin zu dir -

Zerbrächen diese Dämme berstend meine Fugen -
je nun, ich schiede ohne Zag aus diesem Leben,
es will gar scheinen, Götter hülfen nicht den Klugen
und fragten, was verdürbe, wenn ich stürbe. Eben.

Alte Version


Verlöre ich mein Herz aus der Vielheit Summe,
ich schölte immerzu den leeren Platz in mir.
Wenn auch verklänge dieser Ton und stumme
Geister leichter Wellen schwöllen hin zu dir.

Zerbrächen diese Dämme berstend meine Fugen,
je nun, ich schiede ohne Zag aus diesem Leben,
es will mich gar bedünken, Gott hülfe nicht den Klugen
und fragte vielmehr, was verdürbe, wenn ich stürbe? Eben.
« Letzte Änderung: September 25, 2020, 16:45:24 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Der Liebesgott
« Antwort #1 am: Mai 02, 2020, 10:53:50 »

Verlöre ich mein Herz aus der Vielheit Summe,
ich schölte immerzu den leeren Platz in mir.
Wenn auch verklänge dieser Ton und stumme
Geister leichter Wellen schwöllen hin zu dir.

Zerbrächen diese Dämme berstend meine Fugen,
je nun, ich schiede ohne Zag aus diesem Leben,
es will mich gar bedünken, Gott hülfe nicht den Klugen
und fragte vielmehr, was verdürbe, wenn ich stürbe? Eben.

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Hi Hans!

Sorry, aber jetzt platzt mir wieder mal der Kragen!  >:( Ich habe diesmal ja lang versucht, deine himmelschreienden Schnitzer zu ignorieren, ließ viele Werke unkommentiert (und glaub mir ruhig: es ist in JEDEM deiner Werke dasselbe traurige Bild!), aber ich habe heute einen miesen Tag und schlechte Laune - und dann kommst du wieder mit sowas! Wird mir hinterher wieder mal echt leid tun, aber im Moment kann ich nicht anders:

Ich habe die metrischen Unstimmigkeiten fett unterlegt, nur für den Fall, dass sie dir sonst nicht aufgefallen wären - beim Schreiben deiner Werke scheint das ja bei dir regelmäßig der Fall zu sein: Hebungsprall, Senkungsprall, zu viele Heber in manchen Zeilen oder zu wenige in anderen, unregelmäßiger Auftaktwechsel, unregelmäßiger Kadenzenfolgewechsel - du lässt keine Sünde aus, welche die lyrische Qualität eines Gedichtes mindern kann, und das ALLES schon in einem einzigen Zweistropher!!

Nebenbei gesagt ist der Satz in S1Z3 sinnlos inversiv: Viel schöner wäre: "Verklänge auch zuletzt der Ton datrin und stumme" (angeglichen auf 6 Heber)
Und wenn du Konjunktive zeilenweise aneinanderreihst, solltest du die Zäsuren durch Pünktchen oder Bindestriche anzeigen, bis der passende Satzteil (S2Z2) den Spannungsbogen endlich auflöst.

Man kann dich noch so oft darauf aufmerksam machen: Du erweist dich allem gut Gemeinten gegenüber nachhaltig belehrungs- und lernresistent, berufst dich lieber dickköpfig auf "dichterische Freiheit" oder deine "eigene Formen" oder Ähnliches ...  ::) Keine Ahnung, ob das nun bloß Unwilligkeit ist oder der fadenscheinige Versuch, schlichte Unfähigkeit zu kaschieren!
Ich habe wirklich oft versucht, dir etwas beizubringen, damit du dich weiterentwickelst und nicht mehr so himmelschreiende formale Schnitzer begehst, die jeden musischen oder musikalischen Menschen mit "Takt"gefühl in den Wahnsinn treiben könnten - ich bin es leid, dass es offensichtlich nichts fruchtet. Du bist und bleibst einfach ein Patzer ...

Zum Vergleich eine metrisch korrekte Version (wird dich eh nicht interessieren ...  ::)):

Verlöre ich mein Herz aus einer Vielheit Summe,
ich schölte immerzu den leeren Platz in mir -
Verklänge auch zuletzt der Ton darin und stumme
Gespenster leichter Wellen schwöllen hin zu dir -

Zerbrächen diese Dämme berstend meine Fugen -
je nun, ich schiede ohne Zag aus diesem Leben,
es will gar scheinen, Götter hülfen nicht den Klugen
und fragten, was verdürbe, wenn ich stürbe. Eben.

