Autor Thema: Zuhause, in der Sprache  (Gelesen 632 mal)

Rocco

Zuhause, in der Sprache
« am: M?RZ 16, 2022, 23:48:06 »
"heute lebt er
wenn er nicht reist"

*

Er: "Ich bin von woanders"
Ich: "Also nicht aus Deutschland?"
Er: "Doch. Ur-Deutscher"

*

Die faule Haut des Umtriebigen. 
Dieses Trägen

*

Sich vorzustellen
die Sternenlichter seien nur
die Lichter
einer echten Großstadt

*

Messerklar

*

Treibt den Künstler zur Karikatur:
die Unlust am Widerspruch

*

A: "Mein Sohn bereitet mir Sorgen. Er hat:
Zecken, Läuse und Flöhe"
B: "Stimmt, manche übertreiben die Tierliebe"

*

Schicksalsritterschlag

*

Verzweiflung: Alles bezweifeln kann man
nie

*

Nur dilettantische Poeten
sind in der Ungenauigkeit der Sprache
nicht zuhause

*

Ach hätte der Tod einen Terminkalender
mit Feiertagen und Urlauben! 

*

Logik

Der Mond gießt Milch
in meine leere Kaffeetasse. 
Wie sollte ich da nicht
Kaffee zuschütten
mich zum Schreibtisch begeben
und Träume
in Manuskriptform bringen? 

*

Teufelskreis. Der Punkt
an dem dich dein Feind aushebeln kann

*

X. ist ein Känguru:
nichts in der Tasche und ständig
auf dem Sprung

*

Eine Hürde zu überspringen
ist noch keine Selbstüberwindung

*

Seltsam. Die Regenbogenpresse
kennt nur eine Farbe:
Schwarz

*

Revolution: ein Pseudonym für
Kannibalismus

*

X. wird erwachsen:
so langsam nabelt er sich ab
von der Blauen Blume

*

So manche Löcher würde er behalten. 
Wegwerfen würde er nur die Strümpfe

*

Arbeitsteilung. Der Autor hält den Stift
und der 
trägt den Autor

*

Politiker

Von ihren vielen Sitzungen bekommen andre Plattköpfe

*

Eine verwinkelte Gasse -
ein öffentlicher Hinterhof

*

Sein Schreibtisch:
eine verwinkelte Gasse
auf dem Katzen
den Mond besingen

*

Bescheidenheit: Elendsquelle
der Phantasie

*

Aus einem Schüleraufsatz:

"Er sprach
mit gespaltener
Eselszunge"

*

In der Nacht blühte er auf. Das heißt:
Er lebte unglücklich bis ans Ende aller Tage

*


"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Zuhause, in der Sprache
« Antwort #1 am: November 30, 2022, 11:39:21 »
Hi Roc!

Erneut bunt Gemischtes, vom Brüllwitzgeblödel bis zu tiefgründig philosophischen Sprachspielereien auf höchstem Niveau! Als Beispiele dafür mögen hier am besten Nr.6 und 7 gelten, die direkt hintereinander das jeweilige Publikum ansprechen.

Auch Neologismen mit Hirnkribbelgarantie wie zB Nr. 8 vermögen mich in höchstem Maße zu erfreuen.

Geniale Sprüche wie Nr. 10 laden zu intensivem Nachdenken ein, während man solche wie Nr. 11 bestenfalls in enem humorigen Sprüchekalender verorten würde, der einem bestenfalls ein fast schon leicht gelangweiltes Schmunzeln entlockt. Aber das interpretiert jeder wohl anders, und der Autor mag auf den einen Spruch so stolz sein wie auf den anderen.

Den zweiten Satz im Kurzgedicht 'Logik' verstehe ich nicht. Fehlt da etwas? Warum sollte man 'Kaffee zuschütten' - und womit? Mit Zucker? Wahrscheinlicher ist, dass du sagen wolltest: 'Warum sollte ich mich da nicht mit Kaffee zuschütten (wollen), mich zum Schreibtisch begeben und ...'

Die folgende Aussage ist in sich unkorrekt: Ein Kreis ist ein Kreis und kann kein Punkt sein, egal wie klein er sein mag. Der Punkt mag IN diesem Kreis liegen, zB als Mittelpunkt:

'Teufelskreis: In seiner Mitte liegt stets der Punkt, an dem dich dein Feind aushebeln kann.'

Obwohl mir die Erwähnung äußerer Feinde im Zusammenhang mit einem Teufelskreis, in dem jemand gefangen ist (und damit ohnehn schon genug Probleme hat), nicht unbedingt als die beste Herangehensweise an diese Thematik erscheint. Mir läge so etwas wie dies näher:

'Teufelskreis: In seiner Mitte liegt stets der Punkt, auf den er dich reduziert hat.'

Was mir noch besonders gefallen hat: Känguruh, Strumpflöcher, Bescheidenheit und Nacht.

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy


PS: Für eine leichtere Kommentierung einzelner Sprüche möchte ich künftig die Verwendung einer Nummerierung andenken. Besonders in längeren Sammlungen ließe sich so vieles leichter wiederfinden oder besprechen.

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.