Autor Thema: Silvester auf der Schwelle  (Gelesen 876 mal)

Martin Römer

  • Gast
Silvester auf der Schwelle
« am: Dezember 30, 2018, 16:31:35 »
Ich werd mich ohne Irrnis locker machen,
wo ist der Sturmwind, wo sind meine Sitten,
der Schönsten gleich hab ich mit Spaß gelitten
und lauern in den Daunen nicht die Drachen?

Ich werd mich ohne Irrnis locker machen.
Beklommen schau ich einen Berg an Bitten.
Hab ich im Herzen meinen Hain durchritten,
bin ich vergnügt der Starke unter Schwachen.

Ich werd mich ohne Irrnis locker machen,
Zerfall und Zeit mit einem Zug zu nippen,
mein Lauf bewahr statt Liebesglut das Lachen –

die Kraft liegt wie ein Koppel um die Klippen,
das Selbst gleich einem Springquell anzufachen:
denn alle Seelen schweifen, Schnee zu schippen.






https://www.youtube.com/watch?v=2jSqV9o8GTU



Sufnus

Re: Silvester auf der Schwelle
« Antwort #1 am: Dezember 30, 2018, 20:10:48 »
Lieber Martin Römer,
ein Mutmachgesang unnachahmlicher Prägung, wie ein Nachzügler des heiteren Expressionismus im Geist von Jean Arp, van Hoddis oder Alfred Lichtenstein, aber in einem ganz eigenen, Deinem Ton. Deine Verse entziehen sich der einfachen Übersetzung in die Niederungen plumpen Verständnisses. Sie entzücken mich. Und - ich bin sicher - sie werden fortbestehen.
Lg,
S.
« Letzte Änderung: Dezember 30, 2018, 21:14:43 von Sufnus »

Martin Römer

  • Gast
Re: Silvester auf der Schwelle
« Antwort #2 am: Dezember 31, 2018, 11:24:30 »
Hallo, junger Freund…

Auch der Mystiker ist unappetitlich: die schweren Aufgaben habe ich in die erstbeste Metapher gegossen. Auch unsre Mutti – an deren Geschichte, Leben, Schicksal, Herzensgüte ich tagtäglich denke – hat sich gar wieder eingeschlichen.

Möge das neue Jahr mehr Bildung und weniger Stalinismus bringen: kann ich mir nur selbst zurufen.

Gutes Gelingen ringsum. Das Gute ist eine Illusion, das Schlechte allgegenwärtig, das Werk nimmt ein paar Millimeter Wasser weg von der Schnute. Aber Tanten mit dieser Titanic-Atmosphäre kommen dir wohl nicht über die Schwelle…

Mchen

Agneta

  • Gast
Re: Silvester auf der Schwelle
« Antwort #3 am: Dezember 31, 2018, 11:52:33 »
ich schließe mich Sufnus an, Martin. Ein Silvester-Gedicht, das sich gekonnt abhebt von dem üblichen Rest und Tiefgang zeigt. Mehr als persönliche Abrechnung mit einem Jahr, starker  Fingerzeug nach vorn (inkl. Mittelfnger fürs Erlittene).Respekt. LG von Agneta

Martin Römer

  • Gast
Re: Silvester auf der Schwelle
« Antwort #4 am: Dezember 31, 2018, 15:48:29 »
Hab Dank, du schöne Fee!

Dem Schicksal in den Rachen greifen: das ist an Aufgabe genug. Ansonsten ergeben wir uns guten Gewissens dem Charme der Wickelkindchen.

Jetzt klinke ich mich aus – jetzt kommen die Tanten.....