Autor Thema: Still stand  (Gelesen 464 mal)

Agneta

  • Gast
Still stand
« am: Juli 03, 2018, 11:55:09 »
Still stand

Still war es im Haus. Als habe eine alte Uhr aufgehört zu schlagen, als schiene alles zu warten. Stickige Luft stand in den Räumen.
Das Haus empfing mich nicht. Nicht wie früher, wenn ich vom Hundespaziergang zurückkam und die feine weiße Spitzengardine aus dem Wohnzimmerfenster winkte und im Sommerwind spielte.
Ich nestelte an meinem Schlüsselbund, den ich gleich dem neuen Eigentümer des Hauses übergeben würde, zog die Küchenrollade hoch und sah, dass das Gras im Garten einen halben Meter hoch stand. Die Blumen auf den verunkrauteten Beeten ließen die Köpfe hängen. Niemand hatte sie begossen.
Alles schien mit einer seltsamen Schwermut belegt, in einer bleiernen Leere gefangen, gerade so, als hätte ich die Seele des Hauses bei meinem Auszug mit mir fort getragen.
Es schellte und ich überreichte dem Mann den Schlüssel mit den Worten: „Willkommen in Ihrem Haus.“
Seine Frau stand in der Einfahrt, wie versteinert schaute sie auf die roten Klinkeraußenwände. Eine Mischung aus Verzweiflung und Gleichgültigkeit lag in ihrem Blick, als er sich mit meinem kreuzte.
Das Haus empfing sie nicht. Sie hatte es nicht gewollt und nun stand sie da in der schwülen Hitze, in ihrem bunten Ballonkleid aus Ibiza, während ihr Mann in Flipflops von Raum zu Raum lief und strahlte wie ein kleiner Junge, der zu Weihnachten eine neue Eisenbahn bekommen hat. Ein kalter Schauder überzog meinen Rücken.
Kurz überlegte ich, ob ich mir ein paar rosa Heckenrosen für die Chinavase in meiner schicken neuen Wohnung abschneiden sollte und ließ es sein. Als ich ins Auto stieg, war mir so, als würde das Haus mir nachsehen, aus blinden Fenstern, beinahe so wie ein verlassener Freund.
Sie würden alles rausreißen, hatte der Mann gesagt, und ich drehte mich nicht um, bevor ich abfuhr.