So gäbe es keine metrischen Ungleichgewichte und keine formalen Fehler: Alles hat 6 Heber. Einzig die Kadenzenfolge der Strophen bleibt unterschiedlich, aber das ist die lässlichste Sünde.

Vergib mir meine Offenheit.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Mai 02, 2020, 10:56:15 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Der Liebesgott
« Antwort #2 am: Mai 02, 2020, 17:29:40 »
Ich wusste nicht, wie vor ein paar Tagen ein einziger Besuch im Tierheim mein Leben verändern würde. Anlass war die Freundin einer Bekannten, die neben einem ausgeprägten Altruismus noch einen fast pathologischen Hundetick hatte. Das erfuhr ich aber erst, nachdem ich mich überreden ließ sie an einem Samstag Nachmittag zum Hundeäußerln zu begleiten. Ich war zuerst etwas verwundert, als ich ihre etwas nuttige Aufmachung sah, fand es aber dann ziemlich teasing, als sie sich ins Auto setzte und ihr kurzer Rock gefährlich nach oben rutschte. Ich wusste was sie vorhatte und auch, dass sie nur darauf wartete bis ihr zwischen die Schenkel fasste. Im Tierheim angekommen, wurden wir von der Leiterin, einer älteren Dame, sehr freundlich begrüßt und sogleich herum geführt. Die Hunde waren in Käfigen untergebracht und es schien, als wüssten sie, dass sie nun etwas Auslauf genießen durften. Jeder Käfig war mit Namen beschriftet und langsam gingen wir an den Namen vorbei. Ein Käfig war mit Telephon beschriftet, ein anderer mit Konjunktiv. Die Leiterin erklärte, dass diese Hunde es besonders schwer hätten aus dem Käfig heraus zu kommen, weil niemand sie haben wolle. Ich schaute mir den Konjunktivköter etwas länger an und war von seinem traurigen Blick direkt berührt. Ich sagte zu meiner Bekannten, dass ich den Konjunktiv gerne mitnehmen wollte, obwohl ich sah, dass meine Bekannte zu dem Terrier gegenüber schielte. Sie war aber einverstanden, als ihr sagte, dass zehn Gehminuten ein versteckter Hochsitz wäre, den ich ihr gerne zeigen würde. Der kleine Konjunktiv zeigte Anzeichen von Freude, als er die Hundeleine sah und wedelte zaghaft mit dem Schwanz. Gleich hinter dem Tierheim begann eine große Wiese mit einem angrenzenden Wald. Ich sagte zu dem Hund im freundlichen Ton, dass wir ihn gerne Koni nennen würden und zu unserer Überraschung sagte Koni, "Ich zöge Konjunktiv zwar vor aber wenn du meist, so sei es denn." Wir waren erst mal sprachlos. Ein sprechender Hund ... wow. Nach ein paar Minuten erreichten wir eine lauschige Bank, die aber ringsrum von allerlei Unrat verschandelt war, den achtlose Spaziergänger weggeworfen hatten. Koni sagte unvermittelt, "hübe jeder seinen Müll auf, sähe es hier viel hübscher aus". Meine Bekannte bog sich vor Lachen und ließ sich auf die Bank fallen. Sie bekam kaum noch Luft und stöhnte, "wir hätten doch den Terrier nehmen sollen, der hätte wenigstens keinen Bullshit erzählt". Ich sagte, dass wir froh sein sollten, dass Koni überhaupt sprechen könne und Koni verbesserte sogleich, "spräche ... spräche soll es heißen!" Meine Bekannte sagte darauf, dass, wenn er noch einmal sein Maul aufmachen würde, sie die Töle sofort zurück bringen wolle und Koni setzte einen beleidigten Blick auf. "Ich bin für freie Rede, auch wenn es ein Hund ist", sagte ich im bestimmten Ton. Meine Bekannte war ziemlich humorlos und sprang sichtlich genervt von der Bank auf und sagte verächtlich, "dann kannst du ab hier mit dem Viech alleine gehen und dir auf dem Hochsitz selber einen runter holen! Ich jedenfalls rufe mir jetzt ein Taxi". Koni und ich setzten von da an unseren Spaziergang alleine fort und es dauerte nicht lange, bis das arme Tier seinen Leidenslauf schilderte. Früher wurde er in der Oberstufe zitiert und gelesen und konnte detailliert seinen Stammbaum von Rilke über Hölderlin, bis hin zu Chamisso runterbeten aber heute würden alle lachen, wenn er von schwöllen und zöge sprach, Wörter, die er so gerne mochte. Er stünde jeh denn kurz vorm Aussterben, denn erfrören nicht die schönsten Blumen in Kälte und Mißachtung? Ich versuchte ihn zu beschwichtigen, dass ich seinen Tod so nah nicht sähe und machte mich erbötig ihm zu helfen. "Bei allen Göttern, wenn das gelänge?" seufzte Koni und knickte das rechte Ohr etwas ein. Ich erzählte ihm von einer bestimmten Wiese, die ich kenne und da wäre es noch so wie früher zu Ebner Eschenbachs Zeiten. Man spricht dort von der sogenannten Schwurbelwiese bedeutete ich ihm geheimnisvoll und seine braunen Augen begannen etwas zu leuchten. Sicher wäre das kein großer Bahnhof und Preise gäbe es mitnichten zu gewinnen aber ich könnte dort des öfteren kleinere Konjunktivsamen ausstreuen, die vielleicht dort in Gesellschaft gedeihen könnten. Koni war nun voller Hoffnung und zog erwartungsvoll an der Leine. Natürlich müsste ich die kleinen Konjunktive mit einem gehörig Maß an Gälle streuen, brächten sie den gewünschten Ertrag aber das würde von den Schwurbilanten niemand bemerken, versicherte ich Koni. Wie erwartet, war er's zufrieden, froh, dass ich seinem Aussterben einen gewissen Aufschub verschafft hatte. Meinen weiteren konjunktiven Ausführungen über Synapsenplaque und dem damit einhergehenden Dunning-Kruger Syndrom hörte Koni nur noch mit halben Ohr zu, auch dass er mich um den Hochsitz-lieb gebracht hatte, störte ihn nur wenig - er war endlich wieder glücklich...

