Autor Thema: Britta (sapph. Ode)  (Gelesen 713 mal)

Agneta

  • Gast
Britta (sapph. Ode)
« am: M?RZ 29, 2019, 09:01:34 »
Britta

Bieder wart ihr beide, geboren ärmlich.
Aktenberge, Schreibstuben sind ihr Alltag.
Endloszahlenketten, Papier, vergilbtes,
wurden ihr Schutzwall.

Du doch wolltest immer die Freiheit leben,
gingst in ferne Länder, alleine, furchtlos.
Unbedarfte Jugend, dem Wind zu folgen
über den Wolken.

Tanztest in der Sahara, schmecktest Duft von
Orchideenblüten, die ungebrochen
Dschungel färbten – Lichter, die Schatten spalten.
Schatten von früher.

Steppen wurden Freundin, verwaiste Seelen.
Mammutbäume flammten im Abendlichte
rot wie ein Gebet hinter Meerestosen,
Liedern der Kühnheit.

Wuchsest von dir weg, von dem kleinen Ego,
wuchsest in die Welt, die für andre fremd bleibt.
Vierzig Jahre Abi, du trafst dort Britta.
Worte vertuschten.



Sufnus

Re: Britta (sapph. Ode)
« Antwort #1 am: M?RZ 29, 2019, 12:59:23 »
Hi Agneta! :)
Ein Gedicht, das sich eines altehrwürdigen Schemas bedient und in seiner metrischen Formstrenge Hölderlinsche Klänge heraufbeschwört. Freut mich sehr, hier einmal etwas so Ungewöhnliches zu lesen! :)
Danke, Agneta, für dieses schöne Gedicht im klassizistischen Stil! :)
Der Knaller ist aber m. E. der Kippeffekt, der durch die letzte Strophe erzielt wird. Wenn man sich das Gedicht einmal mit und einmal ohne die letzte Strophe denkt, hat man zwei komplett unterschiedliche Werke vor sich. Ohne die letzte Strophe ist das Gedicht quasi aus der Zeit gefallen und hat einen durchgängig hohen Ton. Mit der letzten Strophe wechselt die Ebene plötzlich von Orchideenblüten und Mammutbäumen zu Britta und einem 40-jährigen Abi-Jubiläum, dadurch bekommt der Ton der ersten vier Strophen eine derartige Alltags-Erdung, dass es sich wie ein wuchtiger Aufprall auf dem Boden der Tatsachen anfühlt... das war für mich beim Lesen ein richtiger Schock und erzeugt natürlich auch einen ungeheuer komischen Effekt. War das so kalkuliert?
Sehr gerne gelesen! :)
S.

Agneta

  • Gast
Re: Britta (sapph. Ode)
« Antwort #2 am: M?RZ 29, 2019, 18:59:30 »
Lieber Sufnus,

es freut mich, dass dich Sapphos interessieren. Da ich im Moment für mein drittes Buch Werke sortiere, fielen mir auch die Sapphos in die Hände und ich dachte, ich stell mal wieder eine ein. Ab und zu nehme ich mir die alten Klassiker vor, bin dann wieder infiziert und habe heute natürlich gleich noch eine geschrieben, weil ich so schön im Fluss war. Dies ist von 2015.
Ich weiß, ihr wolltet gerne moderne Prosa, aber kommt noch...GGG
Ja, die "Alltagserdung" war gewünscht, da das Lyrikich auch den Schock verarbeiten muss, dass sie sich bei der Abifeier nach 40 Jahren mit der einstmals besten Freundin nichts mehr zu sagen hat. Das war eigentlich das Thema. Die vollständige Auseinanderentwicklung auf Grund von total unterschiedlichen  Leben, die beide geführt haben und noch führen, obwohl sie dieselben Voraussetzungen und sehr viele Gemeinsamkeiten hatten.
Der Bruch zu Britta findet sich also so auch stilistisch wieder. Das hast du richtig empfunden.
Komisch allerdings hatte ich nicht im Sinn... grübel.

LG und danke dir von Agneta
« Letzte Änderung: M?RZ 29, 2019, 19:02:56 von Agneta »

wolfmozart

Re: Britta (sapph. Ode)
« Antwort #3 am: M?RZ 30, 2019, 11:43:03 »
Hallo Agneta,

ich kann mich Sufnus nur anschließen, dass ich mich freu etwas so besonderes hier zu lesen.

Besonders find ich die Sprache und die Aussage.

Liebe Grüße wolfmozart

Agneta

  • Gast
Re: Britta (sapph. Ode)
« Antwort #4 am: April 02, 2019, 09:58:32 »
danke, lieber Wolf. LG von Agneta