Autor Thema: Sonne und Schnee  (Gelesen 712 mal)

AlteLyrikerin

Sonne und Schnee
« am: Februar 14, 2021, 12:55:33 »
Die Sonne vermählt sich dem Schnee.
Er schenkt ihr den Glanz von Brillanten.

Doch so glutvoll geküsst
muss er der Erde verblassen,
die er selbstlos mit Frühlingsmut tränkt.

Rocco

Re: Sonne und Schnee
« Antwort #1 am: Februar 18, 2021, 22:13:10 »
Hallo Lyrikerin,

ein Gleichnis über die Vergänglichkeit. Ist dir klar, dass, wenn du nur 31 Silben gebraucht hättest, du ein Tankas geschrieben hättest. Rein vom Aufbau ist es eins.

Einen schönen Abend

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

AlteLyrikerin

Re: Sonne und Schnee
« Antwort #2 am: Februar 19, 2021, 12:08:04 »
Hallo Rocco,

herzlichen Dank für Deinen Besuch und den Kommentar. Nein, mit den japanischen Gedichtformen habe ich mich noch nicht befasst. Ich habe auch eine gewisse Scheu davor. Es ist wohl nicht damit getan die korrekte Anzahl der Silben abzuzählen. In die japanische Kultur müsste man tief eintauchen, denke ich, um zu erfassen, was das Besondere an ihrer Lyrik ist. Schon die Fremdheit und Andersartigkeit der Sprache ist ja ein Hindernis. Entspricht unser Silbenkonzept denn wirklich den kleinsten Einheiten, aus denen Tankas Haikus u.a. japanische Gedichte sich zusammensetzen?
Meine Intention war eher ein Kurzgedicht zu schreiben, das, ähnlich wie eine Zeichnung aus nur wenigen Strichen, einen Moment festzuhalten versucht, den das lyrische Ich in der Natur erlebt.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Rocco

Re: Sonne und Schnee
« Antwort #3 am: Februar 19, 2021, 23:12:27 »
Hallo Lyrikerin,

nein, ich wollte mich nicht als ein Tanka-Experte aufspielen, dazu weiß ich auch zu wenig darüber.

Mir ist nur der Aufbau deines Kurzgedichts aufgefallen und da ich immer über das Was und Wie eines Textes nachdenke, lag der Vergleich nahe. (Natürlich lese und schreibe ich selbst welche, sonst wäre mein Kommentar witzlos.)

Je mehr Gedichte ich in diesem Forum lese, desto mehr fällt mir auf, dass ich von Lyrik kaum Ahnung habe. Mir wurde einmal gesagt, ich sei ein "Null-Talent". Warum? Ich hatte es gewagt, ein Tanka zu veröffentlichen, wie es mir gefallen hat, unabhängig davon, was die Regel-Gurus vorher alles gesagt hatten. Hier ist es:

die eiche rauscht:
ein blühender mast
im garten

der ein boot ist
richtung horizont


Mein Rat: Wenn dir Kurzgedichte gefallen, schreibe noch mehr. Ich lese gerne Kurzgedichte.

Einen schönen Abend

Rocco
« Letzte Änderung: Februar 20, 2021, 06:49:48 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

AlteLyrikerin

Re: Sonne und Schnee
« Antwort #4 am: Februar 20, 2021, 11:26:23 »
Hallo Rocco,

vielen Dank für Deine Antwort. Von Tankas verstehe ich nichts, wie ich schon zugegeben habe. Unabhängig davon, ob Deine Verse nun die Regeln korrekt einhalten, ich finde sie schön. Die Natur verweist uns oft auf einen Horizont, der Zukunft bedeutet, unermesslich viel reicher als unsere Pläne und Entwürfe.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Sonne und Schnee
« Antwort #5 am: M?RZ 04, 2021, 16:05:18 »
Hi AL!

Schon mehrfach habe ich betont, wie sehr ich lyrische Miniaturen schätze und liebe! Es nimmt also nicht wunder, dass mich auch Dein Werk über das etwas ungleiche Brautpaar Sonne und Schnee überaus erfreut! :)

Nur eine Sache hat mich ein ganz kleines bisschen gestört, das ist die für mein Leseerleben recht altmodische Sprache der Zeilen. Dieser Eindruck wird zum Teil durch die Wörter evoziert: "vermählt" und "glutvoll" verweisen eher ins 19. als in 21. Jahrhundert und die Wendung "muss er der Erde verblassen" ist ganz ungewöhnlich, und wenn diese Fügung auch nicht dezidiert altmodisch ist, so widerstrebt sie doch dem heutigen Sprechen und wäre für ältere Generationen (und damit meine ich keine heute noch lebenden Menschen) wohl leichter verständlich gewesen. Ich rätsele noch etwas über die genaue grammatische Einordnung von "der Erde". Am ehesten scheint es mir eine Art Dativus incommodi zu sein (er verblasst ihr = er wird aus ihrer Sicht blass). Zusätzlich erzeugt auch das Metrum eigenartigerweise für mich eine gewisse Altmodischkeit, die ich noch nicht so recht greifen kann - vielleicht erinnert es mich ein bisschen an klassizistische Distichen (obwohl es sich nicht um solche handelt).

Die Bedenken ändern aber gar nichts daran, dass ich das Gedicht mit großer Erfreunis gelesen habe! :) Über die Frage von "altmodischem" Habitus und der "Qualität" von literarischen Texten ließe sich eh ganz trefflich debatieren... ich lese schon eKy vor meinem inneren Auge, der "altmodisch" sicher keinesfalls als etwas Nachteiliges aufgefasst sehen wollen würde. :)

Nichtsdestotrotz hier noch ein Versuch, den Versen zur Veranschaulichung meiner Ausführungen einen etwas "moderneren" Ton zu leihen :) :


Ein schönes Paar:
Die Sonne und der Schnee.
Er schenkt ihr
den Glanz von Brillanten.

Doch unter dem Sonnenkuss
zeigt die Erde sich wieder
frisch gebräunt und wird
mit Frühlingsmut getränkt.


LG!

S.

P.S.:
Und Dein Kurzgedicht, lieber Rocco, hätte einen ganz eigenen Faden verdient. Es hat tatsächlich etwas für mich sehr Japanisches oder zitiert zumindest eine gewisse japanische Ästhetik. :) Gefällt mir ganz ausgesprochen gut! :)



« Letzte Änderung: M?RZ 04, 2021, 16:24:09 von Sufnus »

AlteLyrikerin

Re: Sonne und Schnee
« Antwort #6 am: M?RZ 05, 2021, 14:12:46 »
Lieber Sufnus,

ja, wenn ich es bedenke, was ich mir vorher nicht so klar gemacht habe, dann sind das keine modernen Worte. Man kann daher durchaus "altmodisch" dazu sagen. Nun bin ich hin und her gerissen zwischen der Anforderung "modern" zu sein und meiner Liebe zur Verwendung und damit Erhaltung so vieler, lieber alter Worte, die der Zeitgeist und die zeitgenössische Sprachverdünnung so gerne in die Tonne treten würden.
Übrigens, Deine Fassung gefällt mir auch sehr, sehr gut.
Da es mir nur um eine Momentaufnahme einer besonderen Stimmung ging, belasse ich es einfach dabei. ;D

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.