Autor Thema: Eisblumen  (Gelesen 1036 mal)

Erich Kykal

Eisblumen
« am: M?RZ 04, 2018, 13:12:04 »
Gewoben aus dem Hauch des Winterdunkels,
wenn selbst die Sterne aus dem hohen All
des ewig freundlich flackernden Gemunkels
sich kühl enthalten: Blumen aus Kristall.

Und niemals sind sie gleich zu gleich geschaffen,
unendlich bleibt die Vielfalt ihrer Blüten,
mit deren Glitzern wie von blanken Waffen
sie dem Bewunderer den Frost vergüten.

Und wie von jedem Augenblick erzogen,
verzweigen sich die Strahlen ins Gefüge,
als wären sie verflochtene Elogen

auf Größeres, als Sterbliche erreichen,
und grader stets als Wankelmut und Lüge
und wie ein stilles Wunder ohnegleichen.
« Letzte Änderung: M?RZ 04, 2018, 13:16:58 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Eisblumen
« Antwort #1 am: Februar 19, 2021, 09:09:43 »
Lieber Erich,
Diese unentdeckte astrale Perle gibt mir Rätsel auf
Zitat
des ewig freundlich flackernden Gemunkels 
Wie ist das zu verstehen?
Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

AlteLyrikerin

Re: Eisblumen
« Antwort #2 am: Februar 19, 2021, 12:18:37 »
Hallo Erich,

mir gefällt das Sonett über die Eisblumen ausnehmend gut. Das "Gemunkel" allerdings trifft für mich nicht den übrigen sprachlichen Duktus des Gedichtes. wie wäre es mit "Gefunkel"? Es ist ein passendes Reimwort und passt zum Sternenhimmel.
Vielleicht aber ist auch mein Sprachgefühl hier falsch, weil ich noch nicht erfasst habe, warum Du die Sterne munkeln lässt. Laut Duden bedeutet munkeln "im Geheimen erzählen". Es ist ein Verb, das mehr in der Umgangssprache gebraucht wird ("im Dunkeln ist gut munkeln"), während dein Sonett doch eine sehr elaborierte, fast erhabene Sprache aufweist.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin

Erich Kykal

Re: Eisblumen
« Antwort #3 am: Februar 19, 2021, 13:09:04 »
Hi AL!

Erst mal herzlichen Dank für den Zuspruch, wiewohl es ein sog. unkonventionelles Sonett ist - Puristen würden es nicht gern als solches bezeichnet wissen: Es gibt männliche Kadenzen, und das Reimschema der Quartette ist nicht umarmend.

Warum "Gemunkel"? nun, natürlich dachte ich - wie eben auch du - zuerst ans bekannte Gefunkel. Leider ist dieser Begriff dank romantischer Dichtung dermaßen abgegriffen und mittlerweile klischeehaft, dass ich ihn nicht verwenden wollte.
Eingangs sprach ich ja vom "Hauch" des Winterdunkels, da lag es nahe, im Bild zu bleiben und sozusagen auch das Sterngeflacker zu "vermunden", so als wäre ihr Geflacker eine Art Sprache und nicht Schwankungen atmosphärischer Dichte. So als "munkelten" sie sich dergestalt ständig etwas zu.
Zudem verorte ich "munkeln" nicht im gemeinsprachlichen Bereich. Es ist ein gutes gediegenes deutsches Wort.

Vielen Dank für deine Gedanken!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 25, 2021, 12:04:08 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Eisblumen
« Antwort #4 am: Februar 20, 2021, 00:06:08 »
Hallo Erich,

Blumen aus Kristalle, die an Elogen erinnern, die erinnern mich an Rilke. Der hat ein Gedicht geschrieben, Titel vergessen, aber da ging es um die Natur als Buch.

So wie manche Leute in andere Menschen lesen, lesen wieder andere Leute in der Natur. Auch nicht schlecht.

Eine Eloge auf die Kunst des Dichters, die Schönheit der Natur zu Preisen?

Im Ton traurig, aber nicht weniger schön.

Einen schönen Abend

Rocco
« Letzte Änderung: Februar 20, 2021, 00:23:58 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Eisblumen
« Antwort #5 am: Februar 25, 2021, 12:12:29 »
Hi Rocco!

Rilkes Gedichte haben vielenteils überhaupt keine Titel, sind nur in Sammlungen zusammengefasst wie lose Fetzen des Einfallsreichtums. Aber ich nehme es als tolles Kompliment, dass dich meine Lyrik - oder zumindest die Themenlage - an Rilke erinnern.  :)

Die Eisblumen sind heutzutage sehr selten geworden, dank gut isolierter und mehrschichtiger Fenster. Früher, bei zugigen Holzrahmen und einfachem Glas, wachte man im Winter oft mit Eisblumen am Glas auf, wenn die Feuchte im Raum an den kalten Scheiben kondensierte und gefror. Das ging, weil Schlafräume früher nicht beheizt waren - man kuschelte sich in kalten Zeiten bloß in mehr Decken oder eine dickere Tuchend.

Das Gedicht beschreibt ihre Schönheit. Wie Schneeflocken sind sie nie gleich, immer einzigartig: Eben "Blumen aus Kristall".

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.