Autor Thema: Muse Wattenmeer  (Gelesen 1008 mal)

Agneta

  • Gast
Muse Wattenmeer
« am: Oktober 12, 2019, 13:11:26 »
Muse Wattenmeer

Und als die Flut ihr gurgelnd vor die Füße trieb,
da schrieb sie so poetisch wie sie selten schrieb.

Denn Alltag nimmt uns nicht nur schnöde Zeit,
er hüllt uns in ein Vogelscheuchenkleid,
benagt die Seele, frisst die Poesie.
Das Meer doch wiegt sie sanft und hütet sie.

Das stille Watt schluckt stumm und gibt es an die Flut,
bis auch die aufgewühlte, fremde Seele ruht.
« Letzte Änderung: Oktober 15, 2019, 12:30:20 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Muse Wattenmeer
« Antwort #1 am: Oktober 12, 2019, 19:10:22 »
Hi Agneta!


Ein sehr schöner Text! Ich erlaube mir die folgenden kleinen Vorschläge zur Glättung des Duktus und Förderung der sprachlichen Eleganz im mittigen Vierzeiler:


Und als die Flut ihr gurgelnd vor die Füße trieb,
da schrieb sie so poetisch wie sie selten schrieb:

Der Alltag raubt uns nicht nur alle Zeit,
er hüllt uns in ein Vogelscheuchenkleid,
benagt die Seele, frisst die Poesie.
Das Meer jedoch wiegt sanft und hütet sie.

Das stille Watt schluckt stumm und gibt es an die Flut,
bis auch die aufgewühlte, fremde Seele ruht.


Z1 - Die Korrektur der "schnöden Zeit" beruht auf einem logischen Lapsus deines Textes - die Zeit, die uns der Alltag nimmt, ist ja eben NICHT schnöde Zeit, nein, der Akt des Fortnehmens ist schnöde, die Zeit, die uns dann fehlt, wäre gute Zeit gewesen, sie zu nutzen.

Z3 - Deine Zeile möchte betont auftakten, mit "benagt" ist der Auftakt klar unbetont. Sollte dir der Ausdruck nicht kraftvoll genug sein: "zerstört", "bedrückt", "verruft", "bedrängt", ...

Z4 - Ohne Inversion einfach schöner.


Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 12, 2019, 21:43:28 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Eleonore

  • Gast
Re: Muse Wattenmeer
« Antwort #2 am: Oktober 12, 2019, 20:56:28 »
Hallo Agneta,

ich schließe mich Erich an:
Dieses Gedicht ist wunderschön.

Denn Alltag nimmt uns nicht nur schnöde Zeit,
er hüllt uns in ein Vogelscheuchenkleid,
nagt an der Seele, frisst die Poesie.


Wie wahr sind diese Worte!
Und wie treffend Deine Schöpfung des Vogelscheuchenkleides.
Ja - so steht eineR oft im Alltag herum .... selbst wenn sie aktiv und rege ist,
ist sie doch eigentlich nur eine doofe Rübenpuppe, um als Alibi zu fungieren.
Wie so anders ist der Nicht-Alltag *seufz*.
Alltag ist für mich manchmal unerträglich und die Worte steigen in der Regel nur in der Stille auf bei mir
oder bei besonderen Gelegenheiten, die ich noch nicht näher begriffen habe.

Sehr gerne gelesen
und dem Zauber des Meeres gelauscht.

Eleonore


Agneta

  • Gast
Re: Muse Wattenmeer
« Antwort #3 am: Oktober 15, 2019, 12:35:16 »
vielen Dank, lieber Erich, fürs genaue Hinschauen. Benagt ist metrisch besser und passt auch, weil es ein Prozess ist, der vermutlich nervt. Habe es direkt geändert.

Das schnöde hingegen kann sich auf aufs Verb beziehen.
Das verstärkende doch beim Meer und seinem Wiegen habe ich extra so gesetzt-
Vielen lieben Dank dennoch!

Genau so war es gemeint, liebe Eleonore und auch dir vielen Dank für deine Gedanken.
Es geht mir wie dir, Worte, also poetische kommen mir nur, wenn ich Ruhe habe, keine Termine, also eigentlich fast schon Langeweile... Lächeln und lG an euch beide von Agneta