Autor Thema: Herbst (nach Tchernobyl)  (Gelesen 1049 mal)

cyparis

Herbst (nach Tchernobyl)
« am: November 01, 2011, 20:56:29 »

Die fast erloschne Fackel
voll von Dämmer, halbem Brand,
von letztem Blut den süßen Mund so scharf umrissen;
mit Kohlen, Dunst und Brodem -
mit dieser Fackel und mit warmem Laub gefüllt die Hand,
in seinen Augen alles Wissen,
alles Sein des Werdens, Gehens,
Scheidenmüssens
zieht wieder Herbst durchs Land.

In seinen braungefellten Lenden,
in seinem sommervollen Bauch,
an seinen weingetränkten Seiten
dehnt sich das Gras,
wird herb und schwer, wird Ruch und Hauch,
und schüttet seine Samen
hinaus in's düstre, freie Feucht,
in all die offnen Landesbreiten.
Sie sind bereit, draus die Welt zu spreiten.
Sommer fleucht,
er hat die Knospen hingereicht,
willig, warm, so voller Raps und Bergzyklamen.
Herbst steht bereit!
Rundum das Land,
Gauchheils voll,
wird unbemannt, wird fremd, wird weit,
bleibt unbesamt und schreit
vergeblich jetzt nach Fruchtbarkeit.

O Herbst!
Wie willst Du walten?
In Deinen prächtig vollen, alten
Wäldern haust's sich schwer.
Dich tragen Deine vollen Hüften nicht mehr weit,
denn, was Dich mästete, Dich breit
und fruchtbar machte,
ist dahin, ist leer.
Deines Felles, Pelzes, Haares Falten,
Deines wilden Blutes Speer
beugt sich Gewalten,
die Dir nicht mehr
Zweige, Blatt und Früchte halten,
Dich daran aufzuschwingen
in das Heer der Elementgestalten.
Deine Klagen?:
"Ja, so sehr
liebt ich Butten, Astern, Schlehenbeer -
und kann sie nicht verwalten
bei dieser bösen Gegenwehr!"

D u bist dahin, mein Herbst,
bist nicht mehr der von einst,
bist schwach geworden,
nackt ,zerfressen, kahl und bleich.
D u bist jetzt der, der bang beweint
die alten Zeiten.
Was Du jetzt voller Tollheit färbst,
was Du mit brauner Trän begreinst,
sind Satans losgelassne Horden:
so sanft, so blass, so gleich, so gleich,
so tastend, glänzend, silbern, weich -

und Dir und mir ist's Grab gezeigt,
in das wir sinnlos, leblos gleiten,
weil weder Dir noch mir,
mit unsrem unheilsvollen Schwangerschaftsgeschwür,
das Leben, das Du gabst,
die Hand gereicht.








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Guenter Mehlhorn

Re:Herbst (nach Tchernobyl)
« Antwort #1 am: November 02, 2011, 14:33:22 »
Überwältigend.

Aba für mir zu ville.

LG.Günter.

Wenn de Pilze isst aus Bayern,
kannste bald Beerdjung feiern!
Reich ist, wer Zeit zum Vertrödeln hat.Mein 2. bis 22. Buch MENSCH MEIER könnt ihr kostenlos, auch als e-books, über meine eigene Homepage (siehe mein PROFIL) laden.Auf youtube 5 Videos unter: guentermehlhorn.
(GRAF von und zu KOKS von der GASANSTALT-BERLIN-BRANDENBURG-SACHSEN-POMMERN-SPITZBERGEN)

cyparis

Re:Herbst (nach Tchernobyl)
« Antwort #2 am: November 02, 2011, 19:10:56 »
Das glaub ich Dir gern! ( zu ville)

Und de Pilze darf ich in ca 4000 Jahren wieder halblos mutig sammeln, harrrrr!


Lieben Gruß!
Anne-cyparis
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