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Hi Erich,
schön, dass du wieder mal bei mir kommentiert hast. Bestimmt bist du heute mit dem linken Bein zuerst aufgestanden. Es gibt solche Tage und ich weiß das selbst nur zu gut. Dank diesem schönen, etwas rudimentären Forum bin ich mit Freude und Gelächter zu der ehrenamtlichen Gralshüterfunktion des Konjunktivs gekommen und im Alphabet noch lange nicht bei Z angekommen. Dabei habe ich die "traun fürwahr" Sülzenbegriffe auch noch nicht ausgeschöpft. Mich treibt die Frage um, wie man in einer Art Defibrillatoren-Lyrik sein Reimauskommen finden kann? Thesen dazu hätte ich ja einige aber es hinterlässt auch Staunen darüber, was du dir alles gefallen lässt hier und anderswo. Du, ein ausgesprochener Wortkünstler, der Gedichte wie Partituren zu lesen vermag, solltest doch die Gabe besitzen zu unterscheiden, wer es gut mit dir meint. Sollte man meinen. Ich mag dich Erich, nicht weil du ein Lyrik Nerd bist, sondern weil deine zuweilen unkontrollierte Rotstiftlehrermanie schon wieder drollig ist. Bleibe mir trotzdem gewogen. Deine Vorschläge sind klasse, auch wenn du mein "bedünken" gekickt hast. Ich werde alles treulich mit Dank übernehmen.
Gruß vom Hans

p.s. keine Zeit mehr für Korrektur und wenn's deine Zeit erlaubt, vielleicht noch ein paar Sätzchen zur metaphorischen Aussage des Werks, vor allem V2 Z3 Z4 ... wäre nett.
« Letzte Änderung: Mai 02, 2020, 17:39:26 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Der Liebesgott
« Antwort #3 am: Mai 02, 2020, 18:49:10 »
Ich hatte mich ja auch schon gewundert, wo der Konjunktiv herstammen könnte! Und jetzt hat er sogar einen Stammbaum - und sei's nur zum Dranpinkeln! Schöne Hundestory, die mich stärker berührte, wäre ich nicht ein Katzenmensch ...  ;) ;D

Höchst amüsierte Grüße, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Der Liebesgott
« Antwort #4 am: September 25, 2020, 16:48:44 »
Nochmals Danke für die Bearbeitung, Erich. Werde ich gerne übernehmen. Wo jetzt der Römer wohl schreibt? Immerhin hat er den Impuls geliefert für den Nonsense Konjunktiv. Gruß vom Hans
« Letzte Änderung: September 25, 2020, 16:50:31 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)