Autor Thema: Vogel des Springquells  (Gelesen 713 mal)

wolfmozart

Vogel des Springquells
« am: Oktober 13, 2018, 15:14:09 »
Komm, großer Vogel, sei mein Gast
Schwing bleiern Dich von Deinem Ast
Drück feste mich in Dein Gefieder
Ersticke sanft der Tränen Lieder
Erlöse still mein heißes Herz.
Daß ich nicht spür, oh gar nicht spür
Der Welten Schmerz
Der Welten Schmerz.

Agneta

  • Gast
Re: Vogel des Springquells
« Antwort #1 am: Oktober 16, 2018, 10:17:02 »
erinnert an das Tischgebet, lieber Wolf. Ein Gast im Leben eines anderen sein, ihm helfen, ihn trösten und somit ihn nähren (Seelennahrung).
Schöne Konnotation. LG vn Ageta

Sufnus

Re: Vogel des Springquells
« Antwort #2 am: Oktober 17, 2018, 11:01:31 »
Auch mich erinnert - genau wie Agneta - der Anfang des Gedichts an das Tischgebet "Komm, Herr Jesu, sei unser Gast", weitere christliche Assoziationen kann ich allerdings nicht erkennen. Oder sollte das "erlöse" in Z5 in diese Richtung gehen? Wohl eher nicht. Vogel und Springquell (Geysir?) bleiben in ihrer Bedeutung somit rätselhaft (was nichts Schlechtes ist!).
Eine seltsame Sache ist das aber schon mit diesem Vogel: er ist "sanft" und "erlöst" und nimmt den "Welten Schmerz", andererseits schwingt er sich "bleiern" vom Ast und, wenn er dem LI das Gefieder ins Gesicht "drücken" und die Lieder "ersticken" soll, erinnert er eher an ein Kissen, das dem siechen, aber noch lästig langlebigen Erbopa ins Gesicht gedrückt wird.
Diese Zwielichtigkeit des Vogels ist eigentlich ein ganz interessanter Aspekt, aber für mich überwiegt hier eher die Verwirrung und ich kann mich weder in das LI noch in den Vogel so richtig einfühlen. Es läuft m. E. auf ein  vom LI herbeigesehntes "Gefühl der Gefühllosigkeit" an der Schwelle vom Weltschmerz zur manifesten Depression hinaus, aber ich mag mich da grandios täuschen.
Vielleicht ist mit dem nicht weiter ausgeführten Springquell, der Anspielung auf ein Gebet, dem Vogel und dem etwas abstrakt leidenden LI einfach ein bisschen zu viel in ein dafür etwas zu kurzes Gedicht gepackt worden? Wenn nach "der Tränen Lieder" schon Schluss wäre und auch der Springquell rausflöge, bliebe das Gedicht immer noch vieldeutig und leicht abgründig, würde für mich persönlich aber gewinnen.
Trotz einer gewissen Unsicherheit im Hinblick auf die Interpretation gern gelesen "habende" Zeilen! :)
Liebe Grüße!
S.

wolfmozart

Re: Vogel des Springquells
« Antwort #3 am: Oktober 20, 2018, 13:38:11 »
Dank euch beiden für eure Kommentare.

Die Assoziation mit einem Tischgebet find ich gelungen, ist aber eher ungewollt so geworden.

Ja Sufnus, dieses Poem ist in sich nicht schlüssig und läßt Fragen offen.
Aber es floß mir so aus der Feder und ich denk man kann auch mal etwas Rätselhaftes schreiben.

Lieben Wochenendgruß

wolfmozart