Autor Thema: Kikeriki  (Gelesen 4166 mal)

Letreo71

Re:Kikeriki
« Antwort #15 am: Oktober 04, 2014, 22:57:27 »
Lieber Gummibaum,

dann schreib ich also weiter, selber Schuld. ;)

Vielen Dank,
Letreo


Kikeriki (Ein netter Versuch!!!)

Im Strandhotel, das "Maritim",
war einst ein Koch, sehr feminin.
Er rührte zärtlich um das Ei
und verspeiste täglich zwei.

Das viele Ei bekam ihm nicht,
Pickel verzierten sein Gesicht.
Er kaufte Ei in Pulverform,
die Wirkung, die war ganz enorm.

Heut kräht der Hahn auf seinem Mist:
"Wie schön, dass der Bart geblieben ist."

 

Erich Kykal

Re:Kikeriki
« Antwort #16 am: Oktober 05, 2014, 10:57:25 »
Hi, letreo!

Eine kleine Einführung ins Einmaleins des klassischen Lyrikers:

Zu beachten sind beim Dichten hauptsächlch drei wichtige Details: Auftakt, Hebungszahl, Kadenz

1) AUFTAKT

Es gibt den betonten Auftakt (Heute, Freunde, wird's was werden") und den unbetonten Auftakt (Im Strandhotel, im Maritim,), je nachdem, ob die erste Silbe der Verszeile betont oder unbetont gelesen wird. Hat man sich einmal für eine Sorte entschieden, so sollte man innerhalb eines Gedichtes unbedingt dabei bleiben, sonst kommt der Leser aus dem Takt, es entsteht kein Rhythmus der Verse.

2) HEBER

Hebungen oder kurz Heber nennt man die betonten Silben einer Verszeile (Siehe die oben bei den Auftakten angeführten Beispiele von vierhebigen Versen). Die Anzahl der Heber pro Zeile bestimmt den Duktus, also Lesegeschwindigkeit und Eindruck. Gedichte mit kurzen Zeilen (2-4 Heber) wirken beschleunigend und wirken dynamisch, solche mit vielen Hebern (ab 5 aufwärts) entschleunigen und wirken getragen. Die Heberzahl sollte - abgesehen von Sonderformen - eher beibehalten werden. Will man unbedingt Wechsel verwenden, sollten sie aber einem festen Rhythmus folgen, zB 4-3-4-3 Heber in einem Quartett. Bestimmte Kombinationen von Auftakt und Hebungszahl haben bestimmte Namen wie Daktylus, Trochäus, Jambus, Ambibrachys,... Wer möchte, darf das auswendig lernen.

3) KADENZ

So wie es unbetonte und betonte Auftakte gibt, gibt es betonte und unbetonte Zeilenenden. Ein betontes Zeilenende heißt männliche Kadenz (m), sie wirkt streng und hart, ein unbetontes weibliche Kadenz (w), die wirkt weich und fließend. Bestimmte Gedichtformen schreiben die Kadenzen vor, so sollte das streng klassische Sonett ausschließlch weibliche Kadenzen haben (wird heute kaum noch beachtet). Kadenzen kann man wechseln (mitunter entsteht dadurch sogar eine besondere Dynamik), allerdings sollte man sich auch da an einen einmal gewählten Rhythmus halten, da auch hier sonst der Leserhythmus stolpert, zB. w-m-w-m oder w-m-m-w.


Nun zu deinem Gedicht:

Den ersten drei Zeilen entnehme ich, dass dein Gedicht unbetonte Auftakte hat, vierhebige Zeilen (Verse) und männliche Kadenzen.

Kikeriki (Ein netter Versuch!!!)

Im Strandhotel, das "Maritim", So ist das unkorrekt. Entweder "im Maritim" oder "dem Maritim".
war einst ein Koch, sehr feminin.
Er rührte zärtlich um das Ei
und verspeiste täglich zwei. Betonter Auftakt! Hier bricht dein Rhythmus. Alternative: "und er verspeiste täglich zwei."

