Autor Thema: frohe mär  (Gelesen 606 mal)

Sufnus

frohe mär
« am: April 19, 2020, 21:13:13 »
frohe mär

nur mehr luft
leerer raum

netter versuch
dieses vakuum mit
einem schrei zu füllen

will heißen
es ist ein junge
und er ist
noch nicht tot

Eisenvorhang

  • Gast
Re: frohe mär
« Antwort #1 am: April 20, 2020, 00:01:01 »
Hi Sufnus,

sehr originell empfinde ich den Bruch des luftleeren Raumes, der sich in zwei Sinn-Entitäten ergießt.
Zeile eins umschließt somit die verbliebene Hoffnung mit der letzten Zeile.

Interessant ist die zweite Strophe, die etwas Ungewissheit gibt, ja, aber auch Gewissheit. Denn der nette Versuch könnte einen Tatortcharakter eines Täters haben und dem Gedicht einen Monolog unterstellen.
Unklar ist das Vakuum, welches auf eine Leere anspielt.

So gesehen! Könnte die Szenerie ein innerlicher Zustand einer Person sein, die in den Wald gehen und mal richtig schreien will.

"Das Frohe" der Mär gibt mir allerdings rätsel auf... Hoffnung und Frohsinn gehen oft Hand in Hand. 

Gern gelesen und ja, jetzt nehme ich die Zeilen mit ins Bett und das genau um 00:00 Uhr.

vlg

EV

Sufnus

Re: frohe mär
« Antwort #2 am: April 20, 2020, 11:19:10 »
Hi EV!
Vielen Dank für die Textzuwendung! :) Ich dachte an eine Geburt (Geburtsschrei) und die "frohe Mär" kann je nach Perspektive entweder christlich wie bei einem Weihnachtslied (das ist, wie aufmerksame Sufnusleser sich denken werden, nicht meine Perspektive, aber sie ist nicht von der Hand zu weisen) gelesen werden oder hoffnungsvoll-existentialistisch oder schwarzgallig sarkastisch.
Die christliche Lesart, die durch die Anspielung auf Luthers Weihnachtslied (ich bring euch gute, neue Mär) suggeriert wird, ist mir unbeabsichtigt durchgerutscht... ich überleg noch, ob ich es zulasse, dass mir irgendeine unterbewusste Sprechschicht ins Handwerkt gepfuscht hat ;) oder ob ich den Titel nicht besser ändern sollte...
Vielleicht lass ich einfach zu, dass ich mich da sprachlich irgendwie selbst aufs Kreuz (sic) gelegt hab...  ;D
LG!
S.

Agneta

  • Gast
Re: frohe mär
« Antwort #3 am: April 20, 2020, 11:38:49 »
als weibliche Leserin fiel mir sofort eine Geburt ein, lieber Sufnus. Der Schrei im luftleeren Raum, der eigentlich nicht luftleer ist, denn sonst würde der Kleine ja ersticken.
Im übertragenen Sinne allerdings ist es sehr wohl ein luftleerer Raum, ein Raum, wo man nicht weiß, was einen erwartet. Eine Geburt ist eigentlich ein Schock für ein Kind.
Da ist die Angst der Eltern: ist es gesund? Manchmal auch die banale Frage; Junge oder Mädchen?
Vielleicht handelt es sich hier um ein krankes Kind. Der Text ist eher bitter. Auch die frohe Mär ironisch gelesen würde dazu passen.
LG von Agneta

Eisenvorhang

  • Gast
Re: frohe mär
« Antwort #4 am: April 20, 2020, 11:44:56 »
Okay, da lag ich völlig daneben!
Mist  ;D