Das viele Ei bekam ihm nicht,
Pickel verzierten sein Gesicht. Betonter Auftakt! Altern.: "und Pickel zierten sein Gesicht."
Er kaufte Ei in Pulverform,
die Wirkung, die war ganz enorm.

Heut kräht der Hahn auf seinem Mist:
"Wie schön, dass der Bart geblieben ist." Senkungssprall! So nennt man es, wenn zwei unbetonte Silben direkt nacheinander kommen. Sollte nie passieren, ebensowenig wie der Hebungsprall, wenn zwei betonte Silben zusammen stehen: "Wie schön, dass der Bart geblieben ist."
Alternative: "Wie schön sein Antlitz wieder ist!" (Den Gag mit dem Bart verstehe ich nicht - was hat das mit seinen Pickeln zu tun?)


 
Ich hoffe, meine kleine Vorlesung kann dir helfen, gewisse Dinge fürderhin zu beachten. :) Und bloß nicht ins Bockskorn jagen lassen! ;) :D

Gern gelesen!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 05, 2014, 11:00:25 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Letreo71

Re:Kikeriki
« Antwort #17 am: Oktober 05, 2014, 21:55:38 »
Hallo eKy,

vielen Dank für Deine Mühe und die Einführung! Da hab ich aber noch was vor.
Nicht jetzt und wahrscheinlich auch nicht dann, aber eines Tages, oder besser gesagt,
jeden Tag ein bisschen und dann wird das schon.
Zumindest hoffe ich das.

Kikeriki (Ein zweiter netter Versuch!!!)

Im Strandhotel, "Im Maritim",
war einst ein Koch, sehr feminin.
Er rührte zärtlich um das Ei
und er verspeiste täglich zwei.
  
Das viele Ei bekam ihm nicht,
und Pickel zierten sein Gesicht.
Er kaufte Ei in Pulverform,
die Wirkung, die war ganz enorm.

Heut kräht der Hahn auf seinem Mist:
"Wozu ein Bart doch nütze ist -
verdeckt die Pickel im Gesicht."
"Noch besser geht es wirklich nicht!"

Vielleicht wird das mit dem Bart jetzt deutlicher.

Lieben Gruß,
Letreo


« Letzte Änderung: Oktober 06, 2014, 21:54:14 von Letreo71 »

Erich Kykal

Re:Kikeriki
« Antwort #18 am: Oktober 06, 2014, 19:03:47 »
Hi, letreo!

Ja - so kann der Leser den Sinn im Bart erkennen. :)

Diesmal nur zwei Fehlerchen:

S2Z1 - Komma am Ende bleibt trotz des "und" eingangs der Folgezeile.

S2Z4 - hat einen betonten Auftakt: "Praktischer geht es wohl nicht!" und nur drei Heber, einen zu wenig.

Läse man einen unbetonten Auftakt, würde das Wort "praktischer" sehr unnatürlich klingen.

Heut kräht der Hahn auf seinem Mist:
"Wozu ein Bart doch nütze ist, Hier würde ich statt des Kommas einen Bindestrich setzen (eigentlich besser Doppelpunkt, aber den hast du schon in der Vorzeile)
verdeckt die Pickel im Gesicht, Hier erscheint mir ein Punkt oder Strichpunkt geeignet.
praktischer geht es wohl nicht!" Altern.: "Noch besser geht es wirklich nicht!" - So bleibt die Zeile im Takt: Vier Heber, unbetonter Auftakt.


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Letreo71

Re:Kikeriki
« Antwort #19 am: Oktober 06, 2014, 21:59:32 »
Hallo eKy,

vielen lieben Dank nochmal für die große Mühe.
"Noch besser geht es wirklich nicht!" :)

Ich freu mich!

Lieben Gruß,
Letreo